Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""Ich muss dringend meinen Agenten wechseln." "

Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

22. 9. 2014 - 21:00

"Ich muss dringend meinen Agenten wechseln."

Paul Klambauer gewinnt mit "Homo Homini Zombie" den dritten Platz bei Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.

Wortlaut

Der FM4 Kurzgeschichten-Wettbewerb.
Thema: "Haarig"

Die GewinnerInnen und ihre Texte werden in der FM4 Homebase (19-22h) gewürdigt und vorgestellt:

Steinmaßl hat ein brillantes Autorenfoto. Er trägt große Kopfhörer um den Hals und schaut ernst und interessiert hinter die Kamera, als ob er dort etwas sehr welthaltiges beobachten würde. Die verschwommenen Passanten und der nasse Rinnstein im Bildhintergrund verweisen dezent darauf, dass er sich in einer ärmlichen, aber pulsierenden Metropole befindet.
Ich muss dringend meinen Agenten wechseln. Der Versager hat mir ein Autorenportrait mit Apfelbaum im Hintergrund nahegelegt, weil provinzielle Themen angeblich wieder hoch im Kurs stehen. Ich stehe also vor diesem Apfelbaum und versuche kernig dreinzusehen, während Steinmaßl auf alle Regeln pfeift und frech und urban drauflosbeobachtet.

portrait paul klambauer

Corina Lueger

"Das Autorenfoto ist das um und auf", erklärt Paul Klambauer lachend. "Das Allerentscheidendste ist ein gutes Autorenfoto."

In Hildesheim, wo Paul Klambauer schreiben studierte, gab es sogar eigens ein Seminar für das richtige Autorenfoto.

Mit schwarzem T-Shirt und ernstem Blick kann man wenig falsch machen ... (siehe rechts)

Paul Klambauer hat das Schreiben quasi von Grund auf gelernt. Geboren 1986 in Linz, aufgewachsen in Freistadt studiert er in Wien und Barcelona Anglistik. Während des Studiums schreibt er hobbymäßig und macht bei diversen Poetry Slams mit. Irgendwann will er es wissen und bewirbt sich in Hildesheim. Dort studiert er nicht nur Schreiben, sondern unterrichtet mittlerweile Kreatives Schreiben und forscht für seine Dissertation über "die Entwicklung von literarischem Bewusstsein bei Schreibanfängern".

Von Schreibanfängern handelt auch seine Kurzgeschichte "Homo Hominie Zombie". Naja, Anfänger sind drei Nachwuchsautoren, die sich im Fitnesscenter treffen, nicht mehr wirklich, aber auf den großen Erfolg warten sie noch. Insofern sind sie gleichsam eifersüchtig wie neidisch auf gewonnene Stipendien, Wettbewerbe und Arbeiten.

Der dritte Platz bekommt:

  • Euro 500 (Zur Verfügung gestellt von Paperblanks.)
  • Veröffentlichung im Wortlaut-Buch, das im Herbst im Luftschacht Verlag erscheinen wird
  • DER STANDARD Goodie Bag
  • Ein Jahresabo der Literaturzeitung Volltext
  • FM4 Goodies der Saison
  • Ein Notizbuch von Paperblanks
logo paperblanks

Alle drei Preisgelder werden von Paperblanks zur Verfügung gestellt.

"Ich schwöre Dir, wenn ich noch ein Gedicht ertragen muss, in dem irgendein Lasse oder Jens seine Fingerkuppen über Borke gleiten lässt, raste ich aus", schnaubt Baselitz auf dem Laufband neben mir, "beim nächsten Mal springe ich auf die Lesebühne hoch und stopf’ dem das Manuskript in sein dämliches Maul rein!"
Baselitz schwitzt und stampft wie eine Dampflok, rote Flecken blühen auf seinem Hals und seinem Gesicht.
"Und wie diese Typen immer vorlesen. Als wären sie in der Kirche", sagt er bitter und macht dann ziemlich gekonnt einen jungen Kerl nach, der gestern Abend im Literaturcafé seinen neuen Gedichtband Wolkentier vorgestellt hat.
"Wir sind Jahrmarktspferde in einer/
Taucheruhr Spritzwasser/
Fest reicht für/
uns nicht Meer nicht/
Sommerdunst auf Kinderbrillen ..."
Baselitz kann sich das so gut merken, weil er früher selbst Lyrik gemacht hat und sogar einige Stipendien damit abräumte. Dann war er immer fetter geworden, und sein Literaturagent hatte ihn fallen gelassen. Seither versucht er sich neu auf dem Markt zu positionieren, als Mann von der Straße, der Sprüche klopft und die Gesellschaft von unten beschreibt. Ich trainiere gerne mit ihm, weil er dicker und dümmer ist als ich. In seiner Gegenwart kann ich mich normalerweise entspannen.
Heute nicht. Heute laufe ich im vollen Bewusstsein, dass Steinmaßl irgendwo in der Nähe sein Aufwärmprogramm absolviert und mich dabei beobachtet. Seitdem ich mich bei der Bewerbung um den Linzer Stadtschreiber gegen ihn durchgesetzt habe, ist er nicht gut auf mich zu sprechen.

