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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

6. 2. 2015 - 14:25

Die Unnahbarkeit des Virtuellen

„Blackhat“ fasziniert mit digitaler Schönheit, scheitert aber letztlich am Thema und seinem Hauptdarsteller.

Wenn sich Hollywood filmisch den dunklen Seiten des Internets nähert oder gefinkelte Hacker portraitiert, dann klingeln wohl nicht nur bei mir die Alarmglocken. Die Geschichte des zeitgenössischen Kinos ist voll mit unfreiwillig komischen Szenen, in denen wandelnde Coolness-Karikaturen mit Computern höchst seltsame Dinge anstellen.

Neben dem Klischee der neunmalklugen Hackerkids in schnittigen Klamotten, vor dem beispielsweise auch Terry Gilliam in seiner leider desaströsen Dystopie "The Zero Theorem" nicht zurückschreckt, sind adipöse Genies aller Altersstufen, die ihre Metal-Shirts gerne mit Burgerresten bekleckern, längst Standard als Staffage. Der Computergeek muss übersteigert dargestellt werden, selbst wenn in seltenen Fällen eine Frau wie Lisbeth Salander in die Tastatur hämmert.

Nichts ist schließlich langweiliger, als im Kino unscheinbaren Durchschnittstypen zuzusehen, wie sie auf Bildschirme starren. Das weiß natürlich auch Michael Mann. Der legendäre und von mir hochverehrte US-Regisseur versucht in seinem neuen Cyberthriller "Blackhat", wie viele Filmemacher zuvor, der potentiellen Sprödheit des Themas Computerkriminalität auszuweichen.

Blackhat

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Thor an der Tastatur

Leider tappt Michael Mann, dem wir meisterhafte Neo(n) Noir-Thriller wie "Heat" oder "Miami Vice" verdanken und dessen letzter Film "Public Enemies" schon wieder viel zu lange her ist, dabei gleich zu Beginn in eine beinahe klassische Falle. "Blackhat" beginnt mit einer rasanten CGI-Kamerafahrt, die tief im Inneren einer Festplatte endet und Erinnerungen an peinliche Kinomomente wachruft, an eine Ära, als man versuchte, das einst brandneue Internet mit flashigen funkelnden Animationen zu visualisieren.

Dem kleinen Ausrutscher folgt aber ein beklemmend realistisch inszeniertes Katastrophenszenario. Mit einem Mausklick sabotieren mysteriöse Cyber-Terroristen das Kühlsystem eines chinesischen Atomreaktors. Bevor es zu ähnlich desaströsen Situationen in anderen Kraftwerken kommt, holen das FBI und die chinesische Regierung einen Spezialisten in ihr gemeinsames Team. Nick Hathaway, ein inhaftierter Hacker, der in seiner Zelle abwechselnd Michel Foucault studiert und Bodybuilding betreibt, wird für seine Hilfe Straffreiheit versprochen.

Mit dem Darsteller dieser zwielichtig angelegten Figur beginnen die wirklichen Probleme des Films. Chris Hemsworth wirkt perfekt als muskelbepackter Thor in den Marvel-Movies und verstrahlt auch als exzessiver Formel-1-Pilot James Hunt in "Rush" reichlich Charme. Den blitzgescheiten Hacker nimmt man ihm aber nur höchst bedingt ab, auch wenn sich für viele comiclesende Geeks mit dieser Besetzung Schaltkreise schließen.

Blackhat

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Asiatisch angehauchte Action

Glaubwürdigkeit ist allerdings ohnehin keine Kategorie in "Blackhat". Die Geschichte, die letztlich mit der Furcht vor einem weltweiten Bankencrash spekuliert, schmückt sich zwar ausgiebig mit technischen Fachbegriffen und bringt zumindest in einem Nebenschauplatz die NSA ins Spiel. Aber im Grunde geht es, wie immer bei Michael Mann, einzig um die Atmosphäre.

Der mittlerweile 71-jährige Filmemacher steht für ein oft stahlblau ausgeleuchtetes, somnambules Genrekino, in dem die Großstadt immer wieder zum sprichwörtlichen Dschungel wird, zu einem Ort, wo eisige Gewalt und haltlose Romantik kollidieren. Wer bei dieser Kombination auch an sehnsüchtige und blutgetränkte Werke von John Woo, Johnnie To oder Chan-Wook Park denkt, liegt nicht falsch. In "Blackhat" demonstriert Mr. Mann ganz offensiv seine Verwandtschaft mit dem asiatischen Actionkino.

Chris Hemsworth inmitten rotgekleideter ChinesInnen

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Die diversen Schauplätze in China, Hongkong und Malaysia, in denen die Jagd nach der ominösen Hacker-Gang passiert, nutzt der Regisseur für fiebrige Liebeserklärungen an fernöstliche Metropolen. Im Gegensatz zur plumpen Präsenz des Chris Hemsworth passen chinesische Darsteller wie Wei Tang oder Leehom Wang auch bestens zur Trademark-Melancholie des Regisseurs, die, verstärkt vom pulsierenden Electroscore, dräuend über dem Geschehen hängt.

Die Rohheit von Überwachungskameras

Wie erwartet setzt Michael Mann erneut auf jene bewusste Digitalästhetik, die schon seine letzten Filme auszeichnete und die bei vielen Kritikern und Betrachtern auch für Kontroversen sorgt. Dabei weicht der stets für Innovationen offene Filmemacher mit den irritierenden und faszinierenden Bildern, die in ihrer Rohheit manchmal an Überwachungskameras und Youtube-Clips erinnern, der Gefahr slicker Durchgestyltheit geschickt aus.

Aber auch wenn einen die stellenweise unwirkliche Stimmung und die zunehmenden Schusswechsel und Verfolgungsjagden zum Ende hin vergessen lassen, dass es eigentlich um Monitore und Passwörter in diesem Film geht, bleibt ein zwiespältiges Gefühl zurück.

Blackhat

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Zum ersten Mal taumle ich nicht restlos euphorisiert nach einem Michael-Mann-Film ins Freie. Die unübersehbare Tatsache, dass der Regisseur wohl lieber einen Agententhriller im Stil von Jason Bourne gedreht hätte, kündet auch von einer Niederlage: Wieder hat Hollywood vor der Unnahbarkeit des Virtuellen kapituliert und setzte stattdessen auf die aufregende Kinetik gehetzter Körper. Auch wenn das Scheitern in diesem Fall verdammt schön anzuschauen ist.