Erstellt am: 6. 12. 2015 - 06:00 Uhr
Die "Kletter-Wunderkinder"
Panico Alpinverlag
Sportklettern ist noch eine recht junge Sportart, und so mag es nicht verwundern, dass die Grenzen des Kletterns immer weiter verschoben werden, die Leistungen immer atemberaubender und die ProtagonistInnen immer jünger. Fast inflationär wurde in den letzten Jahren das Etikett "Wunderkind" verwendet, aber wenn 12- und 13-Jährige Routen klettern, an denen sich mancher Profi die Zähne ausbeißt, liegt diese Bezeichnung einfach nahe.
Claudia Ziegler, die seit über acht Jahren Kletterinnen und Kletterer fotografiert, für Magazine, aber auch für Werbekunden, wollte diese Generation der Wunderkinder näher beleuchten. Sie, die bei ihren Kletterbildern schon immer versucht hat, nicht die härtesten Züge, sondern die Persönlichkeiten der ProtagonistInnen zu zeigen, hat in ihrem Bildband "The Young Savages. Die jungen Wilden" versucht herauszufinden, wie die jungen Kletterer mit den Erwartungen, die das Label Wunderkind an sie stellt, klarkommen.
Ungewöhnliche Laufbahn als Kriterium
Claudia Ziegler / Panico Verlag
Die Verantwortung des Superstars
FM4-Interview mit Adam Ondra
"Wenn ich ein Buch über diese Generation von Kletterern machen will, dann geht das nur mit Adam", sagt Claudia Ziegler und meint den 22-jährigen Adam Ondra, der in den letzten Jahren mehrmals neue Kletter-Schwierigkeitsgrade am Fels eröffnet hat und aktuell Weltmeister sowohl im Vorstiegsklettern, als auch im Bouldern ist. Und obwohl sich die beiden nicht kannten, war es für Adam Ondra sofort selbstverständlich, bei dem Projekt mitzumachen. Er war der erste, den Claudia Ziegler für das Projekt angefragt hat. Nach seiner Zusage hat sie die anderen ProtagonistInnen ausgewählt, Johanna Ernst etwa, die jüngste Vorstiegs-Weltmeisterin aller Zeiten geworden ist und sich am Höhepunkt ihrer Karriere spektakulär vom Wettkampfklettern verabschiedet hat, oder Alex Megos, der quasi über Nacht mit der ersten On-Sight-Begehung einer 9a-Route berühmt geworden ist.
Claudia Ziegler / Panico Verlag
Die Kriterien für die Auswahl der AthletInnen hat Claudia Ziegler relativ klar abgesteckt. Sie wollte Kletterer und Kletterinnen porträtieren, die entweder bereits eine ungewöhnliche Laufbahn vorweisen können oder sie sehr wahrscheinlich noch vor sich haben. Niemand sollte älter als 25 sein und Claudia wollte auch nur eine Person pro Land porträtieren. Für die USA, wo besonders viele gute junge Kletterer herkommen, hat sie schließlich eine Ausnahme gemacht. Elf Episoden sind es schließlich geworden, mit dreizehn Kletterern, da zwei Episoden Geschwisterpaare porträtieren.
"A climber cannot be an idiot"
Trotz ihrer langjährigen Erfahrung in der Kletter- und Outdoorfotografie hat Claudia Ziegler fast keinen ihrer ProtagonistInnen gekannt, doch nachdem sie sie über E-Mail oder Facebook kontaktiert hat, haben alle zugesagt, was Claudia Ziegler als Privileg sieht. Denn sie hat ja nicht einfach nach einem Fototermin gefragt, sondern danach, ein paar Tage mit ihnen leben zu können, in deren Wohnungen und Häusern. Dass es keine Berührungsängste gegeben hat, liegt wohl an der Offenheit der Klettercommunity. "Sie ist eine Kletterin", meint etwa Adam Ondra über Claudia, "und wenn jemand ein Kletterer ist, weiß man schon, dass das kein Idiot ist. Ich habe noch nie einen Kletterer getroffen, mit dem ich nicht gut ausgekommen wäre."
Claudia Ziegler / Panico Verlag
Einander Wildfremde haben sich für den Bildband auf eine Nähe einlassen müssen, die anfangs sicher ungewohnt und ungewöhnlich war. Die Spannungen, die zu Anfang durchaus vorhanden waren, haben sich aber meist nach zwei/drei Tagen aufgelöst und die Porträtierten die Kamera auch vergessen lassen, erzählt Claudia Ziegler. Das "richtige" Arbeiten habe für sie quasi immer erst am dritten Tag begonnen.
Einblicke ins Private
Mit Adam Ondra hat sie schließlich Trainingseinheiten im Wohnzimmer seines Großvaters abgespult, ist in seinem Campingbus mitgefahren und ist mit ihm in Uni-Vorlesungen gesessen, wo sie ihn aus seiner Comfort-Zone gebracht hat. Mit Johanna Ernst hat sie Unkraut gerupft und sie sogar bis aufs Klo verfolgt. Shauna Coxsey hat sie zum Arzt und Physiotherapeuten begleitet und mit Ashima Shiraishi ist sie im Central Park durch Wasserfontänen gesprungen.
Claudia Ziegler / Panico Verlag
So unterschiedlich die ProtagonistInnen von "Young Savages" auch sind, eines ist Claudia Ziegler aufgefallen, "dass sie alle irrsinnig motiviert sind und viel älter als ihr biologisches Alter. Sie alle müssen mit Medien zurecht kommen und einfach schnell erwachsen sein. Jeder von ihnen hat eine irrsinnige Disziplin und das macht, glaub ich, schnell erwachsen."
Mit ihren eindrucksvollen und spannenden Bildern hat Claudia Ziegler einen Schritt dieser jungen Kletterstars ins Erwachsenenleben dokumentiert. Man kann gespannt sein, wie die Karrieren der jungen Kletterstars verlaufen werden. Wer "Young Savages" in der Hand gehalten hat, wird die Kletter-Schlagzeilen von Neubegehungen und Wettkampfsiegen auf jeden Fall mit interessanten Menschen verbinden können.