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25. 11. 2015 - 17:40

Drei Jahre "Refugee Protest Camp"

Vor drei Jahren marschierten Flüchtlinge aus Traiskirchen nach Wien, errichteten ein Zeltlager in einem Park, besetzten die Votivkirche und traten für einige Zeit in Hungerstreik. Was wurde aus der Protestbewegung?

"Ich habe mich nicht als Aktivist verstanden"
Der Dokumentarfilmer Gerald Igor Hauzenberger über seine dreijährigen Dreharbeiten zu "Last Shelter" und dem Refugee Camp Protest in der Wiener Votivkirche.

In einigen Programmkinos wird ab 26. November „Last Shelter“ gezeigt, ein Dokumentarfilm von Gerald Hauzenberger über die „Refugee Protest Camp“-Bewegung, die im November 2012 begann. Damals marschierten Flüchtlinge aus Traiskirchen nach Wien, errichteten ein Zeltlager, besetzten nach dessen Auflösung durch die Polizei die Votivkirche und gingen auch in Hungerstreik. Die vorwiegend aus Pakistan stammenden protestierenden Flüchtlinge wurden hauptsächlich von der "Plattform Familien und FreundInnen gegen Abschiebung", einem Zusammenschluss von NGOs und Gruppierungen wie etwa SOS Mitmensch, unterstützt. Der Protest zog sich über Jahre - Forderungen waren stets eine menschenwürdige Unterbringung (Stichwort Saualm), sowie Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt.

APA / Georg Hochmuth

Jahangir Mir kam im Jahr 2011 nach Österreich. In Pakistan hat er mit Bachelor-Abschluss studiert, kam aber zunehmend mit Behörden und Geheimdiensten in Konflikt, weil er sich politisch engagierte. Jahangir stammt aus Kashmir, einer zwischen Pakistan, Indien und China umstrittenen Region, in deren Bevölkerung sich viele Menschen keiner der drei Nationen zugehörig fühlen. Es gebe keine Meinungsfreiheit in Kashmir, sagt Jahangir, und die Menschen würden sich wie Bürger zweiter Klasse fühlen. "Wenn du deine Meinung sagst, wirst du vielleicht vom Geheimdienst zum Verschwinden gebracht. Ich war Mitglied bei der Studentenvereinigung. Wir haben Demonstrationen organisiert, gegen die Regierung, gegen die Armee, gegen das Verschwinden von Menschen. Deshalb bekam ich Schwierigkeiten mit dem pakistanischen Geheimdienst. Ich musste fliehen."

In Österreich musste Jahangir Mir zuerst wie viele andere ins Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Die "Refugee Protest"-Bewegung hat er von Anfang an erlebt und unterstützt: Den Marsch nach Wien, das Zeltlager im Sigmund-Freud Park, den Hungerstreik in der Votivkirche und vieles mehr. Für einige Zeit war Jahangir Sprecher der Protestbewegung.

"Vor 2012 haben viele der großen Medien in Österreich ein sehr negatives Bild von Flüchtlingen gezeichnet", sagt Jahangir. "Sie wären Wirtschaftsflüchtlinge und nur aufs Geld aus, sie wären Kriminelle usw." Ab 2012 hätten die Aktivisten versucht, dieses Bild mit ihrem Protest ein wenig gerade zurücken, indem sie immer wieder sagten: Die Menschen fliehen, weil sie in Lebensgefahr sind.

Zivilgesellschaft aufgewacht

Dass es zumindest teilweise funktioniert hat, sehe man an der aktuellen Krise, so Jahangir. Die Welle von Solidarität mit Kriegsflüchtlingen, die Österreich 2015 zeige, sei vielleicht auch eine Folge der medialen Aufmerksamkeit für die Nöte der sogenannten Votivkirchenflüchtlinge. "Die Zivilgesellschaft ist aufgewacht", sagt Jahangir. "Mehr Menschen als zuvor sehen, dass die Flüchtlinge Unterstützung brauchen. Das sah man an der Welle an Hilfsbereitschaft von Menschen, die heuer auf die Bahnhöfe kamen, um Essen, Wasser und Kleidung zu bringen."

APA/HERBERT P. OCZERET

Für 27 der 63 protestierenden Flüchtlinge des "Refugee Protest Camp" gab es allerdings schon 2013 negative Asylbescheide. Und im Jahr 2014 begann in Wiener Neustadt dann noch ein Gerichtsprozess gegen insgesamt acht Flüchtlinge, denen Schlepperei vorgeworfen wurde, weil sie Flüchtlinge im Servitenkloster versteckt hätten. Sechs der Männer wurden verurteilt.

Jahangir Mir war von dem Gerichtsverfahren nicht selbst betroffen - und er hat mittlerweile Asyl in Österreich erhalten. Die Protestbewegung in ihrer ursprünglichen Form exisiere allerdings nicht mehr: "Es gibt manchmal noch eine Demonstration. Und ich helfe anderen Flüchtlingen mit Übersetzungen, oder mit Beratung über die Rechtslage. Ich bin immer bereit, zu helfen."

Wenn er sich einmal leisten kann, würde Jahangir gerne weiterstudieren und den Master-Abschluss absolvieren. Derzeit müsse er sich aber mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten - es sei schwierig, als Flüchtling mit Asylstatus Arbeit zu finden.