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Florian Wörgötter

Phonographien. In Wort und Bild.

18. 7. 2015 - 12:36

HipHop kennt kein hitzefrei

Das HipHop Open Austria ging in die zweite Runde: Mit A$AP Rocky, ASD und dem Moshpit als neuem Breakdance.

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Als Joshi Mizu seine Gunshots in die 36 Grad heiße Mittagssonne abfeuerte, hatte der Innenhof der Arena Wien etwas von Wildem Westen. Dass Yarah Bravo aus ihrem Mini-Colt Mini-Konfetti schoss, erinnerte ein wenig an Karneval in Rio. Acht Stunden später knallt Headliner A$AP Rocky aus sechs Kanonen pflastergroße Konfetti in die Menge - die Sonne ist weg, aber der Kessel der Arena kocht noch immer. HipHop kennt kein hitzefrei.

Yarah Bravo beim HipHop Open

Franz Reiterer

Yarah Bravo

Der österreichische Ableger der HipHop Open in Stuttgart bemühte sich heuer, HipHop und seine Elemente wieder unter einem Dach zu vereinen: Rap und DJing, Graffiti und Breakdance; die alten Verwandten, die sich - wenn überhaupt - nur mehr an Feiertagen treffen. Heute kommt die Familie wieder zusammen: Megaloh liefert mit seinem Auftritt ein Bekenntnis zum authentischen MC. Prinz Porno entlädt seinen Energieüberschuss wieder in klassischer Rap-Pose. Und Writer wie Skero oder Phekt sprühen Peaces an Kartonwalls. Auch der Kunstform des Freestyles wird in den Umbaupausen Tribut gezollt. Der Battle "King of the Open" ging an den Wiener Rapper A.Y., der im Finale Kschirrspüler zum Tellerwaschen schickte. Und der Auftritt von Headliner A$AP Rocky zeigte uns: Der Moshpit ist das neue Breakdance. HipHop lebt also. Hooray.

The Underachievers

Flying Lotus höchstpersönlich war von Issa Gold und Ak the Savior derartig angetan, dass er die Rapper aus Flatbush, Brooklyn, auf sein Brainfeeder-Label holte. Auch wenn die beiden MCs heute - im Gegensatz zu ihrem DJ mit dem Dauersmile - nicht einmal gegrinst haben und das von der Hitze gelähmte Publikum als "dead" bezeichneten, ihre Bässe bebten, die Double-Time-Raps rockten. Interessanterweise sprang das Publikum dann doch, aber erst, nachdem die Rapper die Bühne räumten und ihr DJ mit Trap-Krachern das Set abservierte. Vielleicht verdankte er den Einsatz der Crowd aber auch nur seinem Lächeln.

ASD

Die Altherren Afrob und Samy Deluxe, kurz ASD, wagen ebenfalls eine zweite Runde. Zwölf Jahre nach dem Kollabo-Album "Wer hätte das gedacht?" gehen sie mit der Platte "Blockbasta" erneut auf Tour. Endlich offenbaren sich Sinn und Zweck dieses kürzlich erschienenen Albums, dessen bombastische Beats es nur selten schaffen, die inhaltlichen Schwächen zu übertönen: Abgehen! "Sag mir wo, die Party ist!" On Stage. Weniger im Kopfhörer. Doch das betagte Tagteam weiß sehr wohl, wie man Partys feiert. Innerhalb einer Stunde rattert ein kompakter Mix von knapp dreißig Nummern durch die Box. Darunter auch Banger wie "Blockbasta", das East Flatbush Project lässt grüßen, oder "Sneak Preview", die offenkundige Blaupause für das aktualisierte Partykonzept von ASD.

Auch Klassiker aus dem letzten Jahrtausend werden wiederbelebt: Samy performt das Beginner-Feature "Füchse", den ersten Solo-Hit "Weck mich auf" und die Kiffer-Hymne "Grüne Brille". Afrob kickt das "Reimemonster" und "Getup". Allerdings zeigt sich bei den alten Hits erstmals latente Langeweile in ihrer Stimme. Dennoch: Afrob und Samy treten als starke Einheit auf, die sich im Wechselspiel auch einzelne Zeilen teilt. Trotzdem wirkt es erholsam, in "Deadline" erstmals Samys Stimme eine ganze Strophe lang zu hören. Samy Deluxe, der optisch seinem Alter Ego Herr Sorge immer ähnlicher wird, und Afrob, der überraschenderweise stark mit dem Rap seines Partners mithält, haben sich besser geschlagen als erwartet. Etwa wenn sie skandieren: "Unsere Art von Unterhaltung - Antihaltung". So anti Blockbuster eben sein können.

A$AP ROCKY

Der Headliner des letzten Jahres, Streetpoet Nas, reduzierte sein Konzert aufs Wesentliche: Two Turntables and a Mic, keinerlei Bühnenprotz, nur Rap, wie ihn "God´s Son" schuf. A$AP Rocky hingegen macht spätestens heute klar, warum in seinem Namen ein Dollarzeichen steht. Harlems Hype-Hoffnung leistet sich eine überbordende Lightshow samt vollformatigem Visual-Konzept, sechs Nebelkanonen, zwei Pulte für DJ und Live-Producer und drei Backup-Rapper seines A$AP Mobs.

A$AP Rockys große Inszenierung beginnt im hypnotischen Intro "Dreams" mit Rauchschwaden, die langsam die Buchstaben auf der Leinwand verschlingen, die die Bedeutung des Wortes A$AP erklären: "Always Strive And Prosper" - zu Deutsch: bemühe und gedeihe. Die Stimme aus "Dreams" kommt von A$AP Yams, der als Mentor und Executive Producer für Rockys Erfolg verantwortlich war. Sein unerwarteter Tod stürzte A$AP Rocky in intensiven Konsum von "L$D", was sich hörbar in den neuen Stücken ausdrückt. Seine Show zieht die Arena in einen psychedelischen Trip voller purpurner Farben. Juicy in the Sky with Diamonds.

"We need a Moshpit", brüllt A$AP Rocky. Ein riesengroßer Kreis reißt ein Loch mitten ins Publikum, wie ein Cypher, in dem eigentlich B-Boys und B-Girls tanzen. Als der Dubstep-Track mit Skrillex "Wild for the night" einsetzt, hat A$AP Rocky alle Mühe, die Leute bis zum Chorus zurückzuhalten. Im Moment des Drops knallen sechs Nebelkanonen fontänenartig Glitzerkonfetti ins Publikum. Blitzlichtgewitter. Der Kreis fällt in sich zusammen. Alle springen miteinander gegeneinander. Auch so kann ein Battle aussehen.

Ironischerweise endet seine Show verfrüht nach 50 Minuten mit HipHops größtem gemeinsamen Nenner: House of Pains "Jump Around", das schon Leftboy im letzten Jahr anspielte, bevor er seinen Auftritt abbrach. Im Gegensatz zum Vorjahr störten heuer aber keine Buhrufe und es flogen keine Becher - nur Konfetti. Vielleicht, weil der Moshpit alle Aggressionen bändigte. Vielleicht, weil bei der Hitze niemand einen Becher zu verschenken hatte. Vielleicht, weil alle zufrieden waren.