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Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

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Politik, Alltägliches und andere Kuriositäten.

14. 10. 2015 - 14:53

Train of Hope: "Die Energien schwinden"

Die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge schien in den letzten Wochen ungebrochen. Flaut sie jetzt ab, weil es kälter wird oder weil die studierenden HelferInnen wieder in den Hörsälen sitzen müssen? Ein Lokalaugenschein am Wiener Hauptbahnhof.

Das Thermometer zeigt für Oktober kühle sechs Grad an. Es weht ein kalter Wind rund um den Wiener Hauptbahnhof. Hunderte schutzsuchende Menschen tummeln sich in der kleinen Osthalle des Hauptbahnhofs. Viele stehen bei den improvisierten Essensständen an, bekommen dort eine warme Mahlzeit und Tee.

Anfang September war Kollegin Johanna Jaufer am Hauptbahnhof und hat berichtet, wie "abseits von Shopping-Mall und Food-Court der 'Train of Hope' als eine Art Zweit-Ankunftshalle bereitsteht".

In der Halle ist es kaum wärmer als draußen. Trotzdem schlafen hier zahlreiche Menschen am Boden auf maximal zwei Decken Unterlage. Auch einige Kinder sieht man in den Armen ihrer Eltern.

Flüchtlinge im Wiener Hauptbahnhof

FM4/Lukas Lottersberger

Die "Zweite Ankunftshalle". Viele schlafen hier am Boden.

FAQ Refugees

Theorie vs. Praxis: Wer kümmert sich eigentlich derzeit um die tausenden Refugees, die auf ihrer Flucht durch Österreich ziehen oder gleich hier Asyl beantragen? Und wer müsste das grundsätzlich tun?

Viele der Flüchtlinge haben für das Wetter absolut unzureichende Kleidung. Man sieht Burschen mit zu kurzen Hosen, durchgelaufenen Schuhen und zu dünnen Jacken. Es läuft einem selbst ein kalter Schauer über den Rücken, wenn man die Menschen bei diesem Wetter fast im Sommergewand herumlaufen sieht.

Draußen vor der Halle steht ein Zelt, vor dem sich eine lange Schlange gebildet hat. Dort wird Kleidung ausgegeben. Ein junger Mann hat eine neue, warme Garnitur bekommen und strahlt über das ganze Gesicht.

Flüchtlinge warten auf Kleidung

FM4/Lukas Lottersberger

Leute stehen für warme Kleidung an.

Kurz durchschnaufen

Julian Pöschl ist Eventtechniker, einer der Organisatoren von "Train of Hope" und seit Beginn der Initiative dabei. Die spontan entstandene Hilfsinitiative ist ständig angewiesen auf helfende Hände, Sach- und Geldspenden und jede Menge Organisationstalent und man hat versucht, das über den letzten Monat zu perfektionieren.

"Wir bewegen uns jetzt wieder auf normalere Zahlen zu", antwortet Julian auf die Frage, wie hoch die Zahl der Flüchtlinge momentan sei. "Die letzte Woche war etwas ruhiger, und wir konnten alle ein bisschen durchschnaufen." Er rechnet jedoch damit, dass die Zahlen in den kommenden Tagen wieder steigen werden. In der Zeitung hat er gelesen, dass allein an diesem Tag 12.000 Schutzsuchende in Nickelsdorf angekommen seien. "Wie viele davon letztendlich zu uns kommen werden, können wir nicht abschätzen."

Die Kinderbetreuung für Flüchtlinge im Wiener Hauptbahnhof

FM4/Lukas Lottersberger

In der Kinderbetreuung werden immer wieder Leute gesucht, die helfen können.

Freiwilligen-Bedarf schlecht planbar, aber vorhanden

Genau das ist auch der Grund, weshalb der Bedarf an Freiwilligen ständig schwankt. Manchmal sind es zu wenig, weshalb viele der regelmäßigen HelferInnen schon Extraschichten geschoben haben, besonders in den Nachtstunden. Umgekehrt sei es auch schon passiert, dass sich an manchen Tagen mehr Freiwillige gemeldet hätten, als notwendig gewesen wären. Diese mussten dann weggeschickt werden, allerdings nicht unbedingt nach Hause: Die Flüchtlingsinitiativen in Wien sind vernetzt, etwa mit den HelferInnen am Westbahnhof. Werden dort Leute gebraucht, stellt man den "Überschuss" zur Verfügung - und vice versa.

Die App Where2Help, die beim Refugee Hack Vienna gewonnen hat, soll bei der Vernetzung künftig helfen. Außerdem wurden bei dem Spezial-Hackathon drei weitere Apps programmiert, die Flüchtlingen wie Freiwilligen künftig als digitale Plattformen für Infos, Sachspendenbedarf oder zur Kommunikation dienen sollen.

Die Fahrradgarage wurde zum Back-Office umfunktioniert.

FM4/Lukas Lottersberger

Die Fahrradgarage wurde zum Back-Office für die HelferInnen umfunktioniert.

Dennoch merke man, dass "die Energien schwinden", sagt eine der freiwilligen Krankenschwestern des Lazaretts von "Train of Hope". Es sei deutlich zu spüren, dass insgesant weniger Freiwillige kommen, als vor ein paar Wochen noch. Eben weil die Ferien vorbei sind und ein großer Teil der Helfenden Studierende sind. "Die Hilfsbereitschaft von medizinischem Personal ist weiterhin sehr groß und ich hoffe, dass das so weitergeht", fügt sie an.

Generelle Engpässe kommen vor, sollen aber nicht zur Regel werden. Auch wenn die Kälte eher zum drinnen bleiben anregt, bitten die Organisatoren auch weiterhin HelferInnen, die nicht mit Uni und Arbeit eingespannt sind, dass sie "ihre Zeit zur Verfügung stellen". Deshalb motiviert man zum Beispiel auf Twitter:

Was dringend benötigt wird

"Das größte Problem ist momentan die Kälte", sagt ein weiterer Helfer, Benjamin. Schuhe werden dringend benötigt, aber vor allem auch warme Socken und dicke Jacken sind stets Mangelware. "Zwar bringen die Leute weiterhin Spenden, aber das sollte nicht aufhören. Nicht jetzt, wenn der Winter kommt", wünscht sich der Helfer.

Eine ständig aktualisierte Liste von dringend benötigten Sachen findet man auf der Facebook-Seite von "Train of Hope". Auch ein Twitterfeed informiert über den Personal- und Sachspendenbedarf.