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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

10. 12. 2014 - 17:33

Elektronische Authentizität

Flirrende Beats, knisternde Synthies und jede Menge schrille Farben. Neue Musivideos aus Österreich von Mauracher, Gods, Crazy Bitch In A Cave und Laokoongruppe.

2014 neigt sich dem Ende zu. Es war ein Jahr, in dem die heimische Szene vielleicht mehr denn je durch ihre Musikvideos aufgefallen ist. Mir fällt da zum Beispiel gleich das Olympique-Phänomen ein, die mit ihrem Video zu "No Estate To Remind" dieses Jahr wohl den Vogel abgeschossen haben: Die mediale Wahrnehmung nach Veröffentlichung dieses filmzitierenenden Filmchens war unglaublich. Was wieder einmal zeigt, dass mit den derzeitigen Verbreitungsmöglichkeiten im Netz ein gutes Musikvideo vielleicht mehr leisten kann, als das übliche Label-Presse-Bemusterung-Berichterstattung-Prozedere.

Bevor wir uns den besinnlichen Klängen und Videos der Vorweihnachtszeit widmen, sind hier noch die Musikvideos vorgestellt, die eher die Party- und Tanzlaune befeuern. Schließlich brauchen viele Motivationsstoff, um den Weihnachtsfeiermarathon durchzuhalten.

Mauracher & Sonia Sawoff - "Sunbound"

Hubert Mauracher ist nicht nur Schlagzeuger und Produzent, sondern auch ein unermüdlicher Arbeiter im Zeichen des guten Sounds. Nachdem er in letzter Zeit oft für andere MusikerInnen aus Österreich hinter dem Mischpult gesessen ist, hat er wieder die Zeit gefunden, an neuem, eigenen Material zu tüfteln.

Der erste Vorbote für ein neues Mauracher-Album ist die Single "Sunbound". Soundmäßig ist es eine klare Weiterentwicklung von "Let's Communicate", das dem angezerrten Synthie-Sound viel Aufmerksamkeit geschenkt hat. In "Sunbound" taucht jedoch ein anderes, wundervolles Element auf, das dem Song zu einem überwältigenden grande finale verhilft: atmosphäisch epische Klänge von Orgeln und Bläsern mit darüber schwebenden Gesangsparts, die sofort ins Ohr gehen. Das Video bedient sich nicht vielen Stil- und Bildelementen. Schöne Aufnahmen von Quallen werden mit Detailaufnahmen von Sonia Sawoff gegengeschnitten. Viel mehr braucht es nicht, um dem Song eine ganz eigenwillige, visuelle Stimmung zu geben. "Sunbound" ist für mich auf alle Fälle der beste Mauracher-Track seit Langem.

Gods - "Unnatural"

Neue Musikprojekte haben ein ganz großes Potential, nämlich das bisherige Schaffen ein bisschen beiseite zu legen, hinter sich zu lassen und zu neuen Klangufern aufzubrechen. Deshalb sei hier nur am Rande erwähnt, dass bei GODS, einem Musikerkollektiv das seinen Sitz in Berlin und London hat, auch der Tiroler Benshi Zombori alias Bensh alias $aint mitwirkt. Knackige Beats, herrliche Synthie-Klänge und eingängige Popmelodien sind das Markenzeichen von "Unnatural", der ersten Single des Debütalbums der GODS, das im Februar auf Wohnzimmer Records erscheinen wird.

Visuell hat die Berliner Grafikschmiede La Loma auf den Stil und die Farben der 1980er gesetzt. Sehr schön werden die Bilder immer wieder verfremdet, was gut zu dem thematischen Inhalt der Nummer passt, der Entfremdung von der Gegenwart. "Unnatural" macht Lust auf mehr und lässt vermuten, das wohl das ganze Album richtig fett klingen wird.

Crazy Bitch In A Cave - "Rear View Mirror"

Eher in die Nähe der 1990er kann man stilistisch das Video zu "Rear View Mirror" von Crazy Bitch In A Cave ansiedeln. Allein schon die erste Einstellung, in der man lediglich eine rosarote Sonnenbrille unter massiven Augenbrauen sieht, in der sich eine vorbeiziehende nächtliche Stadt spiegelt, nimmt schon gefangen.

Der Song wurde letztes Jahr im November als 7'' veröffentlicht und passt hervorragend in die winterliche Zeit, in der man vor dem anstehenden Jahreswechsel noch einmal zurückblickt und resümiert. Passend dazu ist das Thema "Rear View Mirror" im Video umgesetzt. Manchmal ist es Sänger und Songschreiber Crazy Bitch In A Cave selbst, auf dessen Gesicht das Licht des Rückspiegels fällt, machmal scheinen es innere Erinnerungs- und Rückschaubilder zu sein, die sich mit funkelnden Feuerwerksbildern mischen und eine zelebrierende Atmosphäre entstehen lassen.

Laokoongruppe - "Nach den Authentizitätskriegen"

Knalligbunter, knarziger Krach, Kreischsägenalarm!, so wurde das neue Album der großartigen Laokoongruppe angekündigt, das im November erschienen ist. Es trägt den schönen Titel "Blonde Mädchen Macht und Masse" und schickt als erste Single einen ebenso schön betitelten Song ins rennen. "Nach den Authentizitätskriegen" ist ein herrlich schräges, wundervoll anderes Musikstück, das - wie von der Laokoongruppe nicht anders zu erwarten - uns dazu animiert, mit gedanklichen Gesellschaftsströmungen zu brechen.

So wehrt man sich gegen die Auffassung, man müsse allem und jedem in jeder Minute seines Lebens den Authentizitätsstempel aufdrücken. Dabei kann es herrlich befreiend sein, einmal "unauthentisch" durchs Leben zu wachsen. Egal, ob die Kleider, die man sich anzieht nun passen oder nicht, wir alle tanzen doch irgendwie auf den Müllhalden unserer Zeit, die wir scheinbar mit Freude und Genuss immer höher auftürmen. Irgendwie ist "Nach den Authentizitätskriegen" eine kleine Hommage ans Anders-Sein. Und auch ans Lügen und Betrügen.