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Florian Wörgötter

Phonographien. In Wort und Bild.

17. 9. 2015 - 12:37

Die Hall of Fame der HipHop-Beats

DJ Premier gehört zu den alten Meistern des Beatmakings. Erstmals begleitet ihn eine Live-Band auf dem Streifzug durch 25 Jahre HipHop-Geschichte. Ein Best of Beats in Wien.

Der Glitzer-Pianist Liberace lieferte HipHop eines seiner bekanntesten Samples, als er 1988 ins Mikrofon sagte: "And now for my next number, I'd like to return to the classics." Auch DJ Premier aka Chris Martin spielte gestern in der Grellen Forelle in Wien dieses Sample an. Niemand hätte es ihm verübelt, wenn er es vor nahezu jedem Song getan hätte. Denn der Plattendreher und Beat-Produzent aus Brooklyn, New York, entführt das Publikum zu einem Spaziergang durch die Hall of Fame der HipHop-Beats - von denen er alle selbst dort aufgehängt hat.

DJ Premier

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Seit den späten Achtzigern reiht sich DJ Premier in die Riege der ganz großen Produzenten, die HipHop seinen Pulsschlag vorgaben, wie etwa Dr. Dre, RZA, Pete Rock, Prince Paul, Q-Tip, Marley Marl, Neptunes, Timberland oder Kanye West. Auf sechs hervorragend produzierten Alben seines Duos Gang Starr lieferte er den instrumentalen Rückhalt für Rapper Guru und dessen dominante Stimme. Darüber hinaus produzierte er fast alles, was im Qualitätssegment des New Yorker Underground-Raps Rang und Namen hat(te). Auf der langen Liste stehen u.a. Notorious B.I.G, Jay-Z, Nas und kürzlich Rap-Wunderkind Joey Bada$$. Sein Markenzeichen: smoothe Samples aus Jazz, Funk und Soul, harte, reduzierte Drums und punktgenau gecuttete Vokal-Schnipsel im Chorus.

"Premier´s on the breaks"

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Heute muss das Publikum jedoch zweieinhalb Stunden warten, bis DJ Premier mit seiner Band The Badders endlich auf die Bühne kommt. Offenbar zum Beweis seiner Anwesenheit trägt er ein T-Shirt mit dem Schriftzug "Premier waz here". Sein Wohlstandsbäuchchen, die ins Gesicht gezogene Baseballkappe und die leicht abstehenden Ohren lassen ihn wie den sympathischen Onkel erscheinen, der nach einem seiner dicken Kracher aber noch immer gern die Arme verschränkt und Macker-mäßig dreinschaut. "I think we´re ready to party", brüllt DJ Premier ins Mikrofon, wechselt die Nadel eines seiner beiden Plattenspieler und startet eine frenetische, intensive, mit Klassikern dicht gespickte Zweistunden-Show, die keinen Zweifel offen lässt, ob DJ Premier im Haus war. Ein Klassiker jagt den nächsten: KRS One - "MCs Act Like They Don't Know", DAS EFX - "Real HipHop", Royce da 5´9" - "Boom", Notorious B.I.G. - "10 Commandments", Nas - "Represent". Bei so großen Namen kann es schon passieren, dass DJ Premier Biggie Smalls mit Big L verwechselt. In einem Tribut an Gang Starr gedenkt er seinem zu früh an einem Krebsleiden erlegenen Partner Guru mit gemeinsamen Songs wie "Full Clip", "Moment Of Truth", "Code Of The Streets". Alle Finger zeigen nach oben.

Partycrowd bei DJ Premier

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DJ Premier ließ sich schon mehrmals in Wien blicken, doch heute erstmals mit eigener Live-Band, den Badders, einem vierköpfigen Gespann um Schlagzeug, E-Bass, Trompete und Posaune, die er in New York rekrutierte. Es springen einem Fragezeichen ins Ohr, wenn ein HipHop-Produzent, der grundlegend Samples in strikte vier bis acht Zählzeiten-Endlosschleifen sperrt, auf Jazzmusiker mit organischen Instrumenten trifft. Ein wenig fürchtet man sich, dass die strenge Struktur eines Rap-Parts die virtuose Freiheit der Musiker einschränken könnte, sie zu wenig Luft zum Atmen bekommen - was vor allem im Jazz die musikalischen Möglichkeiten zu ersticken droht. Wie die Umstellung auf Live-Musik in die Hosen gehen kann, erlebte der geneigte Schlager-Fan vergangenes Wochenende bei der Premiere der "Stadlshow", in der es nicht einmal Jürgen Drews gelang, sein Bett im Kornfeld im Takt aufzustellen. Doch heute Abend stehen zwar keine großen Namen, aber große Talente auf der Bühne, auserwählt von einem der größten Musik-Connaisseure seines Faches.

Band von DJ Premier

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Two Turntables and a Mic - und eine Band

DJ Premier variiert mit seinem MacBook und den zwei Plattenspielern, wie er seine Tracks darbietet: mal spielt er nur A-Capella-Rap und die Band übernimmt die Instrumentierung vollständig. Mal ergänzt er ein Sample wie Robert Ways Streicher von "Nas is Like", mal seine eigenen originalen Drumspuren, die der Schlagzeuger verziert. Leider werden alle Rap-Stimmen von der Platte in Richtung Schlumpf-Tonalität hoch gepitcht, um die Tanztauglichkeit zu wahren. Er hingegen fällt in tiefes, rauhes Gegröhle, das an M.O.P. oder Fatman Scoop erinnert. Die ersten Zweifel, dass das wildeste auf der Bühne die wirbelnde Mähne des Bassisten sein könnte, werden nach ein paar Tracks beim fulminanten Finale von Showbiz & AGs "Next Level" aber zerstreut.

Am freiesten agiert die Band beim Tribut an den kürzlich verstorbenen Blues-Gitarren-Gott BB King mit dem sagenhaften "Chains and Things". Der Schlagzeuger setzt erstmals seine E-Drums ein und unterhält mit Maschinengewehr-Wirbel und witzigen Bassdrum-Figuren. Der Showeffekt ist aber stellenweise größer als sein Timing. Am Tightesten gibt sich heute der Bass, der manches mal bedrohlicher klingt als jener von der Platte und leider als einziger ohne Solo in die Kabine muss. Trompete und Posaune setzen hauptsächlich dezente Akzente, wechseln einander ab und dürfen sogar mehrfach solieren. Die kurzen Kaskaden deuten an, was noch möglich wäre. Und die vier Viertel schlagen durchwegs im Takt. Hier gibt HipHop den Rhythmus vor, und der Jazz begleitet ihn dabei.

Es wäre interessant gewesen, wozu die Band noch im Stande wäre, wenn sie mehr Zeit bekommen hätte als knappe 16 Bars Freiheit. Dennoch: Ein Klassiker ist ein Klassiker ist ein Klassiker. Und kaum einer hat so viele im Gepäck wie DJ Premier. Liberace hätte dem nichts entgegen gesetzt.