Erstellt am: 21. 11. 2015 - 09:00 Uhr
Die Verantwortung des Superstars
Der Tscheche Adam Ondra ist der Superstar des Kletterns schlechthin. Seit Jahren klettert er die schwersten Routen am Fels und erschließt neue Schwierigkeitsgrade. Und auch im Wettkampfklettern hat er allen gezeigt, dass er der Beste sein kann: Letztes Jahr hat er sich sowohl im Bouldern als auch im Vorstiegsklettern den Weltmeistertitel geholt, vorige Woche dazu mit dem Sieg im letzten Vorstiegs-Weltcup der Saison in Krajn den Gesamtweltcup.
Trotz seiner Popularität im Klettern ist der 22-jährige am Boden geblieben, nahbar, stets freundlich, sympathisch. Bei einer Buchpräsentation in der Wiener Boulderbar lässt er sich mit seinen Fans fotografieren und nimmt sich Zeit für ein ausführliches Interview.
Sebastian Wahlhuetter
Simon Welebil: Adam, dein Name ist überall in der Kletterszene bekannt. Man bezeichnet dich als „Superstar“ des Kletterns. Wie geht es dir mit diesem Label?
Adam Ondra: Es fühlt sich ganz gut an, wenn andere Leute den ganzen Aufwand würdigen, den ich ins Klettern stecke. Nicht nur der Aufwand, auch die Leidenschaft und die Mühen. Und wenn die Leute dann denken, dass ich das gut mache, dann fühlt sich das auch gut an. Gleichzeitig habe ich dadurch natürlich auch auf einmal Verantwortung: Die Leute schauen mir beim Klettern zu und erwarten, dass ich eine gute Leistung zeige. Aber ich denke ich kann damit leben. Es ist ein geringer Preis, denn ich dafür bezahlen muss. Der andere Preis den ich bezahlen muss ist, dass ich berühmt geworden bin und mich die Leute erkennen – nicht unbedingt auf der Straße, aber definitiv am Fels und in den Kletterhallen. Dann will ich in meiner Verantwortung als professioneller Kletterer die anderen motivieren und ihnen den Weg in eine Richtung zu weisen, die ich als richtig empfinde.
Du hast in den letzten Jahren die Grenzen des Sportkletterns immer wieder verschoben. Du warst der erste Kletterer, der Routen im Schwierigkeitsgrad 9b/9b+ geklettert hat. Ich vermute die Kletterfans erwarten von dir, dass du die Grenzen des Sportkletterns noch weiter verschiebst?
Ja, das glaube ich auch, vielleicht, dass ich die erste 9c der Welt klettern kann, was natürlich auch mein großes Ziel und Traum ist. Ich glaube ich habe meine Projekte gefunden, die diesen Schritt ermöglichen, ich muss nur ein wenig stärker sein, um sie abhaken zu können.
Wo wird die erste 9c Route der Welt sein?
Die wahrscheinlichste Option ist in Norwegen, in Flatanger, wo ich auch die weltweit erste 9b+ Route eingerichtet habe.
Ist es eine Kombination aus anderen harten Routen oder eine komplett neue Linie in dieser gigantischen Höhle von Flatanger?
Es ist eine komplett neue Route – für mich DIE Kletterlinie der Höhle.
Und wie sieht die aus?
Diese 9c ist ungefähr 50m lang mit wirklich vielen schweren Zügen nacheinander ohne irgendwelche Rastmöglichkeiten. Man muss in der Lage sein, jeden dieser wirklich schweren Züge einzeln zu klettern, gelichzeitig aber so fit sein, eine ganze Menge von ihnen – an die 25 – zusammenzuhängen.
Wie gehst du jetzt Projekte wie dieses an?
Normalerweise mache ich zwei bis drei Wochen lange Klettertrips, in denen ich versuche, ein Projekt abzuschließen. Manchmal krieg ich zu Beginn eines Projekts nicht mal einzelne Züge einer Route her, so schwer sind sie. Wenn ich heraußen habe, wie diese Züge funktionieren, versuche ich mehrere Züge zu größeren Abschnitten zusammenzuhängen und dann – nach ein oder zwei Wochen – starte ich ernstere Versuche. Und um sagen zu können, dass ich die Route geschafft habe, muss ich dann alles in einem durchsteigen und darf das Seil und das Sicherungsmaterial wirklich nur zum Sichern verwenden.
