Erstellt am: 1. 11. 2014 - 14:16 Uhr
Klaus Beyer-Werkschau
Aus dem Leben der Lo-Fi Boheme
Geschichten aus der deutschen Hauptstadt von Christiane Rösinger
In Berlin laufen die Feierlichkeiten zum 25. Mauerfall-Jubiläum auf Hochtouren. Radio und Fernsehen kramen sämtliche Dokumentationen hervor, selbst in den Einkaufszentren wird man von den immer gleichen großformatigen Fotos (Menschenmassen in stonewashed Jeans an Grenzübergängen) verfolgt. Ausführlich wird auch des alten Westberlins gedacht, welches ja am 9. November 1989 völlig überraschend sein Ende fand. Die Westberliner Subkultur zumindest lebte am letzten Wochenende im Kreuzberger Regenbogenkino wieder auf: Vom 24. bis zum 27. Oktober feierte man den Berliner Sänger, Übersetzer und Filmemacher - manche sagen auch Art-Brut-Künstler - Klaus Beyer. Aktueller Anlass ist eine neue CD mit Eigenkompositionen - eine große Retrospektive des Kreuzberger Universalgenies war eh längst fällig.
Klaus Beyer
Vor mehr als vierzig Jahren entdeckte der Berliner Kerzenwachszieher Klaus Beyer in der Radiosendung "Schlager der Woche" seine Liebe zu den Beatles. Leider konnte seine Mutter, der englischen Sprache nicht mächtig, die Songs nicht verstehen. Diese Notsituation setzte Beyers unermessliche Kreativität frei. Er griff zum Wörterbuch und übertrug die Texte Wort für Wort ins Deutsche. Aus "Please Please Me" wurde "Gefall mir", aus "Norwegian Wood" wurde "Alles war aus Holz". "Blackbird" wurde zur "Amsel" und ging so:
"Amsel singt, die Nacht ist totenstill / hebt die Augen hoch und lernt zu sehen - wenn sie will."
Doch Beyer wollte die Lieder nicht nur übersetzen, sondern auch interpretieren. Mit einer antiken Bandmaschine schnitt er die Instrumentalstellen der Beatles-Songs zusammen und kopierte sie so oft hintereinander, bis die Originallänge des Stückes erreicht war. So konnte er seine neuen Texte zur alten Beatles-Musik singen. Als er 1985 mittels dieser ausgeklügelten Technik seine Lieder der Öffentlichkeit vorstellte, war die Legende vom "fünften Beatle" geboren.
Seine liebevollen Übersetzungen ließen die altbekannten Songs in neuem Licht erstrahlen. In "Lass es sein", "Ich hab Gefühle" oder "Hauptmann Pfeffers einsamer Herzenclub" wurde ihnen eine neue philosophische Dimension gegeben. Aber noch ein anderes Medium hatte es Beyer angetan. Sein Vater hatte ihm eine Super-8-Kamera geschenkt, mit der er zunächst stumme Sketche vor der elterlichen Blumentapete drehte.
Bald schon aber stellte er sich größeren Herausforderungen. Sämtliche Beatles-Alben wollten verfilmt werden. Bei den Dreharbeiten zu "Come together now" versammelte er die ganze Familie um den Kaffeetisch. Stoisch versuchten alle immer wieder die Worte "Alle zusammen" synchron in die laufende Kamera zu sprechen. Seine Filme und Auftritte brachten Klaus Beyer bald die Prominenz einer Kultfigur ein. Die Titel seiner Eigenkompositionen "Fleckenstift Eukrasit", "Kreuzberger Frauen sind lang" oder die "Ballade von Struppie", halten was sie versprechen und stehen den Beatles-Songs an Originalität in nichts nach.
Das Filmen, Singen und Auftreten ist ihm seit jener Zeit eine Herzensangelegenheit, aber nicht alle Menschen vermögen seine künstlerische Unbedarftheit und die naive Umsetzung der Ideen zu würdigen. Wenn ein comedy-geschädigtes Publikum an den falschen Stellen zu laut lacht, kann das den liebenswürdigen Entertainer und den mitfühlenden Zuhörer verunsichern. Aber spätestens beim endlosen Refrain vom "gelben Unterwasserboot" sind alle glücklich und singen mit.
Klaus Beyer hat immer viele echte Fans und Unterstützer um sich, so auch den ehemaligen Mutter-Gitarristen und Filmemacher Frank Behnke. Dieser gründete mit anderen den Klaus-Beyer-Fan-Club im Jahre 1994. Der Fanclub brachte Struktur in die künstlerische Arbeit des Universalgenies Beyer. Der Club organisierte Konzerte und bewarb sich mit neuen Filmen bei internationalen Festivals, durchaus mit Erfolg.
Die Neunziger Jahre brachten einen Karriereschub - Klaus Beyer trat als Vorband von Daniel Johnston in der Berliner Volksbühne auf, wurde von Christoph Schlingensief gesehen, entdeckt und war fortan in dessen Ensemble. So hat es der Berliner Beatle sogar mit einer Minirolle im "Parsifal" auf die Bayreuther Opernbühne geschafft und ist mit Schlingensiefs Operndorf-Truppe nach Afrika gereist. Klaus Beyers Kurzfilme liefen auf der Documenta und viele Berliner Musiker und Bands unterstützen ihn bei seinen Auftritten. Schlingensiefs Lieblingslied "Die Glatze" wurde sogar ein kleiner MTV-Hit, sein "2000 Jahre Weihnachten" zu einem modernen Weihnachtsklassiker.
Inzwischen ist der Künstler nach Berlin-Lichtenrade, einem arg unspektakulären Berliner Außenbezirk gezogen, aber zur Werkschau kam er in seine alte Heimat Kreuzberg zurück. Sein bisheriges Lebenswerk, die Übersetzung, Vertonung und Verfilmung sämtlicher Beatles-Alben ist abgeschlossen. Aber die Kreativität sucht sich immer wieder neue Wege und Projekte, und so wurde unter dem Titel "Unvergessliche Jahre" am Freitag seine neue CD mit Eigenkompositionen vorgestellt.