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Petra Erdmann

Im Kino und auf Filmfestivals

16. 11. 2014 - 12:42

FM4 Filmgeschichten mit Jessica Hausner

Die Regisseurin über die Leichtigkeit eines Doppelselbstmords und die Faust in ihrer Tasche.

Regisseurin Jessica Hausner

Gianmaria Gava / Coop99 / Stadtkino Filmverleih

FM4 Filmgeschichten
Petra Erdmann im Gespräch mit Jessica Hausner. Am Sonntag, den 16.11. in FM4 Connected (13-17h)

Produktion: Rudi Ortner

Seit Ende der 90er Jahre zählt Jessica Hausner zu Österreichs international erfolgreichsten Autorenfilmemacherinnen. Ihr Pilgerdrama "Lourdes" (2009) war im Wettbewerb der Filmfestspiele in Venedig vertreten, wo sie heuer als Mitglied der Internationalen Jury den Goldenen Löwen mitbestimmt hat. Die Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin (COOP99) ist zu Gast bei FM4 Filmgeschichten.

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Beim wohl renommiertesten Filmfestival der Welt, in Cannes, hatte Hausner mit ihrem Spielfilmdebüt "Lovely Rita" über eine trotzige Pubertierende schon 2001 Aufmerksamkeit erregt. Ihr stiller Psycho-Thriller "Hotel" war 2004 zu Gast in Cannes. Heuer feierte dort ihre aktuelle Produktion ihre Weltpremiere, und in Wien war "Amour Fou" der Viennale-Eröffnungsfilm.

Im Jahr 1811 versucht der Dichter Heinrich von Kleist mehrere Cousinen zum Sterben zu überreden. Mit seiner klaren Sprache geht eine beklemmende Unbeholfenheit einher. Seine Gefühle in der Übergangszeit von der Epoche der Romantik zur Aufklärung in adeligen Kreisen salonfähig auszudrücken hat was anrüchiges, das Setting wirkt nicht verstaubt - eher seltsam ironisch, fast heutig. Zumindest in Jessica Hausners tragisch-komischem Historienfilm "Amour Fou". Inspiriert vom Doppelselbstmord des Dichters Heinrich von Kleist und seiner Gefährtin Henriette Vogel ergründet die Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin, was man bereit ist, aus Liebe oder besser Egoismus zu tun.

Jessica Hausner bei den Dreharbeiten am Set

Stadtkino Filmverleih

In Hausners Kostümfilm gackern keine Hühner am Wegesrand. Der Herrenrock setzt seinem Hauptdarsteller Christian Friedel einen zarten Buckel auf. "Amour Fou" bürstet Leinwandklischees einer romantisierenden Vergangenheit gegen den Strich. "Es ist erstaunlich, wie die Leute heutzutage im Kino eingelullt und belogen werden wollen", wundert sich Jessica Hausner in unserem Gespräch. Sie ist keine Romantikerin, nicht im Film und nicht im Leben. Sie verabscheut die Idee, auf der Leinwand ließe sich eine wirkliche Wirklichkeit abbilden. In der konstruierten Realität mit Hang zur Künstlichkeit findet Jessica Hausner eine präzise Anti-These zum klassischen Genrekino. Das ist ihr Wille zum besonderen Stil. Weibliche Filmemacherinnen mit eigenwilliger Filmsprache haben sie beeinflusst, während sie an der Wiener Filmakademie studiert hat, aber auch später:

1. Experimentalfilme von Maya Deren wie "Meshes of the Afternoon" (1943)

2. Jane Campion und ihre visuelle Komposition in "Sweetie" (1989)

3. Lucrecia Martel und La mujer sin cabeza a.k.a The headless woman (2008)

Jessica Hausners Filme sind bei Hoanzl auf DVD erschienen. Ihr aktueller Film "Amour Fou" läuft derzeit im Kino.

Ob die Teenagerin in "Lovely Rita" (2001), die Rezeptionistin in "Hotel" (2004) oder die Rollstuhlfahrerin in "Lourdes"(2009) - Frauenfiguren mit Außenseiter-Potential übernehmen die Hauptrollen in Hausners Drehbüchern und haben auch mit der Autorin selbst zu tun. Und wenn Jessica Hausner in FM4 Filmgeschichten lacht, energisch und leidenschaftlich über ihre Arbeit und Persönlichkeit spricht, bestätigt sich ihr Statement:

"Meine Frauenfigur haben Ähnlichkeit mit mir. Sie wirken brav und scheu wie Rehleins, wie ich ja vielleicht auch scheine. Sie haben aber die Faust in der Tasche, so wie ich, und dann ist man plötzlich erschrocken über ihre und meine Radikalität."