Erstellt am: 9. 10. 2015 - 11:57 Uhr
Ein erster Viennale Rundgang
Viennale
Die Viennale 2015 findet vom 22. Oktober bis 5. November statt. Alle Infos auch auf fm4.orf.at/viennale und viennale.at
Wenn sich die Mutter aller heimischen Filmfestivals im späten Oktober alle Filmfreundinnen zur Brust nimmt, bleibt kaum mehr Luft zum Atmen. Langzeit-Prinzipal Hans Hurch hat noch nie gekleckert, wenn es um die schiere Menge an Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen geht, die auch heuer wieder zwischen Urania, Gartenbau, Stadtkino und Metro für erhöhte Pulsfrequenz bei Kinofreunden sorgen sollen.
Von den großen Retrospektiven und Tributes dieses Jahres hat man vielleicht schon was gehört. Im Filmmuseum geht es heuer um Animals, eine kleine Zoologie des Kinos. Da triff es sich gut, dass dort auch Alfred Hitchcocks "The Birds" ihren Auftritt haben. Der menschlichen Hauptdarstellerin des Films, Tippi Hedren, ist nämlich eine Hommage gewidmet. Obwohl..., eigentlich gibt es nur einen weiteren Film, nämlich Marnie, den anderen Hitchcock-Klassiker in Anwesenheit von Frau Hedren auf der Viennale zu sehen.
Außerdem ist dem portugiesischem Regisseur Manoel de Oliveira eine kleine Filmschau gewidmet. Der gilt als Legende des europäischen Kunstkinos, ist dieses Jahr im Alter von 105(!) Jahren gestorben und hat bis zum Ende seines Lebens gearbeitet. Weitere Tributes widmen sich der Hollywood Produzentin und Regisseurin Ida Lupino, dem griechischen Filmwunder der letzten 10 Jahre und dem Argentinier Raoul Perrone. Aber natürlich ist es Hurchs Blick auf die Festivalsaison 2015 zwischen Berlin (Februar) bis Toronto und Venedig (September) der das größte Interesse erweckt.
Eröffnung und Abschluss
Eröffnet wird die Viennale mit dem neuen Film von Melodramen-Experten Todd Haynes. „Carol“. ist nach „Far From Heaven“ und „Mildred Pierce“ ein weiterer Kostümfilm des Meisters für gebrochene (Frauen-)Biografien, die im Mid-Century-Amerika angesiedelt sind. In „Carol“ wird eine lesbische Liebesgeschichte in den USA der Fünfziger Jahre erzählt. Cate Blanchett und Roony Mara spielen die Hauptrollen und das Unternehmen schreit eigentlich „Oscar bitte!“.
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Der Abschlussfilm heißt „Anomalisa“ und ist eine Stop-Motion-Animation des Drehbuchautors und Regisseurs Charlie Kaufmanns. Mit „Being John Malkovich“ schlagartig berühmt geworden, hat sich Kaufmann ein filmisches Selbstbespiegelungskabinett gebaut, in dem wohl nur Kaufmann selbst noch in die Abgründe schauen kann, ohne schwindelig zu werden. Schon die Kickstarter Kampagne für diesen Animationsfilm war vielversprechend.
In die selbe Kerbe des filmischen Mindfucks schlägt auch Realité von Quentin „Mr.Oizo“ Dupieux. Ein surrealer Spaßalptraum mit Videokassetten, die im Gedärm eines Wildschweine gefunden werden und anderen Idiosynkrasien.
Mit „Queen of Earth“ ist der neue Film von Alexander Ross Perry am Start, der uns letztes Jahr mit der Jason-Schwartzman-ist-Woody-Allen-als-gemeiner-Schriftsteller-Satire „Listen Up Phillip“ unterhalten hat. Hier ist Elisabeth „Mad-Men-Peggy“ Moss in einem an Fassbinder angelehnten Melodram zu sehen. Hipster-Quirk oder Retrofantasie? Der Trailer lässt beide Möglichkeiten zu.
Das Viennale Hauptprogramm erscheint dieses Jahr generell einen Hauch „amerikanischer“ und starverliebter als in früheren Jahren zu sein. Aber das ist natürlich auch dem ersten Blick geschuldet, der an den bekannteren Namen hängen bleibt. Da wäre etwa ein neuer ziemlich düsterer Thriller mit dem Titel A Most Violent Year. Gemeint ist das Jahr 1981 in dem die New Yorker Verbrechensrate am allerhöchsten war. Jessica Chastain und Oscar Isaac spielen die Hauptrollen.
