Erstellt am: 9. 9. 2014 - 15:19 Uhr
Aus für US-Anti-Terror-Spektakel "Urban Shield"
In Oakland (Kalifornien) ging am Montag die größte jährliche Notstandsübung der USA namens "Urban Shield" zu Ende. Diese martialisch inszenierte Übung samt Verkaufsmesse wurde von einer Welle der Kritik an der Militarisierung der US-Polizei überschattet, die seit den Krawallen in Ferguson (Missouri) unvermindert anhält.
Nach der Erschießung eines schwarzen Teenagers durch einen weißen Polizisten hatte die Polizei auf die Proteste der Bevölkerung Mitte August mit dem Auffahren von Panzerfahrzeugen reagiert. Die Folge waren schwere Krawalle in Ferguson und eine hitzige Debatte, die nun in Oakland Bürgerproteste und Demonstrationen zur Folge hatte. Am Sonntag gab die Stadtverwaltung von Oakland bekannt, dieses wie eine militärische Operation anmutende, jährliche Spektakel künftig aus der Stadt zu verbannen.

Sheriff's Office Alameda County
Paramilitärische Spezialeinheiten
Die Hauptrolle bei der "Urban Shield 2014" spielten die schwerbewaffneten SWAT-Spezialeinheiten der Polizei, die mit Panzern, Stahlhelmen, Kampfanzügen und Sturmgewehren wie Militärs aussehen und auch so agieren. Wie aus der Präsentation der Veranstalter hervorgeht, die in der Nacht auf Montag geleakt worden war, hatten allein die Sonderkommandos der Polizei dabei Regie geführt. In dieser Übung für alle Blaulichtorganisationen spielten Feuerwehren und Rettungsdienste nur kleine Nebenrollen, deren Kommandanten finden sich erst auf der vierten Ebene der Kommandostruktur.
Nachdem auch eine Ausgangsperre in Ferguson die Krawalle nicht beenden konnte, war die Nationalgarde dort aufmarschiert. Im US-Repräsentantenhaus wurde parallel dazu ein eilig verfasster Gesetzesantrag für einen "Stopp der Militarisierung der Polizei" eingebracht.
Die obersten Ebenen wurden allesamt von der Abteilung "Heimatschutz und Notstandsdienste" der Polizei von Alamada County gestellt. Wie ein bereits zum Start der Übung geleakter Ablaufplan der Polizeikräfte aus Oakland und San Francisco zeigt, wurden da fast nur Szenarien mit Terroranschlägen auf Brücken wie die Golden Gate Bridge, das U-Bahnsystem oder auf Fernzüge geübt. Auch die Inhalte der insgesamt 31 "taktischen Trainings" waren großteils militärischen Charakters, das geht schon aus dem Aufruf an Zivilisten hervor, als Freiwillige mitzuwirken.

Sheriff's Office Alameda County
"Live Action Schauplatz"
"Sie können einen Terroristen spielen, eine Geisel, Bankräuber oder das Opfer eines Bombenanschlags, um nur ein paar Rollen zu nennen, die im Vorjahr gespielt wurden", heißt es dazu auf der Website. Ebenso würden auch auf dem "Live Action Schauplatz, dem 'Emergency Operations Center', wo die 'Top Dogs' sämtliche Entscheidungen treffen" Freiwillige zur "klerikalen und logistischen Unterstützung für den Herzschlag der gesamten Übung" gebraucht.
Die offizielle Website der "Urban Shield" sowie die
die geleakte Präsentation.
Diese martialisch inszenierte Anti-Terrorshow mit 5.000 Beteiligten ist Teil eines landesweiten Programms namens "Urbane Sicherheitsinitiative" des Ministeriums für Heimatschutz (DHS), die 2003 gestartet wurde. "Urban Shield" halte sich an die Methodik des DHS-Programms, "Heimatschutzübung und Evaluation" heißt es dann auch dazu in der geleakten Präsentation.
Das DHS-Programm dahinter
Die mit jährlich 500 Millionen Dollar dotierte "Urbane Sicherheitsinitiative" betrifft insgesamt 64 urbane Hochrisikogebiete quer durch die USA. Die gesamte "Bay Area" rund um San Francisco fällt dabei mit neun anderen urbanen Räumen wie etwa Washington DC oder New York City unter die höchste Risikostufe.
Das DHS-Programm schreibt zudem als Kriterium für die Förderung vor, dass 25 Prozent der Gelder in Übungen gegen Terroranschläge fließen müssen. Diese Vorgabe wurde von der "Urban Shield" 2014 um ein Mehrfaches übertroffen, denn auch in den Szenarien der Präsentation geht es fast nur um Terroranschläge. Großunfälle in der Industrie oder Naturkatastrophen kommen dabei nur am Rande vor.
Improvisierte Sprengsätze
Die größte Übung mit den weitaus meisten Komparsen ging von einem Anschlag mit drei selbstkonstruierten Bomben auf eine militärische Zeremonie aus. Als Trainingsort wurde der sowohl zivil wie militärisch genutzte Flugplatz "Moffett Air Field" gewählt. Dieser eher unscheinbare Flughafen der NASA mit gerade zwei Rollbahnen wurde auch international bekannt, seitdem die Airliner der Geschäftsführung von Google dort stationiert sind.

