Erstellt am: 27. 10. 2015 - 12:14 Uhr
Die Kunst, ein Engel zu sein
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Grimes ist der Dummheit müde
Und veröffentlicht einen wütenden Eintrag auf ihrem Tumblr: "I don’t want to have to compromise my morals in order to make a living".
Alle Synapsen platzen
Mit ihrem dritten Album hat Grimes eine Platte des Jahres aufgenommen. Auf "Visions" brummt eine absurde Fantasie-Musik, in der Pop aus dem Kaugummi-Automaten und Goth-Elektronik Geschwister sind.
Claire Boucher aka Grimes scheint die letzten zwei Jahre in permanentem Boss-Mode verbracht zu haben. Da wird ein neues Album angekündigt und wieder gecancelt, weil's ihr persönlich zu depressiv war und sie damit nicht auf Tour gehen will, der Song "Go" wird zuerst für Rihanna geschrieben, dann aber wieder komplett zum eigenen Release gemacht und eine laut Grimes "strange organization" namens eerie.org wird gegründet. Die ist die Heimat von Nicole Dollanganger, die von Grimes entdeckt und - wie soll es anders sein - über Twitter kontaktiert wurde. Auf eerie.org hat jetzt Nicole Dollangangers Album "Natural Born Losers" das Licht der Welt erblickt.
Dollangangers Musik ist beim ersten Hören durchaus konträr zum Output von Grimes, thematisch scheint sie sich in ihren Liedern aber für ähnliche Dinge zu interessieren, präsentiert die teilweise noch überspitzter: Gruselgeschichten über die düsteren Teilmomente des Lebens eben, Songs über Stephen Kings "It" und "Nightmare on Elm Street" - also die kanadische Monsterheart irgendwie. Dollanganger selbst spricht in begeisterten Worten über Grimes und deren Freund und Musiker James Brooks: "They are living angels".
Grimes
Ob dieses Lob als Inspiration für den Titel des neuen Albums von Grimes herhalten durfte, ist nicht bekannt, zumindest trägt dieses aber den Namen "Art Angels". Angekündigt wurde das relativ plötzlich letzte Woche via - wie sollte es auch anders sein - Instagram mithilfe von Grimes höchstpersönlich designtem Album-Artwork. Und auch das ist so Boss wie der restliche Output der Kanadierin in der jüngsten Vergangenheit. Gestern gab's dann endlich den ersten Teaser zum neuen Release - inklusive Video.
Gleich zwei Tracks werden da von Grimes in ein Video verpackt, das poppige "Flesh without Blood" und "Life in the Vivid Dream", das dann auf einmal doch an Nicole Dollanganger erinnert. Und wie gewohnt beweist sie damit nicht nur, wie konzeptualisiert ihre Veröffentlichungen sind, sondern auch wie unberechenbar. "Flesh without Blood" mit seinem zuckersüßen, gutartigen Breakbeat präsentiert sich im Video als Dekonstruktion der trivialen Popmusik, als Upbeat-Dance-Anthem mit catchy Vocals und zeigt Grimes genretypisch als Art Angel: Dollarschein-werfend am Bett und mit dem Playstation-Controller in der Hand herumposierend.
"If you don't need me / Just let me go", singt sie dazwischen und erinnert an Trent Reznor in einem der poppigeren Nine Inch Nails-Songs, "Everything", als er sich mit "Wave goodbye / Wish me well / I've become / Something else" von den musikalischen Limitationen seiner Vergangenheit und den Erwartungen seines Publikums verabschiedet. Der NIN-Fan Claire Boucher scheint jetzt dasselbe vorzuhaben. "And now I don't care anymore", lässt uns Grimes wissen, bevor sie uns in "Life in the Vivid Dream" noch eine letzte Weisheit mit auf den Weg gibt: "Live as yourself". Sie macht's schließlich auch schon kompromisslos vor.