Wie lange hast du dann für die erste 9b+ in Flatanger gebraucht?
5 Wochen in drei unterschiedlichen Klettertrips. Normalerweise klettere ich bei einem Trip zwei Tage hintereinander und mache dann einen Tag Pause, also waren’s ungefähr 20 Klettertage in dieser Route.
Im Vergleich dazu hast du deine letzte Begehung ja geradezu in Rekordzeit gemacht, dabei war es die schwerste Route in ganz Frankreich?
Es war eine 9b und die sind für gewöhnlich ein bisschen einfacher als 9b+ Routen. Für die meisten meiner 9b Projekte habe ich etwa zwei Wochen bis zum Durchstieg gebraucht, für diese Route nur drei Tage. Das war definitiv ein großer Sprung für mich. In den letzten beiden Jahren bin ich nämlich nicht viel zum Felsklettern gekommen, weil ich mich aufs Wettkampfklettern konzentriert und dafür hart trainiert habe. Ich habe nicht wirklich einen Vergleich gehabt, ob ich dadurch stärker geworden bin, aber jetzt ist es sehr schön zu sehen, dass ich nach draußen gehen kann und quasi vom Fitnessraum – ohne an den Fels gewöhnt zu sein – diese 9b so schnell abhaken kann.
IFSC Stanko Gruden
Konzentrierst du dich jetzt eigentlich wieder aufs Felsklettern oder wirst du weiter an Wettkämpfen teilnehmen?
Das Weltcupfinale in Kraijn ist der letzte Wettkampf für lange Zeit und ich werde mich wieder voll aufs Felsklettern konzentrieren.
Heißt das, du wirst nächstes Jahr gar keine Wettkämpfe bestreiten?
Nächstes Jahr interessieren mich eigentlich nur die Weltmeisterschaften, die im September in Paris stattfinden, in einer der größten Hallen der Stadt, das wird wahrscheinlich einer der besten Wettkämpfe überhaupt werden. Das werde ich mir wohl nicht entgehen lassen, aber ich glaube ich werde an keinem der Weltcups teilnehmen.
Das heißt du willst deinen Weltmeistertitel auf jeden Fall verteidigen?
Schaun wir mal.
Simon Welebil / FM4
Aktuell gibt es einige sehr starke, noch jüngere Kletterer als dich, glaubst du, dass sie die Grenzen des Kletterns irgendwann einmal noch weiter verschieben werden?
Natürlich. Und ich freue mich schon darauf in ein paar Jahren diese ganzen Kids dabei zu beobachten. Die schwersten Routen existieren, um geklettert zu werden und nicht um zu verrosten. Mich würde es freuen, wenn meine Routen von anderen geklettert werden und in zehn Jahren gibt es sicher 10a Routen, die von 16-jährigen Jungs geklettert werden. Das wird hervorragend. Klettern ist immer noch ein junger Sport und es gibt noch jede Menge Raum für Entwicklungen.
Du warst ja schon als ganz junger Kletterer im Zentrum der Medienaufmerksamkeit. Wie hast du dich dabei gefühlt?
Ganz am Anfang vielleicht war ich sehr schüchtern und nicht sehr gesprächig. Da war es sehr schwer für mich, Interviews zu geben. Aber das war halt auch eine Herausforderung, um in diese Welt der Top-Kletterer eintreten zu können. Ich denke, ich hab mich da ganz gut geschlagen. Ich genieße es jetzt nicht unbedingt, aber wie ich schon gesagt habe, ich fühle mich verantwortlich als Botschafter des Kletterns, der den Leuten auch sagen muss, wie cool Klettern ist.
Simon Welebil / FM4
Von all deinen schweren Kletterprojekten gibt es Videos. Wenn du jetzt nach Flatanger gehst, nimmst du einen Fotografen oder eine Filmcrew mit, die das alles festhalten? Musst du deinen Media Output immer mitdenken?
