Erstellt am: 22. 8. 2015 - 01:58 Uhr
Jugendlicher Indierock, Party-Polit-Rap, Electricity
FM4 Frequency 2015
Sonntag
Samstag
Freitag:
- Jugendlicher Indierock, Frittenbude, The Offspring
- In aller Kürze
- Ich tu Festival: "Out of Space" mit dem Zeltplatz-Chor
- Fotos von und vor den Bühnen
Donnerstag:
- Mittlerer Folk, Hurensöhne, Hitverweigerung
- In aller Kürze
- Das Zeltplatz-Mixtape
- Fotos von und vor den Bühnen
Alle Stories zum Frequency 2015
Radiotipp
Die langen Nächte des FM4 Frequency: Von Montag auf Dienstag und Dienstag auf Mittwoch senden wir Konzerte und Interviews vom FM4 Frequency: mit Alt-J, Interpol, Frittenbude, Wombats, William Fitzsimmons und mehr.
Der Indierock mit Gitarre und drei bis vier Typen, sexy, frisch und ein bisschen wild, ist also in der Coolnesswahrnehmung der Jugendkultur doch noch nicht ganz von HipHop und Flash-Elektronik totgeklopft worden. Schnell in die engen Jeans steigen und in die Stiefel springen.
Der Freitag beim FM4 Frequency bringt zum Beispiel ein paar Indiewuschelboy-Gitarrenbands, und gar nicht die schlechtesten, die mal ein bisschen räudig, mal ein bisschen rehäugig genau dir ins Gesicht blicken und dann schräg die Lippe hochziehen. Bands der Sorte, die der NME als diese eine – jetzt aber wirklich – Rettung und Hoffnung des Rock’n’Roll auslobt. Ganz wird’s dafür nicht reichen, für einen guten Dance in der Indiedisco und dreimal schmusen aber auf jeden Fall.
Franz Reiterer / FM4
Nachdem die, ja, wunderbare österreichische Band Leyya mit ihrem feinstofflichen Pop die Green Stage eröffnet und dabei gezeigt hat, dass dieses Hauchen von einer Musik auch im Konzert bestens funktioniert, fließt und rätselhaft schäumt, tollen vier wohl grade erst kürzlich ihren Teens entwachsene Herren über die Bühne: Die Circa Waves aus Liverpool packen in ihre Liedchen die guten, alten Geschichten von der Angst im Leben, wenn man noch nicht ganz erwachsen geworden ist, Orientierungslosigkeit, Liebesstress.
Franz Reiterer / FM4
Dabei klingen sie bestens gelaunt, lehnen sich ganz klar an die Rückkehr des Rock’n’Roll der frühen Nuller-Jahren an - man nannte sie damals Strokes und Libertines. Putzige Songs, die rumpeln und poltern, Typen zum Knuddeln, diverses Kreischen dringt aus dem Publikum.
Dreckiger lässt es die Londoner Band VANT in der Weekender Stage angehen: Das ebenfalls brandneue wie möglicherweise auch - gefährliche - Quartett riecht nach speckiger Lederjacke und hat im Heroin gebadet. Aufgebrachte Mopedmusik im Andenken an die Kinks, Velvet Underground, The Stooges und die Ramones.
Christian Haas
Manchmal singen VANT Dinge wie beispielsweise "Suckin My Dick", auch haben sie einen Song namens "Parasite". Der dauert gerade mal eine Minute und zwanzig Sekunden lang, dann ist er – rawumms – auch schon wieder vorbei. Sowas ist erfahrungsgemäß meistens nicht schlecht.
Wombats sind die süßesten Tiere der Welt, das ist überprüft. Das gleichnamige Trio ist also im Premiumsegment des englischen Kuschelpop mit schon auch mal aufmüpfiger Note zuhause, hier aber in der harmlosen Darreichungsform. Die Wombats bespielen am Freitag die Hauptbühne mit einer luftigen wie aufgekratzten Musik, der im Laufe der Jahre der Faktor Rock immer mehr – mit voller Absicht – abhanden gekommen ist.
Christian Haas
Musik, die stattdessen Platz gemacht hat für mehr Synthesizer-Bittersweetness und elektronische Psychedelik aus dem Kinderzimmer. Das ist nicht schlimm und das ist nicht weltbewegend. Das Ziel der Wombats scheint nun eben weniger Strokes oder Franz Ferdinand zu sein, vielmehr MGMT oder Empire of the Sun.
Das Set dieser freundlichen Quietschboys wird vom aktuellen, dritten Album mit dem sprechenden Titel "Glitterbug" dominiert; eine Platte, auf der das Keyboard schön summt und hupt und zweihundert unterschiedlichfarbige Luftballons hochgehen. In der Live-Darbietung wird dann freilich, es ist Festival, doch wieder stärker der Gitarre und dem Rock zugearbeitet und zum Abschluss gibt’s den Wombats-Klassiker "Let’s dance to Joy Division". Mit der dunklen Energie von Postpunk hat das freilich alles nichts zu tun. Sondern mit Party. Ein Konzert der Wombats hat mit Party zu tun.
Christian Haas
Mit Fürchterlichkeiten wie dem Poppunk der Gruppen Simple Plan und New Found Glory will man sich zwischenzeitlich nicht aufhalten. Lieber inmitten einer auf Ausgelassenheit gebürsteten Welt kurz der Zeit beim Vergehen zuhören. Der aus Australien stammende, in London ansässige Sänger und Songwriter Josef Salvat gibt auf der Weekender Stage den zärtelnden Sehnsuchtsmann aus der Lounge eines heruntergekommen, aber immerhin mit Neon ausgeleuchteten Highwaymotels.
