Erstellt am: 16. 6. 2013 - 19:03 Uhr
Lazy Sunday
Nova Rock Tag eins:
Servus im Ortsteil Hölle
Gerade rechtzeitig hat sich der Sommer zurück gemeldet.
Nova Rock Tag zwei:
Maskeraden und Trinkhörner und Nova Glam Rock in der Twilight Zone Zeltplatz
Nova Rock Tag drei:
Lazy Sunday - Die Bühne steht noch und auf ihr: Sportfreunde Stiller und Biffy Clyro, Volbeat und die Kings of Leon. Und das Beste in Bild und Video
Alle Stories vom Nova Rock 2013 auf FM4
„Ich hab meine Unschuld verloren!“
„Das macht doch nichts.“
„Doch! Ich wollte noch bis zum Frequency warten!“
Die Anekdote über die gespielte Trauer einer 16-jährigen Dame erzählt uns Kollege Paul Pant auf dem Weg zur Hauptbühne. Dort geht's ab Mittag mit der Skate-Punk-Band Fidlar weiter. Die sorgen dafür, dass uns der eben aufgesetzte Grinser nicht aus dem Gesicht fällt, wie auch Kollegin Dany Derntl feststellt.
Punkrock-Frühschoppen mit Fidlar
von Daniela Derntl
Das Quartett aus Los Angeles tischt ordentlich auf: Gitarren, Schmäh und „Cheap Beer“. Mit dieser Nummer eröffnen sie den zünftigen Punkrock-Frühschoppen vor gerade mal vier Besuchern. Es ist Viertel nach Zwölf, ein gefühltes Morgengrauen! Was zwei Espresso nicht schaffen, erledigen Fidlar im Handumdrehen: Ich werde wach! Aber nicht nur ich, sondern der gesamte Festival-Moloch schlägt seine müden Augen auf und setzt sich langsam in Bewegung Richtung Hauptbühne. Von dort locken Fidlar mit hau ruck, zack prack Garagen Rock. Und der klingt dreckiger, als das gesamte Festival-Gelände ist. Eine beachtliche Leistung, die auch vom wachsenden Publikum mit Jubel und entzückenden Kleingruppen-Moshpits honoriert wird.
Es ist das erste Mal, dass Fidlar auf einer so großen Bühne stehen, höchstwahrscheinlich werden sie sich daran gewöhnen müssen. Ein Hoppala wie den Riss einer Gitarrensaite nehmen sie mit Humor: „He's going for a shit“ sagt Sänger Zac Carper trocken, als Gitarrist Elvis Kuehn hinter die Bühne verschwindet und Ersatz sucht. Ihr Rude-Boy- und Scheiß-drauf-Image pflegen die Vier allerdings nur auf der Bühne und in ihren Texten. Beim Interview sind sie Zucker. Als Zac ein „Fuck“ herausrutscht, korrigiert er sich entschuldigend von selbst.
Kollege Rainer Springenschmid findet, das Fidlar die bisher beste Band beim Nova Rock sind. Dieser Meinung schließe ich mich gerne an und übergebe für die nächsten Acts wieder an ihn.
Pendeln zu Johnossi
Dass wir im Pressebereich direkt neben der Hauptbühne beheimatet sind, hat Vor- und Nachteile. An den ersten zwei Tagen hatte es hauptsächlich den Nachteil, dass brauchbare Interviews nur möglich waren, wenn auf der Blue Stage grade Pause war. Sonst hätte das Röhren der Wikinger jedes smarte Statement übertönt. Heute am frühen Nachmittag hatte es allerdings schon ein paar Vorteile. Erstens hatten wir's nicht weit zu FIDLAR, die den Weckdienst übernommen hatten, und zweitens haben wir danach die allseits (von Artists und JounalistenkollegInnen) hoch gelobten Johnossi und Passenger mitbekommen.
John und Ossi lockten mich mit teils countryesk entspannten, teils fröhlich angepunkten Indierock-Klängen vor die Bühne, und tatsächlich entpuppte sich ihr Konzert als mitreißende Performance, die allerdings in einem kleinen Club sicher besser rüberkommt als auf der riesigen Festivalbühne um ein Uhr Mittags. Sänger/Gitarrist John Engelbert behalf sich beim Versuch, den Graben zu den Fans stimmungsmäßig zu überwinden, mit der großen Rockstar-Geste, was im Zusammenspiel mit der manchmal ein bisschen zu sehr an Brian Adams erinnernden Musik dann irgendwann einen zwiespältigen Eindruck hinterließ. Aber kaum hatte mich die Brian-Adams-Phase vertrieben, wehten wieder versöhnliche Klänge herüber.
