Erstellt am: 2. 7. 2015 - 18:17 Uhr
Harte Zeiten? Könnt ihr haben!
Kann das Zufall sein? Innerhalb einer Woche bringt Epitaph, das amerikanische Groß-Indie-Label um Bad Religion-Gründer Brett Gurewitz, zwei Alben heraus, die einiges gemeinsam haben: sowohl um Refused als auch um Conor Obersts Emocore-Band Desaparecidos rankten sich in dem guten Jahrzehnt, das seit der Veröffentlichung der letzten Alben vergangen ist, immer wieder Comeback-Gerüchte. Und beide Alben sind explizit politisch. Da hören die Gemeinsamkeiten zwar schon wieder auf, doch ist es nicht auch ein Zeichen der Zeit, dass sich musikalische Wut und politische Botschaft wieder auf ein Packerl hauen?
Refused / Epitaph
Keine platten Parolen mehr
Wer die späten Achtziger und frühen Neunziger Jahre miterlebt hat, dem läuft es beim Genre „Polit-Punk“ meist kalt den Rücken herunter. Nicht zu unrecht, denn oft waren politische Selbstgewissheit und aggressive juvenile Rachefantasien in allzu platte Parolen gegossen. Die paarten sich gern auch mit musikalischer Einfalt und waren im Einzelfall zwar genial, auf die Dauer aber immer schwerer auszuhalten.
Kein Wunder, dass das Genre im Laufe der Neunziger aufs Abstellgleis geschoben wurde, und die Bürgerskinder sich stattdessen Folk-untermalter Befindlichkeitsbeschau hingaben oder behaupteten, wenn der Ass moves, dann werde das Mind schon folgen. Der Zeitgeist verhieß das Ende der Geschichte und eine goldene Ära der Prosperität und Sorglosigkeit – und beschäftigte sich lieber mit Tierschutz oder dem Binnen-I als mit dem Proletariat. Wer weiterhin die Fragen nach Ausbeutung oder Ausgrenzung in musikalische Formen gießen wollte, der musste das in radikal anderer Ästhetik tun als noch ein paar Jahre zuvor, um nicht mit Gewerkschaftern und Demonstranten in die Schublade des Nostalgie-trunkenen Rebellen von gestern gesteckt zu werden. Oft half nicht einmal das.
Andere ästhetische Konzepte
Drum vertrat die Band Refused andere ästhetische Konzepte, als sie Anfang der Neunziger im nordschwedischen Kleinstädtchen Umeå auf der Bildfläche erschien: Hardcore-Punk war zwar auch ihr Stil, mit deutlichen Metal-Anleihen, aber ohne Angst vor Samples und anderen Elementen aus elektronischen Genres, und dargebracht nicht in der jugendlichen Verwahrlosung oder zumindest der aufgesetzten Zotteligkeit der Vorgänger-Generationen, sondern in sorgsam gestyltem Outfit – trotzdem hatte die Musik von Refused eine deutliche politische Schlagseite. Die Booklets zu ihren CDs enthielten seitenlange Manifeste, die die Position der Band in allen Details darstellen sollten, und die Titel und Texte waren zwar radikal links, aber keineswegs auf plumpe Parolen heruntergebrochen.
Refused wurden schnell zu Szenegrößen, ihr 1998er Album "The Shape of Punk to Come" und dessen Hit "New Noise" Ende der Neunziger wurden zum Meilenstein und zum Maßstab für das ganze Genre. Die Hoffnung auch auf einen kommerziellen Durchbruch erfüllte sich nicht, und mitten in ihrer Tour lösten sich Refused noch im selben Jahr auf. Der charismatische Schreihals Dennis Lyxzén warf sich mit seiner Nachfolgeband The (International) Noise Conspiracy dem Sixties-Revival an den Hals und begann tatsächlich zu singen, Capitalism Stole My Virginity zum Beispiel.
Noch was zu erledigen
Als Refused vor drei Jahren plötzlich aus der Versenkung auferstanden waren, taten sie das offiziell, um ihre 14 Jahre zuvor abgebrochene The Shape of Punk to Come-Tour zu Ende zu bringen und sich danach endgültig zur Ruhe zu setzen. Doch wirklich überraschend war es nicht, dass letztes Jahr die Nachricht von einem neuen Album auftauchte.
Dustin Rabin
Freedom dockt nun musikalisch bei den Refused vom Ende der Neunziger Jahre an, muss aber 2015 nicht mehr beweisen, dass man eh über den Gitarrenhals hinaus blicken kann, sondern spitzt vielmehr die wieder virulent gewordenen politische Anliegen (die in Wahrheit natürlich nie weg waren) musikalisch zu und verpasst ihnen die heute wieder dringend benötigte Portion wütender Expression.
Im Sommer sind Refused auf diversen Festivals unterwegs, zum Beispiel am Südtiroler Rock im Ring am 11. Juli, im Oktober dann zusammen mit Rise Against in der Wiener Stadthalle.
Mehr Hörbeispiele vom Album gibt's auf fm4.orf.at/7tage im House of Pain vom 1. Juli.