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Andreas Födinger

tourt(e) mit Bilderbuch, Beth Edges, Farewell Dear Ghost, Gerard uvm. durch die Länder, trifft dabei hochinteressante MusikerInnen

2. 5. 2015 - 21:00

"One world, one love, one passion"

Die österreichische Band Farewell Dear Ghost tourt China. Heute, Tagebuch-Eintrag, Teil 3: Nanjing.

Farewell Dear Ghost auf China-Tour:
30.04. Beijing, Sound of the Xity
01.05. Nanjing, Secco Bar
02.05. Shanghai, Yuyintang Club
03.05. Wuhan, Vox Club

Farewell Dear Ghost sind:
Philipp Szalay, Alex Hackl, Philipp Prückl und Andreas Födinger

Unterstützt durch das Österreichische Kulturforum Peking

Liebes Tagebuch,

bestimmt weißt du noch, was ich dir über Beijing berichtet habe. Schmeiß die Infos jetzt mal wie einen frischgefangenen Karpfen rigoros über Bord. Die musst du leben lassen. Denn nun, am zweiten Tourstopp der China-Reise geht es für die vier Helden nach Nanjing. Die zwei Städte ähneln sich allerdings lediglich orthographisch und insofern, als dass das jing an der zweiten Silbe des Wortes Hauptstadt bedeutet. Bis 1400 jedenfalls war nämlich Nanjing die Hauptstadt des Landes der Morgenröte, wobei das erstsilbrig platzierte nan für Süden steht, bei hingegen für Norden.

Hochhaus

Andreas Födinger

Sebastian Vettel und Bill Murray sind auch da

Pardauz, 900 Kilometer nördlich von Beijing jettet die Truppe per Flieger in den nächsten Gigtempel. Und ja, was soll ich sagen, Nanjing ist gänzlich anders. Der Smog steigt zwar ähnlich dicht und mächtig über die Silhouette der Stadt empor, doch detailliert bepflanztes Grün verleiht dem 7-Millionen-Gerät ein freundliches Flair, wie eine violett gefärbte Lilie erblühen Parks und Gärten in einem Feld von Disteln und Krokus. Die Taxi-Fahrt vom Flughafen zum Hotel gleicht allerdings einem praterischen Besuch inklusive der ärgsten Achterbahn nach zwei Steckerlfischen. Der Taxifahrer scheint uns entweder a) fürchterlich unsympathisch zu finden oder b) ein ganz besonders ausgebuffter Racer zu sein, denn vor meinem imaginären Auge lief nicht nur einmal der so oft thematisierte Film des Lebens vorüber. Nebenbei bemerkt: mit dem Englisch nehmen's die Chinesen und Chinesinnen auch nicht so genau, ich bin mir nicht mal sicher, ob die bloße Existenz dieser Sprache hier auch nur irgendeine Relevanz genießt. Lost in Translation in Reinkultur.

Neonlicht, schimmerndes Neonlicht

Nachdem uns the Boss Philipp Szalay mit gefüllten Geldbörserl und beschränkter Kommunikation per Hand- und Fußverrenkung doch noch irgendwie ins Hotel schleust, holt uns nach zwei-stündigem Powernap dann der Besitzer der Secco Bar, die heutige Konzertlocation, ab. Die Überraschung ist groß. Der Mann, ich nannte ihn Wayne Rooney, ist zwar Asiate, lebte aber ein gerüttelt Maß Jahre in Deutschland, sprach fließend. Wie klein die Welt doch ist. Sie schrumpfte dann auf ein Mindestmaß, als die Bande in besagter Bar eintraf, mit Bedauern feststellte, dass die Inneneinrichtung doch sehr einem 90er-Disco-Schuppen ähnelte. In Nanjing genehmigen sich die Bewohner_innen nämlich ein bisschen Sport, insofern, als dass sie alte Bauwerke nach fünf Jahren abreißen und einfach was Neues hinstellen. Bei diesem Club dürfte ihnen vermutlich die Wiener Pratersauna Pate gestanden haben, anders kann ich mir das sonst nicht vorstellen.

Farewell Dear Ghost vor ihrem eigenen Tourplakat

Andreas Födinger

Neongetränkt machen wir uns auf, ein recht bemerkenswertes Konzert zu spielen, Gitarrero Alex "die Lotusblüte" Hackl nennt es später die Geburtsstunde des Rock'n'Rolls in China. Denn irgendwie ist es wirklich so. Es sind vergleichsweise um einiges weniger Leute da als noch am Vorabend in Beijing, die Resonanz ist aber ähnlich. Die elegante Schüchternheit der Chinesen und Chinesinnen zerplatzt, wie wenn ein ausgewachsener, rolliger Schäferhund Seifenblasen jagt. Da ist es dann auch nicht so tragisch, wenn das Setting des Clubs, laute Rockkonzerte jetzt nicht unbedingt zulässt. Aber eigentlich ist das ja unwichtig. For the people.

One world, one love, one passion

Weil ich vorhin die Magnitudität der Erde ansprach, sie ist tatsächlich ein Dorf. Wenn du nämlich zwei Vorarlberger in einer Bar in China triffst, die gekommen sind, um sich eine Grazer/Wiener Band anzuschauen, dann weißt du, dass es doch one world, one love, one passion ist. Und wenn dann der verrückt gewordene DJ zu späterer Stunde Britney Spears' Smash-Hit Toxic unter anderem Miley Cyrus' Wrecking Ball folgen lässt, dann ist die Welt zwar ein Dorf, aber ein wunderschönes.

Menschen versuchen im Flugzeug zu schlafen

Andreas Födinger

Jedenfalls, was ich dir eigentlich erzählen wollte: So eine Konzertreise ist in manchen Momenten alles andere als ein Honigschlecken. Schlafentzug bekommt eine neue Bedeutung, ausruhen kennt man ja auch nur vom Hörensagen; wenn du in Zügen, Flugzeugen, Taxis und anderen ähnlich konstituierten Transportmitteln kein Auge zu tun kannst, musst du von Haus aus die eh schon ungeladene Flinte ins Korn werfen. Jetzt geht's dann mit einem Bullet Train (das sind die, die so unfassbar schnell fahren) nach Shanghai. Meinen Schlummer-Polster hab ich mit. Wünsch mir Glück. Wir lesen uns dann wieder später.