The English Passenger
Beim oberflächlichen Blick auf das Line-up hatten einige Kollegen unter dem Namen Passenger die schwedische Alternative Rock Band des In-Flames-Sängers Anders Fridén erwartet. Stattdessen erschien der englische Singer/Songwriter Mike Rosenberg, der unter dem gleichen Stagename auftritt, und entschuldigte sich erstmal dafür, dass er keine Rockband sei, sondern nur so ein depressiver Typ mit Gitarre. Aber mit genau diesem demütigen, freundlichen Charme (und wahrscheinlich mit dem Wissen um seinen Chartserfolg vom Frühjahr im Hinterkopf) schaffte er es, das Publikum in kürzester Zeit auf seine Seite zu bringen.
Sogar die Bitte "schaltet doch eure Smartphone-Videokameras für einen Moment aus und lasst uns diesen Song gemeinsam genießen" kam nicht eitel oder anbiedernd rüber. Schöne sonnige Nachmittagsstimmung, bevor es dann wieder laut wird.
Paramore: Rumpestilzchens routinierte Rockmaschine
Paramore sind dann gleich die nächste Überraschung: Das Album hat mich ja nicht so vom Hocker gerissen, aber live macht die Kapelle rund um Sängerin Hayley Williams ordentlich Dampf. Musikalischen Dampf wohl gemerkt, auf Special Effects können sie verzichten, haben sie doch mit Hayley Williams eine Frontfrau, gegen die Rumpelstilzchen ein arthritischer Greis ist. War die mal Bodenturnerin? Zumindest Cheerleader mit Sicherheit.
Das Set spielt alle Festivalstückeln, routiniert wird das Publikum animiert, und das macht dankbar mit: Hüpfen, Klatschen, Crowdsurfen, das ganze Programm. Und plötzlich ist auch der Frauenanteil im Publikum deutlich über 50% - ob das daran liegt, dass eine der ganz wenigen weiblichen KünstlerInnen dieses Festivals auf der Bühne steht? Die Mitsingquote spricht jedenfalls dafür, dass der Paramore-Fanclub vollzählig angetreten ist.
FM4/Rainer Springenschmid
Perfektes Aufwärmprogramm für Biffy Clyro also, für die wieder Daniela Derntl übernimmt.
Biffy Clyro, der Crowdpleaser
von Daniela Derntl
FM4/Dany Derntl
Die letzten Tage wurde die pannonische Tiefebene von Schwermetall planiert, bei Biffy Clyro wird der Boden von zahlreichen Ohrwürmern wieder aufgelockert. Der bodenständige, mal harte, mal sanfte Schotten Rock ist clever arrangiert und reißt mit seiner Hymnenhaftigkeit das Publikum mit. Biffy Clyro umschiffen gekonnt jeden Schmalztopf, denn bevor ihre Songs zu poppig und kuschelrockig werden, veranstalten sie lieber ein druckvolles Gitarrenmassaker.
Der erblondete Sänger Simon Neil verdient mit seinen sympathischen, in sehr gutem Deutsch gehaltenen Bühnenansprachen sowieso Pluspunkte.
Obwohl wir ihm ein FM4-Leiberl geschenkt haben, steht er wie seine Kollegen Ben und James Johnston mit freiem Oberkörper auf der Bühne, denn die Band ist extrem heiß aufs Spielen und die Menschen sind heiß auf sie. Hinter mir ruft ein Typ „I think, I love you!“ und ich denke, es ist bei ihnen angekommen.
Freundliche Bayern...
Lange haben die Sportfreunde Stiller ja kein neues Material aufgenommen, und Peter meint im Interview auch, dass sie vor ein paar Jahren nicht wirklich wussten wie es weiter gehen soll. Live beweisen die drei freundlichen Münchner dann, wie gut ihnen die Pause getan hat. Das neue Material ist wieder von einer Knackigkeit, wie man es schon länger nicht mehr gehört hat von ihnen. Und die neuen Songs ziehen auch die aus der etwas lätscherten Phase mit - der Funke springt über, das Publikum dankt es ihnen.