Es passiert eigentlich immer alles von selbst. Normalerweise frage ich keinen Fotografen oder keine Filmcrew, mich zu begleiten, die fragen mich, ob sie mitkommen dürfen oder sie sind zufällig bei der gleichen Felswand und filmen meine Versuche dann halt auch mit. Es sind also mehr Zufälle.
Manchmal fragen meine Sponsoren, ob wir was gemeinsam was machen können und ich erzähle ihnen dann von meinen Plänen und sie schicken dann jemanden, vorzugsweise einen meiner Freunde, aber das sind sie ohnehin üblicherweise alle.
Hast du dann irgendwelchen Druck, wenn dich Fotografen auf einem Trip begleiten?
Das spür ich nicht. Ich habe auf Trips meist einen recht konkreten Plan und der Fotograf macht da normalerweise mit. Es ändert sich für mich überhaupt nichts.
Das heißt, du musst dir über deine Medienberichterstattung überhaupt keine Gedanken machen?
Nein [lacht]. Ich habe recht viel Glück mit meinen Sponsoren und ich denke meine Leistung allein spricht für mich, sodass ich mir um nichts anderes Gedanken machen muss. Ich weiß, dass ich in einer glücklichen Position bin und dass sich das nicht viele Andere leisten können, aber ich bin froh, dass es für mich so funktioniert.
Panico Alpinverlag
Die Fotografin Claudia Ziegler hat Adam Ondra und andere junge Stars der Kletterszene am Fels und privat in ihrem Bildband "Young Savages" porträtiert. Mehr darüber in Bälde.
Seit mehr als zwei Jahren bist du neben dem Klettern auch noch Student. Wissen deine StudienkollegInnen, dass du ein Weltklasse-Kletterer bist, ein Superstar in der Community?
Jetzt studiere ich ja schon das dritte Jahr auf meiner Uni. Im ersten Jahr haben meine Klassenkameraden das vielleicht nicht so mitbekommen – in einem Jahrgang gibt es doch über 500 Studierende – aber jetzt wissen das schon einige.
Trennst du Klettern von der Uni, von deinem Privatleben?
Ich will meinen StudienkollegInnen eigentlich gar nicht erzählen, dass ich Kletterer bin, und noch dazu so ein guter Kletterer. Manchmal fühlt es sich ganz gut an, einfach ein ganz normaler Student sein zu können, so wie die anderen eben.
Wie funktioniert eigentlich das Studieren, wenn du nebenbei so anspruchsvolle Kletterprojekte verfolgst? Dir bleiben ja nur die Ferien, um große Projekte zu verwirklichen.
Natürlich. Die letzen zwei Jahre habe ich mich deshalb auch eher aufs Wettkampfklettern konzentriert, wo die Bewerbe ja normalerweise am Wochenende stattfinden. Da gab’s also keine Probleme das zu vereinbaren. Und zu studieren und nebenbei zu trainieren funktioniert ganz gut. Es hängt natürlich immer ganz davon ab, wie stark man trainiert. Ich glaube ich trainiere im Moment sehr viel. Wenn ich viele Kurse habe, kann das dann ganz schön stressig werden.
Wie viele Stunden trainierst du am Tag?
Etwa fünf oder sechs Stunden.
Du hast vorhin gesagt, dass du dich jetzt wieder mehr auf Projekte am Fels konzentrieren wirst. Jetzt im Winter wird die Höhle in Norwegen wohl zu kalt zum Klettern sein, hast du andere Projekte im Sinn?
Ich glaube ich werde mir was in Spanien suchen. Da gibt’s noch einige Projekte und bereits eingebohrte Routen, die ich gerne klettern würde. Nichts davon außergewöhnlich schwierig, so um die 9b, aber damit kann ich mich wieder ein bisschen an den Fels herantasten um für Flatanger im Sommer fit zu sein.
Dann wünsche ich einen guten Start in die neuen Projekte.
Das Interview im Original zum Nachhören: