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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

1. 9. 2015 - 16:16

#trainofhope: Von Bahnhof zu Bahnhof

Die Situation für die Flüchtlinge an Ungarns Bahnhöfen ändert sich derzeit ständig. In Budapest dürfen sie am Dienstag nicht mehr in den Ost-Bahnhof, mit Regionalzügen kommen aber immer noch einige nach Wien.

Aktuelle Infos

Unter dem hashtag #trainofhope kann man die aktuelle Lage verfolgen.

Spenden und Helfen ist an allen Bahnhöfen gefragt - allerdings ändert sich ständig, was gebraucht wird. Und Lagermöglichkeiten gibt es kaum. Auch hier lieber unter #infotrain nachlesen bzw. gibt es mittlerweile auch ein Kommunikationspad.

Es geht Schlag auf Schlag - die Situation der Flüchtlinge an Ungarns Bahnhöfen ändert sich laufend. Gestern hat die ungarische Polizei plötzlich Flüchtlinge ohne Kontrolle Richtung Österreich und Deutschland ausreisen lassen. Einige Tausend sind mit Zügen aus der Hauptstadt Budapest aufgebrochen. Heute haben die ungarischen Behörden dann wieder umgeschwenkt, Flüchtlinge werden nun erneut aufgehalten. Wieder sitzen Tausende in Budapest fest und das, obwohl sie gültige Tickets nach Deutschland haben. Niemand weiß, wie es jetzt weitergeht.

Flüchtlinge am Westbahnhof

Simon Welebil / Radio FM4

Für die gestern und heute Vormittag angekommenen Flüchtlinge gab es eine Welle der Solidarität in Österreich. Hunderte Helfer_innen haben sich an österreichischen Bahnhöfen eingefunden.

Am Wiener Westbahnhof sind gestern Abend Hunderte Freiwillige eingetrudelt, verständigt über Twitter, Telefon oder Mundpropaganda, um die Flüchtlinge mit den Zügen aus Ungarn zu empfangen.

Flüchtlinge am Westbahnhof

Simon Welebil / Radio FM4

Sie haben Wasserflaschen, Lebensmittel und Hygieneartikel mitgebracht oder direkt bei den Geschäften am Bahnhof gekauft, deren Regale bei Ladenschluss dann fast leer waren. Solidarität überall: ob an der Kasse des Drogeriemarktes, wo sich fremde Menschen spontan an der Rechnung für die Spenden beteiligen wollen, beim Geschäftsführer des Supermarkts, der noch einen Wagen voller Lebensmittel hochschickt, den ÖBB-Mitarbeitern, die Infos bereitstellen und mithelfen, die Sachen zu verteilen, oder bei den vielen Freiwilligen, die die ganze Nacht über am Bahnhof bleiben, um für die Flüchtlinge zu übersetzen und sie zu betreuen.

Flüchtlinge am Westbahnhof

Simon Welebil / Radio FM4

Heute, Dienstag, ist immer noch eine Gruppe von Menschen dort. Sie nehmen weiter Spenden entgegen, die immer noch eintreffen. „Wir haben heute allein vier Kartons Zahnbürsten bekommen, nachdem wir dazu aufgerufen haben“, sagt Alina, eine der Freiwilligen. Hinter ihr stauen sich schon einige Einkaufswagen mit Spendengütern, die sie allerdings nicht mehr alle verwenden können. Brot, das sie am Abend noch bekommen haben, ist etwa inzwischen schon hart geworden und auch andere Lebensmittel beginnen zu verderben, sodass die Freiwilligen mittlerweile eher um Bargeldspenden bitten, um gezielter Sachen einkaufen zu können, die je nach Situation benötigt werden. Viele ankommende PendlerInnen werfen Geldscheine in die Spendenbox.

Chaos in Ungarn

Heute früh war dann nicht mehr so klar, ob überhaupt noch Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich durchkommen. Ich warte am Wiener Hauptbahnhof, die Ankunftszeit der einzigen beiden noch angekündigten Züge aus Ungarn verschiebt sich und verschiebt sich.

Flüchtlinge am Westbahnhof

Simon Welebil / Radio FM4

Am Vormittag hat die ungarische Polizei schließlich den Ost-Bahnhof in Budapest vollständig geräumt. Mittlerweile dürfen Menschen die augenscheinlich Touristen sind, zwar wieder hinein, die Flüchtlinge werden aber draußen gehalten. Für sie wurde eine so genannte "Transitzone" außerhalb des Bahnhofs eingerichtet. Dort harren die Menschen aus, viele Kinder, viele Babies. Und niemand weiß, ob und wie sie weiterkommen.ORF-Korrespondent Ernst Gelegs schildert die Situation: "Die ungarische Regierung schweigt, die Polizei schweigt, die Ungarischen Staatsbahnen schweigen. Niemand will der Presse sagen, wie es da weitergeht. Auch die Flüchtlinge wissen nicht, was sie tun sollen."

Flüchtlinge am Westbahnhof

Simon Welebil / Radio FM4

Am Hauptbahnhof in Wien kommt kurz nach elf ein Regionalzug aus Debrecen an, danach ein Railjet aus Budapest. Ein paar Flüchtlinge, die schon seit der Früh am Hauptbahnhof sind, stehen verzweifelt vor der Anschlagstafel, auf der die Züge nach München mit „Cancelled“ vermerkt sind. Passanten raten ihnen, mit dem Railjet trotzdem erstmal zum Westbahnhof zu fahren und von dort zu versuchen, weiterzukommen. Im Railjet selbst sind keine Flüchtlinge, sie durften nicht einsteigen. Eine Passagierin im Zug berichtet: "Es war komplettes Chaos. Die Flüchtlinge haben in Massen auf Züge gewartet. In diesen Railjet durften sie nicht einsteigen. Uns wurde gesagt, es sei nicht sicher, wenn die da mitfahren. Aber das ist doch Bullshit."

Derzeit ist der sichere Korridor zwischen Ungarn und Österreich also wieder geschlossen. Die meisten Flüchtlinge wollen übrigens nicht hier bleiben - nur sechs haben seit gestern in Österreich um Asyl angesucht. Heute Vormittag noch niemand, sagte Polizeisprecher Hahslinger gegenüber der APA.

Flüchtlinge am Westbahnhof

Simon Welebil / Radio FM4

Für die meisten geht die Reise also, auch nachdem sie es irgendwie nach Österreich geschafft haben, weiter nach Deutschland. Die Syrer, mit denen ich heute am Bahnhof gesprochen habe, hoffen, dass sie dort Asyl erhalten und nicht nach Ungarn zurückmüssen.

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Ein paar Hundert erschöpfte Flüchtlinge aus Ungarn kommen in Wien an. Und 20.000 demonstrieren für eine menschlichere Asylpolitik.

Tina Wirnsberger stieg Montag Mittag in einen Zug Richtung München und begleitete Hunderte Flüchtlinge auf deren Reise nach Deutschland.