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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

2. 8. 2015 - 16:23

Der Ursprung und die Lösung aller Probleme

Der Song zum Sonntag: Lianne La Havas - "Green & Gold".

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Der Blick in den Spiegel als Anlass zur Selbstreflexion ist ja wirklich schon ein abgegriffenes Motiv. Alles ist möglicherweise schon gesagt - aber noch nicht von allen. Die englische Musikerin, Songwriterin, Sängerin Lianne La Havas nutzt in ihrem Stück "Green & Gold" den Moment der Selbsterkenntnis und des Wunderns über die eigene Identität, um über Herkunft und Vergangenheit zu sinnieren.

Lianne La Havas wurde 1989 in London als Tochter einer Jamaikanerin und eines Griechen geboren, "Blood" nennt sich ihr gerade erschienenes, zweites Album und meint mit diesem Titel auch ausdrücklich: Familie.

Lianne La Havas

Lianne La Havas

Zu dem Stück "Green & Gold", das La Havas gemeinsam mit Jamie Lidell und ihrem regelmäßigen Kollaborateur Matt Hales (früher bekannt unter dem Namen Aqualung) geschrieben hat, ist die Musikerin von einem Trip nach Jamaika inspiriert worden. Mit ihrer Mutter hat sich La Havas da vor zwei Jahren auf die Suche nach ihren Wurzeln begeben, die titelspendenden Farben "Green & Gold" repräsentieren die jamaikanische Flagge.

Der Song beginnt so mit einem Flashback in die Kindheit der Musikerin, hinein in die frühesten Erinnerungen: "Who's that Girl?", fragt sich La Havas, als sie sich selbst als Sechsjährige im Spiegel erspäht. Geht es hinter dem Spiegel weiter in ein Reich der Unendlichkeit? Oder aber was wird geschehen, hier in der echten Realität, sollte ich irgendwann einmal 23 Jahre alt werden: "Where Am I Gonna Be If I'm Ever Twenty-Three?"


Im Refrain träumt Lianne La Havas dann von Grün und Gold und auch einem "Ancient Stone" - der wiederum steht für das väterliche Griechenland. Das alles ist freilich plakativ formuliert, wird den tiefen, unergründlichen Gefühlen hinsichtlich der eigenen Privathistorie, die man bloß stückweise begreifen kann, aber nur gerecht.

In musikalischer Hinsicht wird filigran gearbeitet. War La Havas' Debütalbum noch stark von angefolktem Singer/Songwritertum mit Soul-Unterton geprägt, geht es diesmal richtig Richtung Neo-Soul, Jazz und Sixties-Pop, jedoch ohne allzu viel Pomp oder gewolltem Pathos. Der Song "Green & Gold" ist minimalistisch angerichtet, Bass, Gitarre, ein prominent in den Vordergrund gemischtes, dabei sparsam agierendes Schlagzeug, ein subtiler Groove.

Sanft schmiegen sich durch die Hintertür Bläser in den Song, die Sonne geht auf, Lianne La Havas wendet sich noch einmal an die Eltern: "Those Eyes You Gave Me, They Let Me See Where I Come From". Ein Lied ohne Zynismus und ohne Rebellion, ein Lied über die Liebe zur Familie und über das unlösbare Rätsel der menschlichen Natur.