Erstellt am: 14. 2. 2015 - 09:59 Uhr
Es regiert die Pärchendiktatur
Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme
Geschichten aus der deutschen Hauptstadt von Christiane Rösinger
Aldi (der Hofer Deutschlands) bietet dieses Jahr als Valentines-Special einen Gutschein für eine "Auszeit zu Zweit" an und Lidl hat Grußkarten, Blumen, Kochkurse und Pärchenreisen im Sortiment. Die Süßigkeitenindustrie, Parfümerien und Blumenläden sind vorbereitet, die Fitnessstudios laden zum Pärchentraining - nur die Baumärkte haben es wohl verschlafen oder nicht rechtzeitig geschaltet.
APA/dpa/Ina Fassbender
Passend zum Kinostart von "50 Shades of Grey" am 14. Februar hätte man doch ein Valentins-Set für Verliebte aus Kabelbindern, Klebeband und Seilen (in Rot mit Herzchen) zusammenstellen können. Gerade für die schon in die Jahre gekommene Beziehung ein ideales Valentinstags-Geschenk. Denn neben dem Buchen des Romantik-Hotels und dem Kauf von sexy Unterwäsche gilt ja auch die Erweiterung des erotischen Repertoires als goldene Regel gegen aufkommende Langeweile und Desinteresse in der Beziehung, behaupten jedenfalls alle Experten der zuständigen Frauen- und Männerfachzeitschriften.
Denn lieber eine langweilige, schwierige Beziehung als gar keine, sagt der Irrglaube an die RZB (Romantische Zweierbeziehung). Und die - trotz aller Schrecken auch bequeme - Paarideologie zeigt am Valentinstag ihre schrecklichste Fratze. An keinem anderen Tag des Jahres wird so erbarmungslos zum Romantik-Appell gerufen und an die Pflicht zur Zweisamkeit gemahnt. Es ist der Tag, an dem die Pärchendiktatur regiert, und allen klar gemacht wird: Wer allein lebt, ist nicht normal, sondern eine traurige Ausnahme. Denn auch 2015 ist in der paarzentrierten Gesellschaft das Paar das Eigentliche, die normale und einzig erstrebenswerte Lebensform.
APA/dpa/Ina Fassbender
Allerdings regt sich in den letzten Jahren immer mehr Widerstand gegen die aus den USA und England importierte Unsitte des Valentinstags. Angesichts all des Tands, den Farben Rot und Rosa und Worten in geschwungener Schrift, die mit L beginnen, müssen immer mehr Valentinstags-Allergiker mit starken körperlichen Reaktionen kämpfen. Eine regelrechte Anti-Valentinstag-Bewegung ist entstanden. Unter dem griffigen Motto "Fuck Valentines Day" finden weltweit Partys statt, mal mit wütender Trennungsmusik, mal mit "Speed Hating" (die Möglichkeit, in geballter Form über die Verflossenen herzuziehen), gerne wird auch das Thema "Bloody Valentine" in Kostümfesten aufgegriffen.
Diese vorbildliche Anti-Haltung wird aber nun genauso kommerzialisiert. Schmucklose "I love me"-T-Shirts werden auf den Markt geworfen samt Voodoopüppchen, an denen frisch Verlassene ihre Rachegelüste austoben können. Dieser Verkaufsstrategie liegt der Irrtum zugrunde, die Anti-Valentiner wären nur enttäuschte Verlassene und litten am 14. Februar besonders unter dem Single-Status. Denn wer als Single lebe, tue dies nur unfreiwillig und warte sehnlich darauf, diesen unnatürlichen Zustand endlich zu beenden, eine Zweierbeziehung einzugehen und im Pärchenhimmel anzukommen.
Manche lernen es eben nie.
Was will man machen?
Den Valentinstag verbieten wäre auch keine Lösung. Die Valentinsallergikerin will sich ja auch nicht auf eine Stufe stellen mit den Moralaposteln und den Politikern, die zum Beispiel in Thailand alljährlich gegen den Valentinstag wettern. Weil sich das Datum dort irgendwie als Date zum ersten Sex unter Teenagern gefestigt hat, sind zahlreiche Polizei-Sondereinheiten auf den Straßen unterwegs, die knutschende und eng umschlungene Pärchen auseinander reißen und "Underage Kissing" bestrafen. Ab 22 Uhr gilt für Teenager in Bangkok eine Ausgangssperre. Ansonsten gibt es auch in Thailand teure rote Rosen zu kaufen und erwachsene Paare gehen abends schick Essen. Natürlich muss der Mann zahlen - je höher die Rechnung, desto größer der Liebesbeweis. Pfui Teufel.
Ute Hölzl & Moira Hille
Da ist es doch besser, den Tag mit einer großen Anti-Valentinsparty zu begehen, einem entgrenzten Hedonismus zu frönen und das freie Leben außerhalb der zementierten Pärchenhölle und dem hirnlosen Romantikkonsum zu genießen. Wenn die anderen uns mit ihrem Billo-Romantikscheiß belästigen, rufen wir zurück: Wir haben die besseren Partys und führen das interessantere Leben!
Und nicht nur eine ausgelassene Party, sondern auch die Statistik kann uns Hoffnung geben. Bereits 2010 kam eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zu dem überraschenden Ergebnis: "Jeder Fünfte zieht ein Haustier dem Partner vor." 24.000 Befragte aus 23 Ländern gaben an, dass sie den Valentinstag lieber mit dem Haustier als mit dem Partner verbringen würden.
Und 2015 kam bei einer Umfrage raus: 4 von 10 Deutschen hassen den Valentinstag.
Das gibt doch Hoffnung auf eine baldiges Ende der Pärchendiktatur.