Erstellt am: 14. 10. 2014 - 18:27 Uhr
Viennale 2014: Sex! Action! Straub-Huillet!
Die Viennale auf FM4
Vom 23. Oktober bis zum 6. November. Mit dem Viennale-Tagebuch von Sophie Strohmeier, Filmrezensionen und Reviews der wichtigsten Veranstaltungen und Partys.
Die Viennale, immer noch Österreichs größtes Filmfestival, hat sich diesmal eine symbolische Flamme als grafisches Icon verordnet. Direktor Hans Hurch ist heuer zum 18ten mal für die Filmauswahl verantwortlich und wird es noch bis 2016 sein. Er wird mit dem Satz zitiert: „Kino ist etwas, das brennen soll.“ Das klingt nach dem etwas abgestandenem Pop-Radikalismus der 80er Jahre. Die etwas unglückliche Metapher drückt in ihrer gewollten Markigkeit aber ungewollt genau die Unsicherheit über die Zukunft des Kinos als kollektiven Ort des Filmschauens aus, über die auch das opulente Filmprogramm der heurigen Viennale nicht hinwegtäuschen kann. TV-Serien, Streamingdienste und Kinosterben werden durch das Pathos der Katalogtexte einfach überblendet. So bleibt der Festivaldampfer für seine rund zwei Wochen Laufzeit eine Wunschvorstellung, eine Utopie von dem, was Kino sein könnte oder vielleicht einmal war. Die Viennale ist jedenfalls aber Ausnahmezustand für alle, die sich noch darauf einlassen können oder wollen, ihre Aufmerksamkeit und einen konzentrierten Blick für ein, zwei Stunden auf die Leinwand zu richten.
Viennale
Die Eckpunkte
Im Prinzip bleibt alles beim alten: Das alte Stadtkino am Schwarzenbergplatz ist zwar als Viennale-Standort endgültig Geschichte, dafür hat das frischrenovierte Metrokino einen zusätzlichen (kleinen) Saal bekommen. Gartenbau, Stadtkino im Künstlerhaus, Urania und Filmmuseum bilden die Hauptschauplätze. Die Festivalzentrale in der alten Post auf der Dominikanerbastei ist die Location für alle Arten von Partys und Panels bei freiem Eintritt.
FM4 Viennale Party am 25.10. in der Viennale Zentrale,
Alte Post, Dominikanerbastei 10
mit Konea Ra (live) und Makossa/Megablast und Sebastian Schlachter
Der Kartenvorverkauf beginnt am Samstag, 18. Oktober, und je früher man da dran ist, desto sicherer sind einem auch die Tickets für die „Viennale-Blockbuster“ (einem ganz eigenen Filmgenre, das noch zu untersuchen wäre). Hier sind ein paar subjektiv ausgewählte Perlen, das meiste davon nur vom Hörensagen, Kataloglesen und Trailerschauen für empfehlenswert empfunden und also ohne Garantie weitergesagt. Aber ein Viennale ohne „turkey“ wär keine echte Viennale. Die großangelegte John Ford-Retrospektive überlasse ich gerne den Westernfreunden und muss extra gewürdigt werden. Ebenso die unzähligen Tributes (Harun Farocki), Kurzfilme und Special-Sub-Reihen.
Sound and Vision
Auch wenn sich mit der Poolinale ein schönes, kleines Musikfilmfestival fast schon etabliert hat, haut die Viennale heuer musikdokumentations-technisch ganz schön rein. Gleich zwei Filme haben mit der großen Band Pulp und dem großen Jarvis Cocker zu tun, und schon der Trailer verspricht viel: „Pulp: A Film About Life, Death & Supermarkets“ scheint mehr zu sein als ein Konzertfilm.
Dass Jarvis Cocker auch selbst Filme machen kann, hat er im kürzeren Popvideoformat schon öfter bewiesen. Mit „The Big Melt“, einem Essayfilm über die alte Industrie- und Heimatstadt Sheffield, zusammengeschnitten aus Werbe- und Super8-Filmen, hat die Viennale auch seine Regiearbeit ins Programm genommen. Ein herrliches Doublefeature für Freunde britischer Querköpfe!
Außerdem: „Biophilia“, Björks ausuferndes klingendes Naturkundemuseum, findet den Weg auf die große Leinwand. Wenn das nur halb so gut ist, wie die Beschreibungen der Biophelia-Liveshows, reicht mir das auch. Mehr als eine herkömmliche Musiker-Film-Dokumentation, wo ein paar Talking Heads über die Wichtigkeit des zu portätierenden berichten, scheint auch der Nick Cave-Film „20.000 Days on Earth“ zu sein. Mit Kylie! Minogue!
Für Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger und alle, die das Schlagzeugsolo lieben, sollte „Whiplash“ eine helle Freude sein. Das Erlernen des Instruments als Rocky-hafte Sportballade? Warum eigentlich nicht, und es spielt auch noch jemand aus Glee mit. Ich bin dabei.
Frank heißt eine der merkwürdigsten Hauptfiguren dieser Viennale. Im gleichnamigen Film des irischen Regisseurs Lenny Abrahamson verkörpert Michael Fassbender einen Mann, der stets eine groteske Maske trägt und Indie-Musiker ist. In den Youtube-Comments zum fantastischen Trailer steht folgender Eintrag: „It's funny, it's sad, it really is very good“. Die Geschichte beruht übrigens auf der verstorbenen britischen Punk-Comedy-Ikone Frank Sidebottom.
Queere Identitäten
Queer- und Transidentitäten sind als Stoff für Spiel- und Dokumentartfilme schon längst aus dem vermeintlichen Ghetto der Special-Interest-Festivals herausgetreten. Der Trailer für den australischen Spielfilm „52 Tuesdays“ sieht jedenfalls nach großem Teenagermelodram aus, in dem die Transformation der Mutter zum Vater (?) das Leben der 16jährigen Tochter Billie durcheinanderbringt. Der Film wurde tatsächlich an 52 Dienstagen mit einem Laienensemble gedreht.
