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Lukas Tagwerker

Beobachtungen beim Knüpfen des Teppichs, unter den ihr eure Ungereimtheiten kehrt.

31. 10. 2015 - 15:33

Striche ziehen

#Viennale15 #Dheepan #Elabrazo #Vlog15 - 5

Viennale auf FM4

Das Vienna International Film Festival vom 22. Oktober bis zum 5. November.

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Jetzt habe ich drei Filme gesehen, in denen je ein Strich gezogen wird.

Dheepan montiert eine Lampe

Viennale

Dheepan

Der Rebellenführer Dheepan (eine Anspielung auf den realen Theepan) muss die Leichen seiner geschlagenen Miliz verbrennen.

Sein Gesicht lässt mich am Schauspiel zweifeln. Erst später realisiere ich, was die Mimik transportiert hat. Die Figur des Dheepan hat bei dieser Feuerbestattung alles aufgegeben: den Kampf, den Sinn des Kampfes, sich selbst.

Dheepan wird mit zwei weiteren Flüchtlingen aus dem Lager zur falschen Familie zusammengewürfelt und bricht mit gefälschten Dokumenten in den sicheren Westen auf. Hier könnte der Film Dheepan als Anti-Immigrations-Drama erscheinen.

Die falschen Papiere (und damit die falsche Familienkonstellation) sind aber Metaphern für das, was an Verlust und behauptetem Neuanfang in jeder Fluchtdestination geschieht: Verdrängung der traumatischen Fluchtursache, Entsprechen-Müssen bzw. Entsprechen-Wollen einer mehr oder weniger fixen Vorstellung von Würde und Normalität.

Dheepan wird Hausmeister in einem Pariser Gemeindebau.

Als es zu Schießereien zwischen Drogengangs kommt, will die retraumatisierte Yalini sofort nach London abhauen.

Damit Dheepan nicht allein mit der 9jährigen Illayaal bleiben muss, nimmt er seiner flüchtigen Fake-Ehefrau den gefälschten Pass ab und zieht mit einem selbst gebastelten Markierwagen eine Linie zwischen seinem Hausmeister-Gemeindebau und dem Nachbarbau, wo die Unruhestifter wohnen.

Die so gewonnene Sicherheit hält nur kurz.

Die nächste Re-Traumatisierung lauert schon.

Ein Punk malt eine Linie auf die Berliner Mauer

Viennale

Striche ziehen

So heißt der neue Dokumentarfilm von Gerd Kroske.

Wir reisen ins Punk-Weimar der DDR-Zeit und von dort ins West-Berlin von 1986.

In dem Film werden eigentlich drei Striche gezogen:

Einer von den Punks entlang der Berliner Mauer.

Einer von der Stasi, der mitten durch die Brüder geht, die einander verraten.

Und zum Schluss gibt es einen an der israelischen "Sperranlage" zum Westjordanland.

Die politischen Trennlinien zwischen Freundes- und Feindesterritorien gehen nie ohne Kollateralschäden im Inneren der Subjekte ab.

Die Punk-Brüder treffen sich 30 Jahre nach der gescheiterten Protest-Aktion und können sich unmöglich versöhnen.

Während des Films bekomme ich einen furchtbar dicken Hals.

Beim Gespräch nach dem Film große Traurigkeit, Tränen.

Filmstill aus El abrazo de la serpiente

Viennale

El Abrazo de La Serpiente

Der dritte Film des kolumbianischen Regiesseurs Ciro Guerra montiert zwei historische Flussreisen von 1909 und 1941 mit einem (fiktiven?) indigenen Führer zum Epos über postkoloniales Wissen.

Der Urwald wird von den Verwertungsinteressen der Kautschuk-Spekulanten und den Machtinteressen katholischer Missionare verwüstet. Die weißen Forschungsreisenden bilden sich ein, eine allerheiligste Heilpflanze rauben zu müssen.

Alle verlieren den Verstand.

Der humorvolle indigene Führer tupft dem Forscher von 1909 ein spezielles Gemisch auf die Wangen.

Dem Forscher von 1941 malt er eine Linie ins Gesicht:

einen Strich, der die Augen
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von Nase, Mund etc. trennt.