Erstellt am: 6. 11. 2015 - 15:42 Uhr
"Rücksichtlose Überlastung"
In den letzten Wochen war der Grenzübergang von Salzburg nach Bayern ein Musterbeispiel an gelungener Zusammenarbeit über die Grenze hinweg. "Die Behörden, die freiwilligen Helfer auf österreichischer Seite, die deutsche Bundespolizei und das Landratsamt arbeiten Hand in Hand. Man kann sich das vorstellen wie Zahnräder, die ineinander greifen", sagt Thomas Gigl, der Pressesprecher der deutschen Bundespolizei noch am Dienstag, und davon konnte man sich an der Grenze auch überzeugen.
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Simon Welebil / FM4
Am Dienstag noch warten die Refugees auf der österreichischen Seite geduldig darauf, dass sie weitergelassen würden nach Deutschland. Sie reihen sich in die Schlange ein oder können sich in bereitgestellten Zelten ausruhen. Freiwillige HelferInnen kontrollieren hier seit Mitte November den "Ausgang" dieser "Transitzone". Diese Abfertigung wäre ja nur mit Freiwilligen möglich, meinte einer dieser Helfer, "weil für mich ist es eine rechtliche Grauzone, auch wenn man das nicht so gern hört. Aber im Endeffekt sieht man dann weg." Registriert würde hier in Österreich niemand und erst auf deutscher Seite müssten die Refugees zum ersten Mal ihre Pässe herzeigen.
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Simon Welebil / FM4
Als über sein Funkgerät ein Ruf der deutschen Polizei durchkommt, weiß er, dass er wieder eine Gruppe von ca. zehn Personen - mehr, wenn die Familien größer sind - losschicken kann. Über die Wehr eines Wasserkraftwerks, die parallel zur Bundesstraße verläuft, überqueren sie die Saalach und damit die Grenze zu Deutschland. Drüben werden sie von deutschen BundespolizistInnen in Empfang genommen und in "Eigensicherungszelten" durchsucht. Laut Vorschrift müssen die Refugees Rasiermesser, Feuerzeuge und Nagelscheren abgeben. Ein paar Minuten später werden die Refugees in Polizeibussen in ein altes Möbellager ins bayrische Freilassing gebracht und meist noch am selben Tag in Sonderzügen nach Mannheim oder Berlin.
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Simon Welebil / FM4
2.400 Personen wurden bis vorgestern, Mittwoch, pro Tag bei Salzburg über die Grenze gelassen, 100 pro Stunde. "100 ist das Maximum, wir können hier momentan nicht mehr Personen in diese Möbelhalle abtransportieren als diese 100 Asylsuchenden", hieß es dazu vom deutschen Polizeisprecher. Seit Mittwoch sind es nur mehr 50 pro Stunde. Argumentiert wird das damit, dass in Kufstein in Tirol ein weiterer Grenzübergang für Asylsuchende geöffnet worden sei, der auch 50 Refugees pro Stunde übernimmt. Der Grenzübertritt von Refugees ist also ein weiteres Mal komplizierter geworden. Gleichzeitig erreichen aber nicht weniger Flüchtlinge das Salzburger Grenzgebiet.
Der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden hegt in einer Aussendung den Verdacht, "dass die deutsche Seite unter Druck gesetzt werden sollte". Rund 3.200 Transitflüchtlinge waren gestern bereits in der Stadt Salzburg, weitere 1.500 waren vom Innenministerium angekündigt. Dass es mit mehr Ankünften bei einem enger gewordenen Flaschenhals an der Grenze zwangsläufig zu einem Rückstau der Refugees kommt, musste wohl jedem klar sein.

APA/Barbara Gindl
Der Salzburger Magistratsdirekter Martin Floss kann seinen Ärger über diese Situation auch nicht zurückhalten: "Man darf nicht auf dem Rücken der Menschen Politik machen. Weder auf dem der Flüchtlinge, noch auf dem der Helfer, die seit Monaten Tag und Nacht versuchen, geordnete Verhältnisse aufrecht zu erhalten."
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Simon Welebil / FM4
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Wlan aus dem Koffer
Information und Orientierung sind gefragt, wenn Refugees in Spielfeld ankommen. AktivistInnen versuchen nun, offenes Wlan bereitzustellen. (Maria Motter)
Die freiwilligen Helfer an der Grenze, die permanent mit Refugees "beliefert" werden, aus dem Transitlager der alten Asfinag-Garage, dem Bahnhof oder direkt durch Busse aus Spielfeld, kennen die aktuelle Situation schon von Ende September. Sie sind zweckoptimistisch: "Für einen Ablauf ohne Druck haben wir etwa 350 Personen Platz. Wir haben aber auch schon Tage erlebt, mit 1.500 Personen hier. Das ist nur mehr sehr, sehr schwer handhabbar. Aber dank der tollen Unterstützung durch das Militär und die österreichische Polizei schaffen wir das."