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Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

9. 10. 2015 - 14:11

Rather be alive

Eleganz und Hardcore/Punk mit glaubwürdigen politischen Ambitionen hat nach wie vor nur einen Namen: Refused.

Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, im Vorfeld des Konzerts von Refused kein zwiespältiges Gefühl gehabt zu haben. Wiener Stadthalle und Refused, was ist da los? Noch dazu als Support? Passt das überhaupt zusammen bei einer Band, die nie müde wurde, unter anderem gegen den "fucking capitalism" anzuschreien und vor 17 Jahren in ihrem Manifest Refused are Fuckin Dead angekündigt hatte, nie wieder zusammen zu spielen? Fans von Rise Against, der offiziellen Hauptband dieses Abends, mögen es mir bitte nachsehen, wenn mir als großem Verehrer von Refused nur sehr wenige Bands einfallen, welche mich nach einem Auftritt der Schweden noch mitreißen können.

Refused

Patrick Wally

Der Kapitalismus lacht sich ins Fäustchen

Der Kapitalismus darf sich leider wieder in Fäustchen lachen, denn der Hauptact ist immer jener, der mehr verkauft, sei es nun Tonträger, Download oder Konzertkarten. Das ist eben einfach so und damit müssen Fans jeder Band leben. Leider geht das auch oft einher mit einer soundtechnischen Vernachlässigung der davor auftretenden Supportbands, was ich für ein ziemliches Armutszeugnis halte. Vor Rise Against und deren Crew ziehe ich hiermit respektvoll den Hut, dass sie von dieser "Tradition" nichts zu halten scheinen und sich offensichtlich der Relevanz der hier auftretenden (sogenannten) Supportband bewusst sind. Pünktlich um 19 Uhr 30 erstrahlten Refused nämlich in einem Sound, der manch anderes Konzert in der Wiener Stadthalle in meiner Erinnerung verblassen lässt.

Refused

Patrick Wally

In den folgenden viel zu kurzen, aber sehr intensiven 50 Minuten machten Refused so ziemlich alles anders, als man es sich sonst von einer Hardcore/Punk Band erwarten würde. Das betrifft nicht nur ihre Musik, die nach wie vor durchaus auch von Metal und Jazz beeinflusst und teils mit elektronischem Geblubber und Samples unterlegt ist. Dass Metal generell auch ein großer Einfluss für Refused sind, untermauerten sie dann auch noch unter kollektivem Headbangen auf der Bühne mit einem Zitat von Slayers "Raining Blood", das sie einfach in einen ihrer eigenen Songs nahtlos einbauten.

Kung Fu und Roger Daltrey Mikrofonakrobatik

Auch die Art und Weise, wie sich diese Band präsentierte, widerspricht jeglichen Klischees einer Hardcore/Punk Band. Sei es nun das elegante Outfit ohne Präsentation gestählter Muskeln und der neuesten Tattoo Mode oder die Art und Weise, mit welcher Eleganz sich Dennis Lyxzén auf der Bühne zur Musik bewegte. Von Schattenboxen, Kung Fu Einlagen, Ballettgetänzel bis zu Schuhplattlern und Mikrofonakrobatik der Roger Daltrey Schule war so ziemlich alles dabei, womit man in der Form eigentlich nicht rechnet, wenn man die Band noch nicht live erlebt hat.

Refused

Patrick Wally

Ob ihrer Größe baut ein Veranstaltungsort wie die Wiener Stadthalle normalerweise von vornherein eine gewisse Distanz zwischen Band und Publikum auf. Dennis Lyxzén überwand auch diese Hürde elegant, als er sich während "Rather Be Dead" singend und schreiend weit in das Pbulikum hinein begab und damit die unsichtbare Mauer zwischen Band und Publikum einfach nieder riss. Refused hatten die Herzen spätestens ab diesem Moment auf ihrer Seite und jene, die ausschließlich wegen Rise Against kamen, waren vermutlich froh, etwas früher da gewesen zu sein.

"New Noise" musste natürlich sein

Natürlich wären viele unzufrieden gewesen, hätten Refused nicht auch noch jenen Song gespielt, der wohl heute noch jede Metal/Punk/Hardcore-Tanzfläche zum Brodeln bringt. "New Noise" musste freilich noch sein, auch wenn ich Refused zugetraut hätte, dass sie diesen aus nur für sie erklärbaren Gründen nicht gespielt hätten. Aber sie haben und beendeten ihr Set danach mit einem Moloch an Song, der irgendwo zwischen Neurosis und den Dead Kennedys pendelte.

Rise Against hatten von vornherein die Herzen auf ihrer Seite, Refuse gewannen mit Sicherheit welche dazu.

Patrick Wally

Rise Against hatten von vornherein die Herzen auf ihrer Seite, Refused gewannen mit Sicherheit welche dazu.

Harte Zeiten? Könnt ihr haben!
Rainer Springenschmid über "Elektra", das Comeback Album von Refused.

Für eine Supportband zu gut

Für jene wie mich, die eigentlich hauptsächlich wegen Refused gekommen waren, war später beim Auftritt von Rise Against sehr wohl nachvollziehbar, warum die Band mit ihren Hymnen die Menge in ihren Bann reißen konnte. Umgekehrt werden sich aber vielleicht auch ein paar gefragt haben, ob Refused für eine Supportband nicht vielleicht viel zu gut sind. Ich meine: Ja. Und an diesem Abend wurde die Schnittmenge der Fans von Rise Against und Refused mit Sicherheit größer. Beide Bands haben ernsthafte Anliegen und je mehr sie gehört werden, um so besser.

Refused/Rise Against

Patrick Wally