Erstellt am: 8. 5. 2015 - 13:00 Uhr
Gitarren über alles
Elektronische Beats. Die soundtechnischen Möglichkeiten sind schier grenzenlos und dem Ganzen haftet gleich mal ein unterkühltes und dadurch nicht selten cooles Flair an. Aber der Klang einer Gitarre - der hat etwas Einzigartiges. Die sechs Saiten, deren Schwingung entweder durch den hölzernen Resonanzkörper in einen warmen Ton oder durch einen blitzenden Tonabnehmer in elektrischen, nicht selten verzerrten Sound umgewandelt werden, sind für so manche Menschen ihre ganze Welt. Hier nun sechs unterschiedliche Klangwelten, in denen die Gitarre meist ein tragendes Element ist.
das trojanische pferd - "Ich Du Er Sie Es"
Wer Hubert Weinheimer kennt, der weiß, dass er ein Mensch mit Ecken und Kanten ist. Als Künstler, Musiker und Autor macht er auch keinen Hehl daraus. Genau deshalb haben seine Werke eine Dringlichkeit, die zwischen ironischem Amüsement und verstörender Anklage hin und her wechseln. Mit seinen Reitkumpanen Hans Wagner, Rene Mühlberger und David Schweighard von das trojanische pferd widmet er sich auf dem kommenden neuen Album ganz der "Dekadenz". Hinter dem Titel steckt natürlich weit mehr als nur der Wohlklang des Wortes selbst. Geht es doch um nichts weniger als den alltäglichen Wahnsinn der westlichen Gesellschaft und ihre nicht nur ökonomische Untragbarkeit. Zur gleichen Zeit wird über das eigene, elitäre Künstlerdasein in der Nische als luxuriöses Nebengeräusch nachgedacht.
So ist es nicht verwunderlich, mit welch demontierender Wucht das Video zur neuen Single "Ich Du Er Sie Es" daherkommt. In ihm spiegelt sich dieser scheinbare Zwiespalt. Theatralisch und selbstironisch zugleich wird zu diesem erdig-räudigen Indiepopsong der innere Kampf eines intellektuellen Musikphilosophen an die Oberfläche transportiert.
Nowhere Train - "Run"
Das Musikerkollektiv Nowhere Train hat mit seinem letzten Video zu "Play In The Sun" ein aberwitziges Feel-Good-Filmchen abgeliefert. Für den fabelhaften Song "Run" haben sich die Folk- und Banjo-Liebhaber etwas ganz anderes ausgedacht. Zu dem treibenden Beserl-Schlagzeug, der geschmeidigen Slide-Gitarre und der zarten Country-Stimme sieht man zunächst das Wiener Stadtbild an einem älteren Herrn vorbeifliegen.
Soweit so gut. Aber Nowhere Train Mitglied Stefan Stanzel hat sich bei seinem Regie-Debüt eine berührende und komische Geschichte einfallen lassen, die sehr viel Spielraum für Interpretation offen hält. Auch wenn hier vordergründig ein einfacher Plot erzählt wird, darf über die Beziehung der ProtagonistInnen spekuliert werden. Gefühlvoll und mit schönen Bildern liefert Stefan hier ein Video ab, das bei jedem Mal ansehen ein Stück weit mehr zu verraten scheint.
Those Goddamn Hippies - "Coming Up"
Der Weg von Schlagzeuger Tom O. Marsh scheint ein langer gewesen zu sein. Von London über Berlin ist er nun in Wien gelandet und scheint auch endlich angekommen zu sein. Denn sein neues Musikprojekt Those Goddamn Hippies klingt sehr ausgereift und trotzdem leidenschaftlich. Elektronik mischt sich da mit Indiepop und sphärischen Gitarrenklängen. Das alles wird im Fall von "Coming Up" geschmackvoll komponiert und arrangiert, um anschließend in ein fünfminütiges Epos gegossen zu werden.
Visuell muss ein derart breit angelegter und emotionaler Song mit großen Bildern umgesetzt werden. Zu dem düsteren Unterton des Stücks wird die Geschichte recht komplex montiert, so dass die zeitliche Abfolge der Geschehnisse und die Verbindung der Figuren nicht immer ganz klar ist. Das verschafft dem Video genauso eine geheimnisvolle Atmosphäre, die auch der Song in sich trägt.
Lehnen - "How's The Tires?"
Das österreichisch-amerikanische Quartett Lehnen hat es sich noch nie einfach gemacht. Vielleicht auch, weil ihre Situation auch nie eine "einfache" war. Das musikalische Vierergespann steckt zwischen zwei Welten und zwei Kulturen. Nicht unbedingt in musikalischem Sinne. Vielmehr geht es um die Unmöglichkeit, sich Zuhause zu fühlen. Egal an welchem Ort. Das Ende Mai erscheinende Album "Reaching Over Ice And Waves" thematisiert genau diesen Zustand, die Sehnsucht nach Verbundenheit und die Suche nach Identität.
Musikalisch wird die Thematik des Reisens und der Zwischenwelt, in der man sich dadurch oft befindet, mit einer krachenden und energiegeladenen wall of sound umgesetzt. Knalliger und schillernder Postrock lässt grüßen. Dementsprechend reduziert auf das Wesentliche - die Musik und ihre Schöpfer - zeigt das Video zu "How's the Tires?" die Band bei der Arbeit. Einfach und eindrucksvoll zugleich.
Like Elephants - "Child Of Love"
Oberösterreich ist ein guter Platz für melancholischen Indiepop. Jetzt hat diese Region eine Band mehr, die flächige Klangteppische auszurollen vermag und mit vollem Herzen ihrer Sehnsucht Ausdruck verleiht. Das Fünfergespann Like Elephants dürfte beim Schreiben der Songs nicht selten an New Wave und New Order gedacht haben. So präsentiert sich zumindest die wundervoll dichte Atmosphäre des Stücks "Child Of Love, ein Song ihrer EP "Home" die am 8. Mai erscheint.
Zu dem wunderschönen Dreampop von Like Elephants scheint auch im Video zu "Child Of Love" die Grenze zwischen Traum und Realität zu verschwimmen. Und gleichzeitig wird recht geschickt eine stringente Geschichte erzählt, die auf ein unaufhaltbares Finale hinsteuert.