Erstellt am: 29. 12. 2014 - 12:28 Uhr
Systemversagen
PAGESO (Partei gegen Spindelegger OEVP)
Schon im Wahlkampf des Vorjahres hatte der mittlerweile Ex-Vizekanzler einen Hauch von Mimik und Gestik eines berühmten Androiden der Filmgeschichte angenommen. 2014 tanzte er sich nun ganz ins Abseits. Man muss in der ÖVP nicht viel falsch machen, um von mächtigen Bünden und noch mächtigeren Landeskaisern als Obmann abmontiert zu werden - und Spindelegger passte einfach nicht mehr zu der Verpackung, mit der die Volkspartei die vielen Wahlen des nächsten Jahres schlagen will. Noch dazu klebte das Odeur des Scheiterns am Pröll-Vertrauten (Radlbrunn soll in diesem Rückblick übrigens nicht weiter strapaziert werden). Hypo und Stillstand in etlichen, entscheidenden Fragen - das war zu viel. Und so machte Spindi eines Morgens im August so unvermittelt Schluss, dass gar etliche Journalisten in der Dusche überrascht wurden. Spindelegger wirkte dabei so gelöst wie nie, während seiner aktiven Zeit. Plötzlich keimte im ÖAABler sogar so etwas wie Natürlichkeit und Witz auf. Allerdings ist Hochform ganz am Ende ein bekanntes Phänomen, wie wir seit "25 - das Magazin" ja wissen. Was Spindi heute macht? Nun, er ist immerhin nicht bei der Dings-Bank gelandet, sondern bringt seine Kinder zur Schule. In Luxemburg.
APA/ROLAND SCHLAGER
COMODO (Coole und Moderne Django Organisation)
Das ist so ziemlich das, was Herr Mitterlehner seit Spindis Abgang aus der ÖVP machen will. Mit Mitterlehner wollte man jene Kräfte in der Partei abmelden, die in LED-Lampen eine Gefahr für die schöne, alte Tradition des Christbaum-Vollbrandes sehen (danke Tagespresse). Das gilt übrigens auch für die Schule. Im Prinzip wären sich die neuen Minister samt Staatsekretär Rick Astley-Mahrer und der Industriellenvereinigung ja einig, nachdem das verbliebene Wählerreservoir im bürgerlichen Lager aber eh schon NEOS wählt, darf man "gespannt" sein, ob sich die ÖVP wirklich vom Gymnasium verabschiedet. Fix scheint auch, dass teurere Theaterkarten sicher besser zur Partei passen, als etwa eine Erbschaftssteuer ab einer Million Freibetrag. Was will denn der Pöbel auch im Burgtheater? Eben. Solange Österreich eine Konditorei am Rande des Balkans ist, wo man hoffnungsfroh-optimistisch in die Vergangenheit blickt, braucht dieses Land die ÖVP. Verpackung hin oder her, für die Faymann-SPÖ scheint dieser Schmäh zu reichen.
DOMAKA (Dorli macht Karriere)
Der Werner, die Dorli und die anderen von der Mietervereinigung, konnten das Straucheln des Regierungspartners gut nutzen. Zumindest parteiintern, die Umfragen sagen derzeit nämlich ganz was anderes. Prinzipiell ist gegen dentalerfahrene Politiker ja nichts zu sagen, dass sie aber mittlerweile nicht nur die größte Oppositionspartei, sondern auch das Parlament und den Hypo U-Ausschuss leiten, ist schon ein bisschen, erm, wild. Wild ist übrigens auch, wie die Partei, die früher Werte wie Solidarität auf ihre Fahnen schrieb, in diesem Jahr mit unliebsamen Genossen umging. Nach Sonja Ablinger wird es sich wohl jeder SP-Mandatar künftig doppelt überlegen, gegen den Strom zu schwimmen. Gespannt darf man derzeit vor allem sein, ob die einzige Nachwuchshoffnung der SPÖ, die mit Kurz & Co annähernd mithalten kann, im nächsten Jahr ein Barbara-Blaha-Schicksal ereilt. Übung hätte Julia Herr, das größte Talent der heimischen Sozialdemokratie, ja bereits. Schön wird sicher auch, wenn die SPÖ dann nächstes Jahr wieder Frauenquoten für die Boards von Aktiengesellschaften fordert. Das wäre circa so arg, wie wenn Zahnar... lassen wir das.
APA / Roland Schlager
HASIMAU (Haben Sie Marihuana ausprobiert?)
