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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

6. 11. 2015 - 16:21

Wlan aus dem Koffer

Information und Orientierung sind gefragt, wenn Refugees in Spielfeld ankommen. AktivistInnen versuchen nun, offenes Wlan bereitzustellen.

Eine der häufigen Fragen von Refugees an freiwillige HelferInnen lautet: Do you have wi-fi, can we go to the internet? Darum haben Käthe und Stefan einen auf den ersten Blick magischen Koffer nach Spielfeld gebracht. "Der magische Koffer kann, was die meisten zuhause haben: Internet", lacht Käthe. Bis jetzt gab es kein Internet. Nachdem Käthe und Stefan am Wochenende in Spielfeld als Freiwillige geholfen haben, war für sie klar: Da müssen sie was machen.

Otvorena mreža - Offenes Netz - nennt sich eine Gruppe von AktivistInnen aus dem kroatischen Osjek, die Router in Rucksäcke packen und Refugees begleiten.

Wenn die Refugees über die Grenze kommen und sie Verwandten mitteilen wollen, dass sie gut angekommen sind, oder wissen wollen, wo sie sich genau befinden, nützt offenes Internet. "Oder wenn sie wissen wollen, wo sie hingebracht werden. Das findet man vielleicht über das Internet heraus, aber da nicht. Weil es da ganz wenige Informationen gibt. Das Recht auf Information ist insgesamt wichtig und gerade, wenn man auf der Flucht ist, einfach essentiell notwendig", findet Käthe.

Ein Mann öffnet den Wlan-Koffer

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Stefan mit dem Wlan-Koffer

"Vienna?"

Information und Kommunikation erachten Käthe und Stefan nach einer warmen Unterkunft, nach Essen und Trinken für wesentlich. Mit dem ersten Koffer voll Internet versuchen sie, eine Möglichkeit bereitzustellen.

Nicht alle Refugees wissen, dass sie jetzt in Österreich sind. "Vienna" kennt ein Iraker namens Hussein. 25 Stunden hätte er für den letzten Kilometer vom slowenischem Staatsgebiet auf österreichischen Grund gebraucht. "Ich komme in euer Land um Zuflucht. Aber gerade geht es mir nicht gut, ich bin nicht stabil", sagt der Familienvater im Transitbereich vor einem der beheizten Zelte. Seine fünfjährige Tochter ist müde und hungrig, seine Frau lächelt schüchtern. Wo er hier um Asyl ansuchen könne?

Im Transitlager in Spielfeld gibt es keine Möglichkeit der Erstinformation über Asylverfahren. Rechtlich betrachtet könnte er zum nächsten Polizisten gehen, doch die Beamten sind sehr beschäftigt. Sie erklären den Menschen, dass Busse kommen werden. Wohin die Busse fahren, wollen die Menschen wissen, die sich schnell zu Wartereihen fügen. Aber das wissen die PolizistInnen im Transitbereich nicht. Hussein hat das offene Wlan entdeckt, es funktioniert nur nicht sonderlich. Zwei kurze Nachrichten konnte er jedoch an Verwandte schicken.

Eine 22-jährige Syrerin aus Damaskus hat sich allein auf die Flucht gemacht. In all den Transitlagern in Europa seien sie und die anderen Flüchtlinge nicht frei. Ihnen werde gesagt, was sie zu tun und wohin sie zu gehen hätten. Sie versucht, das Wlan zu aktivieren, aber das Signal ist zu schwach. Seit fünf Tagen habe sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie gehabt. Mit der kleinen Familie neben ihr kann ich mich nicht verständigen; spricht man selbst nur Englisch, kann man sich eben nur mit entsprechend gebildeten Refugees unterhalten. "Die Polizisten und die Freiwilligen helfen uns. Wir bedanken uns sehr. Doch viele der Flüchtlinge haben Depressionen, sie hören gar nicht wirklich, wenn ihnen gesagt wird, dass wir uns in einer Reihe anstellen sollen", so die Frau aus Damaskus.

Refugees im Transitbereich in Spielfeld

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Eine junge Syrerin hat sich mit einer Familie aus einem anderen Land auf der Flucht zusammengetan. Jetzt sind sie in Österreich angekommen.
Übermüdeter Flüchtling im Transitbereich in Spielfeld, der fotografiert werden wollte und lächelte

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Dieser junge Mann wollte fotografiert werden. "Play me some music! No music? Play me anything!", deutete er auf meine Kopfhörer. Warten in Spielfeld.

Ein Koffer Equipment reicht nicht

Um tatsächlich am ganzen Areal des Transitbereichs an der Grenze zu Slowenien funktonierendes Wlan bereitzustellen, bräuchte es fünf Koffer. Finanziert wird die Initiative von Privatpersonen und deren Geldspenden. Ein Koffer kostet ca. 400 Euro. Nach Nickelsdorf und an acht andere Orte haben die AktivistInnen die Infrastruktur für das offene Wlan gebracht. Technisch ist vor Ort nur eine Steckdose und Strom erforderlich. Im Koffer befindet sich ein Router und zwei Geräte, die von Anhängern der Kleinpartei Der Wandel gebaut wurden. Käthe und Stefan sind AktivistInnen im Umfeld des Refugee Convoy. Bei der Unterstützung und Versorgung der Refugees arbeiten viele unterschiedliche Gruppierungen, Einzelpersonen und Parteien zusammen. Der Wandel habe das Know-how, die Technik zu bauen, und Käthe und Stefan haben die Zeit, ihn nach Spielfeld zu bringen.