Christian Haas
Pianoballaden und schwülstiger Synthiepop über dieses leidvolle und doch ach so prickelnde Leben, gefühliges Crooning, das die Geister von Chris Isaak, Morrissey und OMD anruft. Und das live mit Band mit mehr Pomp gegeben wird als auf Aufnahme und oft bei den besseren Momenten des Duos Hurts – kennt es noch jemand? – ankommt. Im guten Schmalz ertrinken, erschaudern, zittern.
Die deutsche Gruppe Frittenbude feiert am Freitag, just an diesem Tag, auf der Green Stage den Release ihres neuen, vierten Albums mit dem wieder mal bestens albernen Titel "Küken des Orion". Ist ihr Auftritt eine lose Weiterführung und Unterstreichung der Tendenz, dass irgendwas mit HipHop auf Festivals aktuell immer noch am besten zieht?
Franz Reiterer / FM4
Nach K.I.Z. und Casper am Donnerstag ist auch der Auftritt von Frittenbude – wenn auch in etwas geringerem Maße - ein Dokument der Feierlaune. Das Intro zum Konzert kommt vom "König der Löwen"-Soundtrack, MC Johannes Rögner präsentiert dem Publikum dazu mit in den Himmel gereckten Armen, dem Film gleich, eine Plüschtierversion des zärtlichen Tierherrschers Simba.
Bei Frittenbude kommen Schabernack und Bierhumor, politische Agenda und Attitude zusammen. Ähnlich wie bei Casper, im Ergebnis dann wieder ganz anders, wird bei Frittenbude immer mehr ein Band- und Rock-Appeal herausgearbeitet. Ohne, dass das alles jetzt dumpfen Crossover-Charakter hätte. Im Gegenteil.
Franz Reiterer / FM4
Ein kaputt scheppernder Beat aus der Elektronik, eine nach wie vor direkte Leitung ins HipHop-Sekretariat und von Hand gespieltes Instrumentarium mit Saiten und Fell fügen sich zu einem Sound, aus dem nicht selten – gerne auch dick unterstrichen - die Wahrheit spricht. "Man kann nicht immer glücklich sein, besonders nicht in Österreich", münzen Frittenbude eine Zeile aus dem Stück "Affentanz" vom im Original auf ihr Herkunftsland bezugnehmenden Text auf den Auftrittsort um. Es stimmt.
Kurz schieben Frittenbude eine Coverversion von Rage Against The Machines Widerstandsevergreen "Killing in the Name" in ihr Set, rappen vom Steineschmeißen gegen den institutionalisierten Bullshit in der Welt, organisieren ebenso – im Gegensatz zur bei Rockkonzerten so gern bemühten Wall of Death – eine "Wall of Love" im Publikum; "Die eine Seite geht nach links, die anderen zum anderen Links". Programm in die Party packen und dabei trotzdem nicht das Konfetti vergessen.
Franz Reiterer / FM4
Der englische Sänger Kwabs stellt danach die Verbindung her, von Gestern nach Heute oder Morgen, Soul, R’n’B und leise elektronisch unterfüttertes Songwritertum im Bigband-Sound, mit Geschichte und - wenn auch bisweilen den Tick zu glatt aufpoliert - Zukunftsvision. Weiche Musik mit Kraft und Verve, die auch an diesem Abend überraschend gut aufgeht und nicht wenigen Menschen das eine oder andere Jauchzen entlockt.
Christian Haas
Die Headlinersituation am Freitag hingegen ist eine eher triste bzw. – denkt man supereuphemistisch – als verlässliche, öde Bank konstruierte: Auf der Green Stage beenden The Offspring den Abend. Eine Band, die schon zu Zeiten ihres vor über zwanzig Jahren erschienen Erfolgsalbums "Smash" so Punk war wie zu teure Skatewear. Danach sind The Offspring schlechter geworden. Sehr, sehr vielen jungen Menschen jeglichen Alters hat diese Band dennoch nach wie vor etwas zu sagen.
Christian Haas
Auf der Mainstage füllen derweil nicht Deichkind und nicht Die Toten Hosen den Hauptslot, sondern The Prodigy. Es wird immer wieder neue Menschen geben, die noch nicht mit ein paar tausend anderen Menschen zu "Firestarter" und "Poison" gemeinsam den Verstand verloren haben. Wer wird ihnen verdenken, das nachholen zu wollen? Funktionalitätsmaschine. Es ist schon alles gehört worden, bloß noch nicht von allen.
Christian Haas
Kurzes P.S.: Während der Show von The Prodigy tritt, ein wenig unterangekündigt, nicht schwach besucht jedoch, die englische Band OMD im Night Park auf. Man darf mit den Lippen ein Wort formen und sagen: Legende. Ausgehend von elektronischem Postpunk und Wave in den frühen 80ern haben OMD zur großen Kunst von Synthie-Pop gefunden.
Das Publikum ist in dieser Nacht sicherlich zu weiten Teilen per Zufall zu ihrem Konzert eingetrudelt, es geht jedoch auf. Frontmann Andy McCluskey steht stimmlich und hinsichtlich Ausdruckstanz bestens im Saft, ist Entertainer, giftig, dabei nicht altersbitter. Es gibt Klassiker bis Klassiker: "Joan of Arc", "Pandora’s Box", "Electrictiy". Daran führt nichts vorbei: OMG.
FM4