Es war der große TV-Schlager dieses Jahres, passenderweise Minuten nachdem ich über den erfolgreichsten Homegrower Österreichs berichten durfte: den Staat. Es war im Prinzip lehrreich zu sehen, wie ein Land in trauter Einigkeit auf eine Oppositionspartei hinhaut, nur weil die endlich gemäß ihren eigenen Grundsätzen handelt. Es war auch die logische Abkehr der Döblinger-Regiments, Pink-Wähler und aller anderen, die unter "liberal" vor allem geringere Körperschaftssteuern verstehen. Darf man die NEOS kritisieren? Natürlich, wegen hunderten Dingen. Darf man sie völlig ablehnen? Auch. Darf man sie neoliberal nennen, obwohl sie das vermutlich gar nicht sind? Bestimmt. Möglicherweise gehen sie nun den Weg des Liberalen Forums, möglicherweise rücken sie auch weiter Richtung ÖVP, wenn das Chi verbraucht ist und nicht mehr alles nach Kastanien duftet. Dennoch freue ich mich am Ende dieses Jahres auf Zeiten, wo ein Parteichef ein Interview etwa zum Thema "Alkohol am Steuer" gibt und die erste Frage lautet: "Haben Sie schon mal ein Bier getrunken?"
HYFUDRU (Hypo, Freiheitliche und die Russen)
Seit 2008 will uns die LÜPRE (Lügenpresse) glauben machen, dass es einfach nur ein "Autounfall" war. Dabei weiß jeder, dass "er" das Spiel durchschaut hat und deshalb "weg musste". Er hat es ja auch lange genug selbst gespielt. Wenn man sich das lange genug selbst erzählt, glaubt man am Ende vielleicht auch, dass die weit über zwanzig Milliarden Kärntner Landeshaftungen eigentlich gar kein Problem waren. Und dass rot, schwarz und blau-orange gleichermaßen Schuld am "größten Systemversagen der zweiten Republik" tragen. (Wiewohl die Griss-Kommission ja bestätigt, dass natürlich auch die Hypo-Verstaatlichung 2009 an Dilettantismus kaum zu überbieten war. Ob es allerdings auch kriminell war, das muss nun der Ausschuss klären.)
APA/Barbara Gindl
Dann glaubt man allerdings aber wohl auch, dass die Homolobby die EU fest im Griff hat, die Grünen maßgeblich die Islamisierung des Abendlandes vorantreiben und in Wirklichkeit wahlweise Geldsystem oder Chemtrails uns alle in die Sklaverei führen. Perfide stimmt auch der Regierungsfunk, mein Arbeitgeber, in diesen Unterdrücker-Chor ein, indem er mit Conchita unsere Werte zerstört. Einer, der das alles schon immer gewusst hat, ist übrigens der Russe Alexander Dugin - der mit der eurasischen Union ein Gegengewicht zur "zionistisch-homosexuellen EUSA" sein will. Und deswegen von der FPÖ sicherheitshalber schon vor Jahren zum Akademikerball eingeladen wurde. Für alle, die nur der objekt-antiwestlichen Berichterstattung von HC´s Facebookseite oder RT glauben, könnte auch der nächste Punkt interessant sein:
PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes)
Jesus war ein blonder Mitteleuropäer und wir haben Angst. Alles andere zu der immer größer werdenden Gruppe, die "es" durchschaut hat und sich auch gerne auf anderen obskuren Veranstaltungen herumtreibt, haben ohnehin schon Kollege Khamis, Kollegin Rösinger oder die Heute-Show gesagt. Die Hobbits wollen das Auenland halt für sich haben.
UDRIGRÜ? (Und der Rest, inklusive Grüne?)
Während Panic at the Löwelstraße herrscht, sich die ÖVP häutet, die NEOS in der harten Realität ankommen und die Freiheitlichen weiter auf "Erfolg durch zuwarten und überspitzen" setzen, scheint 2014 für die Grünen ein gutes Jahr gewesen zu sein. Ja, man könnte anmerken, dass auch in ihrem Dunstkreis Praktikanten ihren Idealismus unter Beweis stellen müssen oder die bravoeseke "Eva"-Wahlbroschüre an Peinlichkeit kaum zu überbieten war - aber wir wollen ja nicht mitten in eine Phase der Selbsreflexion platzen. "Ich bin mir heuer selbst auf die Nerven gegangen", meinte etwa die beliebte Wiener Grünen-Chefin bereits zu Jahresbeginn. Und irgendwie ist das auch passendste Zitat um dieses Politjahr zu beenden. Eventuell gibt es ja schon 2025 eine doppelte Buchhaltung in allen Bundesländern, mit Swaps spekulieren geht ja auch schon. Prosit Neujahr!