Sheriff's Office Alameda County
Angenommene Gegner der Einsatzkräfte waren Angehörige einer "patriotischen Bruderschaft Bay Area", die mit improvisierten Sprengsätzen eine Feier angegriffen, ein Massaker mit mehr als 200 Opfern angerichtet und weitere Anschläge angekündigt hatten. Im Rahmen dieser Übung wurde gleich mitgetestet, wie die "Bay Area" auf eine an Opfern vergleichbare Katastrophe vorbereitet ist, wenn nämlich ein Erdbeben die Gegend verwüstet, was in dieser seismisch hochgefährdeten Zone rund um San Francisco das weitaus wahrscheinlichste Katastrophenszenario ist.
Chemische Kampfstoffe
Stattdessen standen vier weitere Großszenarien allesamt mit Bombenanschlägen auf dem Programm, geübt wurden auch radioaktive Verseuchung durch "schmutzige Bomben" oder der Sturm auf Untergrundlabors, in denen chemische oder biologische Kampfstoffe hergestellt werden.
An der Übung nahmen Vertreter von insgesamt 200 US-Polizeibehörden teil, aber auch eine Kompanie der US-Army sowie Bombenexperten der Marines. Mit mehr als 3.000 Helfern, vor allem Krankenschwestern, Sanitätern und Volontären, stellten Zivilisten die Mehrzahl der insgesamt 5.000 beteiligten Personen dar.

Sheriff's Office Alameda County
Was der Scharfschütze so braucht
Die "Vendor Show" im Marriott Hotel zeigte dazu jene Art von Ausrüstung, die von der Polizei im August tagelang auf den Straßen von Ferguson vorgeführt worden war. Ausgestellt wurden gepanzerte Mannschaftstransporter, Sturmgewehre, Maschinenpistolen und alles, was ein Scharfschütze für den Einsatz im Bürgerkrieg eben braucht.
Wie mittlerweile bei solch dubiosen Tradeshows üblich, hatte sich auch ein Reporter in die Messe schmuggeln können. Shane Bauer vom Magazin "Mother Jones" schaffte es am ersten Tag (5. 9) stundenlang über Twitter Fotos und Kommentare ins Netz zu stellen, bis er entdeckt und aus dem Messebereich geworfen wurde. Nur Journalisten von sogenannten Fachmedien waren zugelassen, damit waren Polizei- und Militärgazetten, Waffenjournale und ähnliche Publikationen gemeint.

http://en.wikipedia.org/wiki/User:Sdlewis
Vorläufige Einstellung
Ob der Rauswurf aus Oakland, wo das Spektakel samt Verkaufsmesse seit 2007 jährlich inszeniert worden war, auch das Ende dieser Veranstaltung überhaupt zur Folge haben wird, ist eher unwahrscheinlich. Mehr als ein Jahrzehnt lang wurden soviele Milliarden in diesen paramilitärischen Sektor gepumpt, dass sich ein eigener, obendrein geschützter Absatzmarkt rund um den "Heimatschutz" für Firmen aus dem Rüstungsbereich entwickelt hat. Wie bei reinen Militärprodukten sind hier die Umsätze nicht nur im Voraus gut berechenbar sondern auch staatlich garantiert, weil die Budgets dafür aus öffentlichen Geldern gespeist werden.
Das deutsche Gegenstück
Am Dienstag startete in Leipzig mit der "internationalen Fachmesse und Konferenz für BOS- und Spezialausrüstung GPEC 2014" das deutsche Pendant einer Messe für Blaulichtorganisationen. Auch diese Messe wird seit acht Jahren abgehalten und verzeichnet etwa ebensoviele Aussteller wie die "Urban Shield". Damit sind die Parallelen beider Veranstaltungen jedoch schon aufgezählt, denn gegenüber der US-Terrorshow macht die Expo in Leipzig einen vergleichsweise zivilen Eindruck.
Anders als die "Urban Shield", deren Name an die Militäroperation "Desert Shield" erinnert, die am Anfang des ersten Golfkriegs von 1991 stand, heißt die deutsche Veranstaltung schlicht "General Police Exhibition and Conference".
Unter den teilnehmenden Organisationen und Dienststellen sind neben den Einheiten der Polizei zwar auch die deutsche Bundeswehr sowie die beiden Militärgeheimdienste MAD und BND gelistet. Wie aus dem Programm hervorgeht, stehen hier jedoch herkömmliche Polizeiaufgaben und Katastrophenschutz im Zentrum der Veranstaltung, paramilitärische Anti-Terrorübungen sind nicht vorgesehen.
Katastrophenschutz in der Bay Area
Was den Katastrophenschutz in der Bay Area betrifft, so war ein Großteil der Bewohner von San Francisco nach dem verheerenden Erdbeben von 1906 über die Bucht ins benachbarte Oakland geflüchtet. In San Francisco spielten sich nach dem Beben Bürgerkriegsszenen ab, die mithin größten Zerstörungen entstanden im Anschluss an das Beben.
Vier Tage lang wüteten Brände, die völlig überforderte Feuerwehr richtete mit der Sprengung ganzer Straßenzüge, um Feuerschneisen in der Stadt schlagen, enorme Schäden an. Armee und Nationalgarde halfen schließlich aus, indem sie die Brandzentren in der Stadt mit Artillerie beschossen. Etwa 500 der mindestens 3.000 Opfer kamen weder durch das Erdbeben noch durch die Brände um. Sie wurden ohne Vorwarnung erschossen, wenn sie für Plünderer oder Brandstifter gehalten wurden.
Während im gegenüberliegenden Oakland gerade vier Tage lang die Abwehr von Terrorangriffen im Fokus des Katastrophenschutzes stand, wurden in San Francisco insgesamt zehn leichte Erdbeben registriert.