Überhaupt ist es jedesmal eine Freude zu sehen, mit welch ungläubigem Staunen die drei vor den Menschenmassen stehen, die sie anziehen. Auch nach zehn Jahren wirken sie kein bisschen wie die abgeklärten Mucker, die so manch andere Band bereits auf der ersten Tour darzustellen versucht.
...und freundliche Dänen
Freundlichkeit sagt man ja auch dem Dänen an sich nach, und bis jetzt haben alle, die ich in meinem Leben getroffen habe, sich nach Kräften bemüht, dieses Klischee zu bestätigen. So auch Michael Schøn Poulsen, der Sänger von Volbeat. Beim Interview ist er die Nettigkeit in Person - und bemerke ich da ein bisschen Nervosität? Jedenfalls kommen seine Antworten ehrlich und ungekünstelt rüber. Neben mir sitzt eher ein Fan als ein Rockstar, der die Musik, die er da zu seiner eigenen macht - Heavy Metal, Country, Rock'n'Roll und Punk - ehrlich liebt.
Und dabei ist seine Band die, die allen anderen am heutigen Abend besucherzahlenmäßig den Rang abläuft. Schon am ersten Tag haben die meisten Fans, die wir getroffen haben, auf die Frage, wegen welcher Band sie hauptsächlich da seien, nicht "Rammstein", "Kiss" oder "Fidlar" geantwortet, sondern "Volbeat!". Und so ist heute Abend die Red Stage auch eindeutig voller als die Hauptbühne.
Und Volbeat entpuppen sich auch auf der Bühne als die netten Rockfans von nebenan. Statt sich selbst feiert Poulsen lieber Johnny Cash, Motörhead und die Musik an sich, statt Testosteron geschwängertem Rockstar-Gepose gibt es freundliche Worte, große Spielfreude und, ganz entgegen jedem Metal-Klischee, lächelnde Gesichter.
Leider kommt die Musik, vielleicht ist das der Preis des Ruhms, nicht ganz so druckvoll rüber, wie man es von Volbeat schon gesehen hat. Der Stimmung tut das allerdings wenig Abbruch: Das Publikum geht mit, ein perfekter Red Stage Abschluss eines freundlich rockenden Festivals.
Back to the future mit den Kings of Leon
von Christoph Kobza
Four Kicks, eine Single von Album Nr. 2, ist die Eröffnung für die Show, die alles bietet. Harte Gitarrenriffs mit schiefen Tönen, die den Kings of Leon am Anfang ihrer Karriere eine kleine aber treue Fanbase verschafft hat, sind ebenso Teil des Sets wie die Gassenhauer à la Sex on Fire. Bei letzteren hat das Southern-Rock-Quartett auch das Publikum auf seiner Seite; sonst haben drei Tage Party, Hitze und Volbeat auf der Red Stage das Mitmachverhalten beeinflusst. Unaufgeregt könnte man sagen, so wie die Show selbst. Keine Kostüme, Pyro-Effekte oder Make-up, einfach nur Rock.
Im Interview haben die Kings of Leon erzählt, dass sie sich schon sehr auf den Auftritt beim Nova Rock freuen. Ein Jahr Auszeit hat den Jungs neue Energie gegeben und auch die Freude auf die Bühne wiederverschafft. Gesprochen wurde auch über das neue Album Mechanical Bull, das Ende September erscheinen wird. Was man erwarten kann: Eine Rückbesinnung auf die Wurzeln der Band, die im Südstaatenrock liegen, jedoch mit eingängigeren Harmonien und komplexeren Arrangements. Die erste Single Super Soaker (eine Referenz auf die gleichnamigen Wasserpistolen und nicht autobiografisch zu verstehen, wenn man weiß, dass Caleb mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte und Soaker auch mit Säufer übersetzt werden kann) steht exemplarisch dafür.
„Wir haben viele Fans, die die ersten beiden Alben lieben. Ich möchte sie nicht enttäuschen wenn ich sage es klingt genauso und sie hören dann das Album. Aber wir sind immer noch dieselbe Band“ meint Jared. Eine Mischung aus Aha Shake Heartbreak und Because of the Times würden sie sagen. Und genauso durchmischt ist auch ihr Auftritt, der sowohl die Anfänge der Kings of Leon, wie auch ihre musikalische Zukunft aufzeigt; back to the future eben.
FM4/Rainer Springenschmid