In „Love is Strange“ von Ira Sachs darf ein älteres schwules Paar heiraten und vor allem der Mittelpunkt einer dieser amerikanischen Familien-Dramedys sein, die mich, wenn sie gut gemacht sind, immer noch rühren können. Das zentrale Paar wird noch dazu von „Hinterm Mond gleich links“-Lithgow und Alfred Molina gespielt. Klingt ein bisschen nach „Modern Family“ im Kinoformat und schwuler Senioren-Comedy.
Irritierend nett heißt auch der neue Film der ehemaligen Underground-Queerfilmerin Monika Treut. Sie widmet sich in ihrem Film „Von Mädchen und Pferden“ genau diesen beiden Dingen, samt lesbischer Liebegeschichte. Das sieht im Trailer genauso niedlich aus, wie es der der Titel vermuten lässt. Früher hießen Treuts Filme noch „Gendernauts“ oder „Die Jungfrauenmaschine“. Jetzt also Ferien am Ponyhof.
Ein interessantes Doppelpack widmet sich einem spektakulären Kriminalfall der frühen Siebziger Jahre in New York. „Dog Day Afternoon“ heißt ein legendärer Spielfilm von Sidney Lumet, in dem ein junger Al Pacino einen Bankraub begeht, um seinem Liebhaber eine Geschlechtsumwandlung zu bezahlen. Mit der Dokumentation „The Dog“ geht Regisseurin Allison Berg den Lebensgeschichten der echten Protagonisten dieser bizarren Chronik-Meldung nach. Ein Blick in die frühen 70er Jahre in New York, „a time of crazy characters and sexual liberation“.
Endlich: Der Herr der Ringe bei der Viennale!
Die Viennale unter Hans Hurch war ja noch nie besonders berühmt für die Berücksichtigung von Horror, Science Fiction oder Fantasy. Dafür gibt es ja gottseidank mittlerweile das /slash Filmfestival. Aber die eine oder andere Perle des abseitigen, verschatteten Films findet sich dann doch immer wieder im Programm. Etwa der neue Film des japanischen Viel-Drehers und Kinoextremisten Takashi Miike („Audition“, „Ichi, the Killer“), der sich mit dem Film „Kuime (Over Your Dead Body)“ seit längererm wieder dem Geisterfilm nähert. Das sollte blutig werden.
Ein schwarz-weißes Dreck-, Schlamm- und Mittelalter-Setting, allerdings auf einem anderen Planenten, verspricht der russische Film „Hard to be a God“. Glaubt man dem Internet, was man nie tun sollte, ist das eine Art russisches „Game of Thrones“ - nur noch viel schmutziger.
Mit „Burying the Ex“ kommt auch der neueste Film von Joe „Gremlins” Dante zu Viennale-Ehren. Traurig, dass dieser große Mann des Genrefilms seine Rom-Zomb nur mittels Kickstarterbettelbrief fertigstellen konnte. Der Mann ist jedenfalls ein sehr netter und äußert interessierter Gesprächspartner. Man kann nur hoffen, dass er nach seinem letztjährigen Wien-Besuch wieder Lust auf ein Schnitzel hat.
Stichwort Fantasy: Hey, auf der Viennale läuft Herr der Ringe, in echt jetzt! Allerdings nur der erste Teil „Die Gefährten“. Grund dafür ist Stargast - kommt er wirklich? - Viggo Mortensen, dem eine feine kleine Reihe von Filmen gewidmet ist.
Eine Art Meta-Comicverfilmung mit Starbesetzung hat Alejandro González Iñárritu mit Birdman vorgelegt. Michael Keaton als alternder Darsteller des Superhelden „Birdman“ und eine große Identitätskrise, der Eröffnungsfilm aus Venedig, hat dort bei den Kritikern großen Anklang gefunden. Mit Michael Keaton, Zach Galifianakis, Edward Norton und Naomi Watts.
… und noch mehr Filme
Der Eröffnungsfilm der diesjährigen Viennale kommt, oh Wunder, aus Österreich und Jessica Hausner hat ihn gedreht. „Amour Fou“ ist ein waschechter Kostümfilm, kein Wunder, geht es doch um einen Suizidpakt des Dichters Heinrich von Kleist. Viennale-Stammgäste wie Woody Allen, Olivier Assayas oder Christian Petzold stellen ihre jeweils neuesten Filme mehr oder weniger persönlich vor. Und mit der amerikanischen Komödie „Listen Up Philipp“ mit Jason „Bored to Death“ Schwartzman und Elisabeth „Peggy von Mad Men“ Moss ist auch was für Fernseh-Serienjunkies dabei. Und der Trailer sieht für alle, die mit Wes Anderson und/oder Woody Allen ein bisschen was anfangen können, fantastisch aus.
Stichwort Fernsehen: mit Olive Kitteridge hat es eine waschechte HBO Mini-Serie ins Viennale-Kino geschafft. Frances McDormand spielt die Hauptrolle im Vierteiler über eine amerikanische Kleinstadt. Über die europäische Fernsehserie „Lil‘ QuinQuin“ - ein Arte-TV-Vierteiler mit „Morden und Rotzbuben“ - schreibt der Viennale-Pocketguide bizarrerweise „reines entfesseltes Kino". Die Viennale war auch schon dogmatischer.
Viennale-Tickets
Der Vorverkauf der Viennale startet am Samstag früh, den 18. Oktober, in den diversten Vorverkaufsstellen. Alle Programmdetails und die Beginnzeiten der Filme auf viennale.at.