Erstellt am: 17. 9. 2015 - 14:42 Uhr
Das verflixte zweite Album
Es wird gleich geklotzt auf "Too", dem neuen Album von Fidlar, kein schüchternes "Hey, wir sind nur ein paar Skaterjungs, die ein bisschen Spaß haben wollen". Schon der Opener "40oz on Repeat" trägt dick Lippenstift auf, zieht die Plateauschuhe an und sleazed im Scheinwerferlicht über glamouröse Rockstar-Einsamkeit und den besten Freund Alkohol.
Zwei Jahre On Tour
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass die kalifornischen Skater-Kids mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum Aufsehen erregt haben. FIDLAR ist ein in der Skaterszene gebräuchliches Akronym für "Fuck It Dogs, Life’s A Risk". Mit dem Skater Punk auf ihrem ersten Album waren Fidlar zwei Jahre lang quasi durchgängig auf Tour. Die Rückkehr war hart, meint Gitarrist Elvis Kuehn (wie Bruder und Drummer Max Sohn des TSOL-Keyboarders Greg Kuehn), und das verflixte zweite Album sollte auf jeden Fall etwas Neues sein. Es hat sie einiges an Zeit und Nerven gekostet.
Mit den vierzig Songs, die Zac Carper, Elvis Kuehn, Brandon Schwartzel und Max Kuehn in ihrem Homestudio eingespielt hatten, waren sie gar nicht zufrieden, machten erstmal Pause und fuhren dann ins Studio des Produzenten Jay Joyce in Nashville. Der ist eher vom Typ freundlicher Rock-Haudegen, und das Zusammentreffen von Fidlars unmittelbarer Frische und Joyce´s musikhistorischem Bewusstsein ergibt auf Too ein reichhaltiges Konglomerat. Jay Joyce produziert die Songs, die auf dem Erstling "Fidlar" ebenfalls schon in alle möglichen Richtungen lappen, liebevoll aus, zieht ihnen die Kostüme an, nach denen sie verlangen, nimmt ihnen damit aber nichts von ihrer Energie.
Alice Baxley
Griff in die Kostümkiste
Kaum hat man es sich nach dem angesprochenen Glamrock-Opener in der verrauchten Siebziger-Jahre-Rockhöhle bequem gemacht, brüllt und kreischt die nächste Nummer "The Punks Are Finally Taking Acid" auf Screamo-Art über einen Rock'n'Roll-Rhythmus, rotzt mit "West Coast" ein ans erste Album erinnernder Skater-Strokes-Hybrid, und nach ein paar weiteren Nummern, die teilweise an die Früh-Neunziger Glampunk/Britpop-Helden Supergrass, dann wieder entfernt an Beatles-Harmonien erinnern, taucht mit "Drone" ein 77er-Punkrock-Hadern auf, wie ihn The Damned auch nicht schöner hingekriegt hätten.
Doch "Too" ist nicht nur ein Griff in den Kostümfundus des Rockzirkus. Unter den ganzen Reminiszenzen liegen der treibende Surfpunk, die Straightness und der Spaßfaktor, die Fidlar schon am erstem Album als Basis gedient haben.
Die Droge als Pose
Fidlar
Oben drüber steht das permanente Flirten mit der eigenen Abgefucktheit inklusive ausuferndem Konsum bewusstseinserweiternder oder -einschränkender Substanzen. Nach "(I Drink) Cheap Beer (So What Fuck You)" vom ersten Album sind es auf "Too" dann eben der angesprochene Flirt mit dem Alkoholismus-Glamour in "40oz" oder in "Sober" die Erkenntnis, dass je nüchterner man ist, das Älter-Werden immer weniger Spaß macht - und umgekehrt.
Dass das natürlich alles Pose ist, merkt man spätestens, wenn man die vier netten, sauberen und freundlichen jungen Männer von Angesicht zu Angesicht trifft, wie beim Nova Rock 2013. Hätten Fidlar all das, wovon sie singen, tatsächlich in dem Ausmaß konsumiert, hätten sie mit Sicherheit nicht mal ihr erstes Album fertig gestellt.
Höhepunkt des vermeintlichen Drogenrauschs ist die psychedelische Halluzination "Overdose", die dem musikalischen Spektrum des Albums von der Instrumentierung her und stilistisch das i-Tüpfelchen aufsetzt.
"Too" ist ein eklektisches Rock-Album, das einen sofort eintauchen lässt, das ebenso geschichtsbewusst wie frisch klingt und beim ersten Hören schon knallt. Ob es in einem Jahr auch noch so präsent ist, wird sich zeigen. Bis dahin haben wir mit Fidlar einfach eine Menge Spaß.