Die Jury

Irene Diwiak (Gewinnerin von Wortlaut 2013)
Jens Friebe (Musiker und Musikjournalist)
Gerhard Haderer (Karikaturist und Zeichner)
Eva Menasse (Schriftstellerin)
David Wagner (Schriftsteller)

Die Jury fand großen Gefallen, lachte mehrfach, kritisierte aber auch, dass sich der Text etwas auf das Siegertreppchen reingetrickst habe, weil er Wettbewerbe und die Literaturszene zum Thema hat. Das sei aber sehr gekonnt, amüsant und vor allem gut beobachtet.

Denn worüber schreibt ein Schriftsteller, der einen preiswürdigen Text schreiben will?

Den Linzer Stadtschreiber zum Beispiel habe ich mit einem extrem selbstreferentiellen Text gewonnen, auch wenn ich Baselitz jetzt keine Details verraten kann, sonst klaut er mir am Ende noch was.
Darin ging es um einen jungen Autor, der auf einer Künstlerparty eine dieser Frauen trifft, die sich an der Schläfe die Haare abrasieren. Sie sprechen über hohe Zimmerdecken, alte Fahrräder, Dünen, Tee, Urban Gardening, Analogfotografie, Guerilla Knitting und einen Film über einen Berliner Idioten, der es einfach nicht schafft, sich einen Kaffee zu besorgen. Dazu schluckt der junge Autor alles durcheinander, was die
Party an Drogen hergibt, und gerät davon auf einen fürchterlichen Horrortrip. Er flüchtet aus der Wohnung und stolpert halluzinierend durch Wien. Die Häuser sind in bunten Farben eingestrickt, die Straßen verwandeln sich in reißende Flüsse aus Wolle, in jedem Fenster sitzen rauchende Mädchen in weißen Strumpfhosen und schnipsen ihre glühenden Kippen nach ihm. Bald steht der ganze Bezirk in Flammen.
Völlig verstört klettert der junge Autor auf eine Straßenlaterne und bleibt bis zum Morgengrauen dort oben hocken. Erst als die Sonne aufgeht und die Wirkung der Drogen endlich nachlässt, kommt er wieder runter und begreift: Ich muss dringend raus aus diesem verstrahlten Kultursumpf. Ich brauche eine Stadt, in der es um echte Dinge, echte Werte, echte Arbeit geht; eine Stadt, in der man in der Mittagspause im Blaumann seinen panierten Leberkäse isst.
Also zieht er nach … na? Genau, nach Linz. Und dort findet er sein Glück bei einem mitarbeiterfreundlichen Großkonzern, der daherkommt wie ein Familienbetrieb und, unter uns gesagt, auch einen Literaturpreis samt Stadtschreiberwohnung stiftet.

Werbung

mit freundlicher Unterstützung von
DER STANDARD

Der Standard

Alle Ähnlichkeiten in seinem Text mit reellen Personen sind zufällig, hält Paul fest.
Natürlich sei das eine zugespitzte Literatursatire, aber es gäbe in der Literatur, wie in den meisten anderen Gebieten, einen riesigen Konkurrenzkampf um die wenigen Plätze an der Sonne. Wettbewerbe und Stipendien seien natürlich wichtig.

Einen beruhigenden Tipp für Schreibanfänger hat er dennoch: Man solle nicht immer gleich versuchen den großen Prosaroman hinzuschmeißen. Sondern zuerst einfach beschreiben was einem entgegenkommt.
"Der doppelte Druck - 'ich muss mir was spannendes ausdenken und es soll stilistisch gut sein' ist gerade wenn man nicht viel Übung hat so frustrierend, dass man schnell wieder den Stift weglegt."

Auch für ihn sei das Schreiben keine leichte Übung, sondern meist ein langwieriger und frustrierender Prozess.
"Ich hab ein Notizbuch, wo ich Sachen rein kritzel, die dann aber meistens am nächsten Tag, wenn ich sie lese, völliger Unsinn sind."

Paul selbst benötigt zum Schreiben Ruhe. Am Liebsten ist er allein in der Wohnung. Kaffeehaus geht nur für Vorbereitungen. Der Musik widmet er sich allerdings in dem Projekt "Da Billi Jean is ned mei Bua".

Da Billi Jean is ned mei Bua

Alle Konzertermine
5.11.2014 - ARGE Kultur in Salzburg
6.11.2014 - Local-Bar in Wien
7.11.2014 - Kabarett Arche NOE in Kufstein

Gemeinsam mit dem Schauspieler Stefan Leonhardsberger betreibt Paul das Projekt "Da Billi Jean is ned mei Bua". Bei diesen Liederabenden hört man Popklassiker mit neuen (Ober)österreichischen Dialekttexten, die größtenteils von Paul stammen.

Live hören kann man Paul am Freitag, 26. September bei der FM4 Wortlaut Party um 20 Uhr im Phil. Dort liest er seinen Text "Homo Homini Zombie". Wir freuen uns schon!

Einladung Wortlaut

Radio FM4/Gerhard Haderer/Sabine Brauner