Hier ortet Käthe ein strukturelles Problem. "Von der Idee des Innenministeriums ist das hier als schnelles Durchzugslager konzipiert, wo Leute schnell über die Grenze kommen und rasch wieder weg sind. Doch oft sind Menschen viele Stunden lang vor der Grenze im Niemandsland, oft mitten in der Nacht", sagt Käthe, die aus Wien angereist ist. Abends wird es kalt, des Nächtens eisig. Unter den Refugees sind viele Kinder.

Refugees stellen sich in Warteschlangen an im Transitbereich in Spielfeld

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Im Transitbereich reihen sich Flüchtlinge ein, um in den nächsten Bereich zu gelangen, wo sie schließlich in Busse einsteigen können. Wohin die Busse fahren, können die PolizistInnen neben ihnen nicht sagen. Das entscheidet sich wenige Meter weiter, am Ende des Transitkorridors.

Zelte als Schutz

Vier bis fünf tausend Refugees kommen täglich in Spielfeld an. "Wichtig ist, dass die Leute ein Dach über dem Kopf haben, wenn es Nacht wird. Dass sie nicht im Freien schlafen müssen, das ist die Hauptsorge", sagt Wolfgang Braunsar, der Einsatzleiter der Polizei in Spielfeld. Mittlerweile stehen fünf große, beheizte Zelte hier am Grenzübergang, die 4.000 Menschen Platz bieten. Seit gestern wurde ein beheizbares Großraumzelt in jenem Wartebereich aufgestellt, wo bislang Flüchtlinge in kleinen Gruppen auf Busse warteten. Wenn es regnet oder schneit, wären die Flüchtlinge hier geschützt. Wohin die Busse fahren, wissen die jeweiligen Fahrer.

Ein Freiwilliger wollte Flyer an die Refugees verteilen, auf denen ihnen versichert wird, dass sie in Österreich und in Sicherheit sind. Die Polizei habe ihm das untersagt. Seitens der Polizei heißt es, dass grundsätzlich alles in geordneten Bahnen verlaufen solle, damit keine Tumulte entstehen. "Wir haben auch schon Personen gehabt, die hier Essen verteilen wollten. Ich glaube, dass die Information der Dolmetscher ausreichend ist und diese privaten Initiativen sind eher kontraproduktiv."

Die Polizei versucht, hier in Spielfeld nicht zuviel Druck entstehen zu lassen, damit es nicht wie in der Vergangenheit zu Situationen komme, in denen Refugees die Absperrungen des Transitkorridors durchbrechen. "Im Notquartier im Euroshopping in der Grazer Kärntnerstraße finden ungefähr 2.000 Personen Platz. Dort sind die Menschen einen Tag, dann gibt es meist Busse weiter an die deutsche Grenze und aus Spielfeld können neue Leute von der Grenze zum Notquartier gebracht werden", erklärt Wolfgang Braunsar.

Junger Flüchtling steht in Wärmezelt und hält ein Nylonsackerl mit Proviant in der Hand

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Beheizte Zelte, um zu verhindern, dass geschwächte Menschen erfrieren.
Flüchtlinge im Transitbereich sitzen und liegen am Boden in einem beheizten Zelt

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Menschen schneiden Kartoffeln und Gemüse in einem Zelt in der Mobilen Küche in Spielfeld

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Auf der anderen Seite der Absperrungen bereiten Freiwillige vom Team Österreich und der mobilen Küche warmes Essen zu. Im nicht weit entfernten Wagna wurde eine Sammelstelle für Lebensmittelspenden eingerichtet.

Von Notquartier zu Notquartier Richtung Deutschland

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"Rücksichtlose Überlastung"
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Es sei ein ständiger Kreislauf, damit der Druck an der Grenze nicht zu groß wird: "Wir haben in Spielfeld schon Tage gehabt, an denen bis zu 8.000 Menschen hierher gekommen sind." Zentral dabei ist, wieviele Refugees Deutschland aufnimmt. "Wenn Deutschland die Grenze total dichtmachen würde und statt - angenommen - 100 Menschen pro Stunde nur noch 5 aufnehmen würde, würde das einen Stau und Schwierigkeiten ergeben", sagt Braunsar. Die Polizei müsse sich ohnehin den Situationen anpassen, die entstehen. Braunsars persönlicher Blick reicht bis Griechenland und zu Streiks bei Fähren. "Im Moment funktioniert die Weiterfahrt der Flüchtlinge gut. Wenn jetzt hier auf einmal 20.000 Flüchtlinge wären, müsste man das alles noch intensivieren und es gäbe immer das Problem der Notquartiere. Aber dieses Problem stellt sich ja ständig", so der Einsatzleiter von der Landespolizeidirektion Steiermark.