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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

12. 7. 2014 - 15:51

Nah, Fern, Groß

Blumentopf, Left Boy, Nas. Vertrautheit, Buhrufe und große Souveränität beim FM4 HipHop Open in der Arena Wien. Die Highlights des Festivals werden am Dienstag, den 15. Juli, in der FM4 Homebase ab 19 Uhr ausgestrahlt.

Nah

Die Higlights vom HipHop Open, Interviews und Livemitschnitte am Dienstag, den 15. Juli, in der FM4 Homebase ab 19 Uhr und im Anschluss daran für 7 Tage on Demand.

Für uns und für Blumentopf klärte sich gestern der Himmel. Die Arena dampfte, das Grau von oben drückte und wurde von den 4 MCs und DJ Sepalot schnell weggeschoben. Blumentopf zu sehen ist wie alte Freunde zu treffen, es hat die Vertrautheit und Intimität einer Familienfeier – vorausgesetzt man mag seine Verwandten.

Es gibt null Distanz zwischen Bühne und Publikum. Blumentopf sind total nah und mit den Leuten. Ihre Reime sind für alle: deeskalativ, freundlich und klug. Sehr lustig war der Freestyle über das W-LAN in der ÖBB und die manchmal übel riechenden Gliedmaßen der Mitreisenden.
Der Track „Alt“ zu dem Texta als Gäste auf die Bühne kamen war immer noch knackig und frisch und die Ankündigung, dass im Herbst ein neues Kollabo-Album von Blumentopf und Texta erscheinen wird, freut sehr.

Fern

Alle Fotos von Christof Moderbacher

Groß war die Distanz war zwischen Left Boy und dem Publikum. Die Besucherinnen, die ich kannte, mokierten sich, konstant auf Englisch adressiert zu werden.

Left Boy´s Auftritt war gespickt mit Showbiz Einfällen und Gimmicks. Die Gesten waren groß, zu groß, und es war nicht der richtige Ort dafür. Ein Hip Hop-Publikum freut sich über Skills und nicht über Wobble Bässe oder einen DJ, der schon bei der ersten Nummer mit nacktem Oberkörper spielt. Sweet Dreams, 7 Nation Army, We Will Rock You, oder Jump Around anzuspielen ist Teilen des Publikums eine zu große Anrufung von Konsenshits, auf der Galerie sind die gemalten und in Richtung Bühne gehaltenen „Hip Hop WTF?!?!“-Schilder nicht mehr zu übersehen und die Buh-Rufe in den Pausen sind nicht mehr zu überhören. P. meint zu mir, er solle doch kein Klopapier als Partygirlanden von der Bühne werfen, das was er vom Pubilkum zurück kriege steht in einem Kausalzusammenhang dazu. Die Buhrufe hören nicht auf, Becher fliegen: „OK, I get it. What am I doing at Hip Hop Open.“ Left Boy bricht ab, und nicht einmal „Ass 'n' titties“ von DJ Assault konnte ihn noch retten.

Groß

Nas ist sicher, souverän und stark. Nas braucht keine Show. Nas ist präzise, und wuchtig. Nas ist nie in Pathos kippend. Nas ist reduziert und jedes Wort von ihm ist wie in Platin gemeißelt. Nas ist hinter und in jedem Wort, das er spricht. Nas ist Meister der Dynamik von Verkörperung und Repräsentation: „All I need to change the world is a mic and two turntables.“ Dieser Satz fällt in verschiedenen Versionen mehrmals in seinen Zwischenansagen.

Große Souveränität, sprachliche Eleganz und auch Höflichkeit, ja merklicher Respekt vor seinem Publikum erfüllt die Bühne, die aus einer Stahl DJ-Kanzel für DJ Green Lantern, ein paar Spots und einer Videowand bestand. Reduktion und bewusste Setzung auch hier.

Straight out the fucking dungeons of rap. Where fake n....s don't make it back

Eines der berühmtesten Intros der Hip Hop-Geschichte waren die ersten Worte, die man von Nas hörte. 20 Jahre Illmatic wurden gefeiert und Nas begann sein Set mit „New York State of Mind“. Auf der Videoleinwand bildeten Straßenzüge und U-Bahnfahrten das architektonische Gesicht der Stadt. Ein paar Nummern später bei „Represent“ sah man die Menschen, die Gesichter aus der Nachbarschaft. „Life´s a Bitch“, „The World is yours“, „Halftime“ – Nas spielte all die großen Nummern von Illmatic.

To my people locked up one love

Zu „One Love“ gab es ein neues Intro, einführende Worte. Nas erzählte, dass er die Nummer vor zwanzig Jahren als Brief für einen Freund im Gefängnis geschrieben hat. Für Freunde, die immer noch inhaftiert sind: „Socio-economics gotten worse“, die Einkommensverteilung wird immer schlechter, die Zwangssituationen, die die Empfänger von Nas´ Brief ins Gefängnis bringen, nehmen zu.

If This Town Is Just An Apple Then Let Me Take A Bite

Vor „It Ain't Hard To Tell“, das „Human Nature“ von Michael Jackson sampelt, verbeugte sich Nas vor MJ, Kinderfotos auf der Leinwand inklusive. Im zweiten Teil seines Set spielte Nas Nummern seiner anderen Alben. Bei „Hate me now“ gab es einen Vulkanausbruch auf der Leinwand und ausgebreitete Arme. Bei „Hip Hop is dead“ wurde dem Publikum nochmal eingebläut, auf der Hut zu sein, weil wo viel Licht da auch viel Schatten. „Street Dreams“, ein Shout-out an Left Boy und die anderen heute aufgetretenen Künstler, und „Made you look“ schlossen die Darbietung. Nas kam sah und siegte.

Am Anfang seines „Made You Look Video“ steht ein Zitat von Rudyard Kipling, dem britisch-indischen Kolonialschreiberling und Dschungelbuch-Autor:

„If you can talk with crowds and keep your virtue,
Or walk with kings - nor lose the common touch,
If neither foes nor loving friends can hurt you,
If all men count with you, but none too much.“

Nas hat das erreicht.

FM4 HipHop Open Spezial

Die erste Ausgabe vom FM4 Hip Hop Open ist Geschichte- Im Rahmen einer Best-Of-Spezialsendung gibt es Livemitschnitte und Interviews der auftretenden Künstler zu hören. Mit dabei: Hilltop Hoods, Weekend, Duzz Down San Cypher und Leftboy. Sobald die Freigabe des Künstlers erfolgt wird auch der Mitschnitt von Nas nachgereicht - am Dienstag, den 15. Juli ab 19 Uhr in der FM4 Homebase und im Anschluss für 7 Tage on Demand.