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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

13. 8. 2015 - 12:28

In der Grauzone des Greenwashing

Wenn die Alu-Industrie auf Festivals für Dosen-Recycling wirbt - ist das schon Greenwashing? Was steckt hinter dem Begriff und wo fängt das Übel an? Eine Kontroverse zu einer aktuellen Kampagne.

"Greenwash Inc."
In seinem Debütroman rechnet Karl Wolfgang Flender mit der Kommunikationsbranche und dem Öko- Bildungsbürgertum ab.

Wenn sich der Ölriese BP von heute auf morgen ein Sonnenlogo verpasst und sich "Beyond Petroleum" nennt, obwohl er für eine der größten Ölkatastrophen der Geschichte verantwortlich ist, ist das sogenanntes Greenwashing.

Greenwashing ist es auch, wenn das Deutsche Atomforum Windräder auf seine Werbeplakate druckt. Auch der österreichische Verbund war mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert, weil er mit "100 Prozent Wasserkraft" geworben hat, während er nachweislich Atomstrom ins Netz speiste.

Greenwashing bezeichnet also PR-Strategien, die einem Unternehmen ein nachhaltiges Image verleihen, für das es keine oder keine ausreichende Grundlage gibt. Die Grauzone dabei ist natürlich groß. Wir haben uns ein aktuelles Beispiel angesehen.

Aludosen

CC0 - 1.0 - Public Domain

Recycling für die Industrie

Derzeit läuft auf Festivals und in Freibädern eine Kampagne, die mit Mitmach-Aktionen, Gewinnspielen und Videospots das Recyceln von Aludosen promotet. Gesponsert wird "Jede Dose zählt" von Rexam, einem globalen Getränkedosenhersteller und European Aluminium, dem Dachverband der europäischen Aluminiumindustrie. Anlass für Kritik, finden manche.

Dorothea Junk ist Geschäftsführerin der PR-Agentur Panta Rhei mit Schwerpunkt Umwelt. Sie hat die Kampagne in Österreich entwickelt: "Wir wenden uns vor allem an die 16- bis 35-Jährigen und wollen ihnen bewusst machen, dass leere Getränkedosen ein wertvoller Rohstoff sind, der entsprechend gesammelt wird."

Für die Herstellung von Aluminium werden große Mengen an Energie verbraucht und etliche Tonnen Bauxit abgebaut. Alu-Recycling kann diesen Energieverbrauch um ein Vielfaches senken. Dennoch haben Aludosen immer noch drei Mal so hohe CO2-Emissionen wie Mehrwegflaschen aus Glas.

Das Recycling soll Spaß machen und ins alltägliche Verhalten integriert werden. Bei Aktionen wie dem "Dosentausch" erhält man z.B. für zehn leere Dosen eine neue Dose. Beim "Party-Sponsoring" werden Infomaterial, Sammelsäcke und natürlich Dosen zur Verfügung gestellt.

Christian Pladerer verfolgt die Kampagne schon seit Längerem. Er ist Experte für Abfall- und Ressourcenmanagement beim Österreichischen Ökologie-Institut. "Prinzipiell begrüßen wir jede Kampagne, die in die Richtung geht, dass die Leute sortenreiner trennen. Die Frage ist nur, wieviel Sekundärmaterial aus einer recycleten Dose in eine neue Dose geht. Das hat mir noch niemand beantworten können."

Weder Recyclingfirmen noch Dosenhersteller oder -abfüller können genaue Angaben darüber machen, wieviel Aluminium für die Produktion von neuen Dosen tatsächlich aus der Metallsammlung kommt. Doch dass die Industrie Interesse am Rohstoff hat, ist klar. Dosen aus recyceltem Aluminium sind billiger und brauchen weniger Energie. Zudem wird das Produkt auch eher gekauft, wenn das Gewissen der Kunden beruhigt wird.

Aber ist es schon Greenwashing, wenn die Alu-Recycling-Kampagne von denjenigen bezahlt wird, die primär daran interessiert sind, weitere Dosen zu verkaufen?

Greenwashing beginnt bei Unwahrheiten

"Das würde ich nicht sagen", so Pladerer, "es wird ja nicht mit Unwahrheiten gespielt. Dadurch dass diese Kampagne aber recht zielgruppenorientiert ist, d.h. für ein junges Publikum und cool in der Aufmache, wird schon der Eindruck erweckt, dass auch das Trinken aus der Dose cool ist. In dem Moment, wo ich die Dose sortenrein erfasse oder dieser Aktion übergebe, habe ich quasi meinen Obulus getan und es passt alles wieder."

Dorothea Junk widerspricht dem. "Es werden nun mal Dosengetränke konsumiert und wir setzen uns auf dieses Verhalten drauf und sagen: Es ist eure Entscheidung, welche Verpackung ihr für euer Getränk wählt. Aber wenn ihr Dosengetränke konsumiert, dann sammelt sie bitte fürs Recycling." Die Geschäftsführerin der PR-Agentur hat auch kein Problem damit, dass das Geld für ihre Kampagne von der Aluindustrie kommt. "Ich würde nichts machen, das ich nicht vertreten kann", sagt sie. Außerdem laufe das Interesse der Wirtschaft und der Konsumenten parallel. "Die Wirtschaft wird sich immer mehr bewusst, dass sie eine Verantwortung für ihre Produkte hat und legt auch Wert darauf, dass das den Konsumenten klar wird."

Es ist zwar richtig, dass viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitskampagnen durchaus ernst meinen, dennoch sollte man sie immer kritisch hinterfragen. Vor allem, wenn das Ausgangsprodukt eine schlechte Ökobilanz hat, meint der Experte für Abfall- und Ressourcenmanagement. "Die Herstellung von Aluminium ist eine Umweltkatastrophe", sagt er. "Ich kann den Energieverbrauch zwar durch Recycling um ein Vielfaches senken, aber wenn ich mir die Umweltauswirkungen, also die Rohstoffgewinnung, Nutzung und Entsorgung ansehe, dann ist die Aludose die umweltschädlichste Form der Getränkeverpackung. Die beste ist nach wie vor die Mehrwegflasche aus Glas."

Wo kann ich mein Unbehagen äußern

Greenwashing beginnt also dort, wo bewusst Fakten verzerrt werden oder Dinge behauptet werden, die einfach nicht stimmen. KonsumentInnen empfinden aber oft schon früher ein Unbehagen und haben das Gefühl, dass Dinge verharmlost oder bewusst ausgelassen werden.

Zahlreiche NGOs und Watchplattformen sammeln daher Beispiele für Greenwashing und bewerten sie nach festgelegten Kriterien. Zentral bleibt aber die Macht des Konsumenten. Wer Werbeversprechen hinterfragen will, kann sich an den Verein für Konsumenteninformation, VKI wenden. Wer persönlich kommunizieren will, welche ökologischen und sozialen Anforderungen er an ein Produkt hat, kann die Unternehmen aber natürlich immer auch direkt anschreiben.