Spotlight erzählt die Geschichte einer großen Vertuschung. Mark Ruffalo und Michael Keaton sind die investigativen Journalisten, die den großen Missbrauchsskandal der amerikanischen katholischen Kirche in den Neunziger Jahren aufgedeckt haben. Wir können mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, zahllosen Kaffeebechern und aufrechten Chefredakteuren rechnen.
In „99 Homes“ wird Andrew „Spiderman“ Garfield von Michael Shannon aus seinem per Kredit finanzierten Haus delogiert. Was folgt ist ein bitterer Thriller zwischen Finanzkrise und Immobiliengangster.
Und noch so ein „Issue-Thriller“: Experimenter (englisch auszusprechen) mit Peter Sarsgaard und Winona Ryder zeichnet das legendäre und umstrittene Milgram Experiment von 1961 nach, bei dem Testpersonen angehalten waren, andere Testpersonen zu quälen.
The Horror The Horror
Speziell zu späterer Stunde hat die Viennale wieder einiges für Horrorfreunde zu bieten. Auch wenn die Auswahl im Detail nicht ganz zu treffsicher zu sein scheint, wie beim Spezialistenfestival zum Thema. Der Trailer zum deutschen Film „Der Nachtmahr“sieht aus wie eine Mischung aus Donnie Darko und Springbreakers, steht in den Comments zum Trailer. “Der Nachtmahr“ war jedenfalls ein echtes Herzensprojekt des Regisseurs AKIZ. Das lässt hoffen.
Mit The Nightmare ist eine Dokumentation über “Sleep Paralysis”, also Alpträume, die eine Lähmung hervorrufen, im Programm, die vom „Room 237“ Regisseur Rodney Ascher gemacht wurde.
Wer Horror sagt, muss bei dieser Viennale auch definitv „Austrian Pulp“ sagen. Die von Paul Poet kuratierte Schau des Filmarchivs wurde hier von Christian Fuchs schon ausführlich besprochen. Neben Schmutz- und Schundperlen aus der Giftkammer der österreichischen Filmgeschichte empfehle ich besonders die Achtziger Jahre Neonazi-, Sex- und Gewaltphantasie „Die Erben“ von Walter Bannert. Prophetisch!
Für Musikfreunde
Das Dokuprogramm der Viennale gibt auf den ersten Blick dieses Jahr nicht allzu viel her. Janis Joplin und der Weather Report Bassist Jaco Pastorius werden in Langfilmen porträtiert. Heißerer Scheiß erscheint da der Film Breaking the Monster zu sein. Drei dreizehnjährige Afroamerikaner gründen eine Metal Band namens „Unlocking the Truth“ und landen damit über Umwege in den großen amerikanischen Talkshows.
Für den musikalischen Feinspitz erscheint der Essayfilm Heart of a Dog von niemand geringerem als der großen Geschichtenerzählerin Laurie Anderson. Es geht tatsächlich auch um Hunde. Mehr ist aus dem Trailer nicht rauszukriegen.
„Dope“ wiederum ist eine Hip-Hop meets Highschool-Komödie mit Cameoauftritten von unter anderem A$AP Rocky oder Pharell Williams. Der Film spielt mit allerlei Stereotypen, nicht zuletzt mit denen der West-Coast-Hip Hop Narration. Dope ist ein Bindeglied zwischen Gangster und Geek, quirky und street.
Aus Fleisch und Blut - Austrian Pulp: Genre-Kino aus Wien und Anderswo
Von 9. Oktober bis 6. November im neu eröffneten Metro Kinokulturhaus. 14 der insgesamt 41 Programme von "Aus Fleisch und Blut" sind im Rahmen der Viennale zu sehen.
Im Programm hab ich mir außerdem eingeringelt: Tangerine, ein komplett auf einem Iphone gedrehter Film über Trans Hustlers in LA,
The Diary of A Teenage Girl (weil ich mir alle Filme, in denen Kristen Wiig mitspielt, anschauen muss) und The Wolfpack , eine Doku über die unglaubliche Geschichte von sechs Geschwistern, die in einer New Yorker Wohnung über Jahre hinweg mehr oder weniger eingesperrt leben müssen und dort via Videokassetten und Filmen einen Zugang zur Welt finden.
Beginnzeiten und weitere Infos über Rahmenprogramm und die hunderten weiteren Kurz-, Dokumentar- und Spielfilme entnehmt bitte der Viennale Webseite.