Erstellt am: 18. 8. 2014 - 12:07 Uhr
Demilitarisierung der US-Polizei gefordert
Nachdem auch die Verhängung einer Ausgangsperre am Samstag in Ferguson kein Ende der Krawalle gebracht hatte, forderte der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, am Montag die Nationalgarde an. Wie hoch die Gefahr einer weiteren Eskalation der Lage eingeschätzt wird, zeigt ein eilig verfasster Gesetzesantrag für einen "Stopp der Militarisierung der Polizei". Dieser Antrag von Abgeordneten der Demokraten wurde im US-Repräsentantenhaus eingebracht.
Trust the Police: Wie der gewaltsame Tod eines schwarzen Teenagers die Bruchstellen der amerikanischen Gesellschaft offenlegte (Christian Lehner)
Die Situation war nach der Erschießung eines unbewaffneten, schwarzen Jugendlichen durch einen Polizisten erst außer Kontrolle geraten, nachdem SWAT-Spezialeinheiten mit gepanzerten Fahrzeugen und Sturmgewehren aufgetaucht waren. Diese SWAT-Teams wurden nicht nur mit militärischem Gerät versorgt, sondern offenbar nach Richtlinien für rein miliärische Gefechtseinsätze trainiert. Das zeigt eine umfangreiche Untersuchung der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) , in der auch eine krasse Ungleichbehandlung schwarzer und weißer Verdächtiger durch die SWAT-Einheiten dokumentiert ist.
Laut einem nun bekanntgewordenen Gutachten wurde der schwarze Teenager von sechs Kugeln aus der Waffe eines weißen Polizisten getroffen - mehr dazu in news.ORF.at.
"Terroristen schlachten Schüler ab"
"Trainieren Sie Ihre Truppen auf die richtige Einstellung", heißt es zum Beispiel in den Trainingsunterlagen für die SWAT-Einheit des Provinzstädtchens Farmington, "um die Pläne von Terroristen zu durchkreuzen, die unsere Schulkinder abschlachten wollen". Während Ferguson ein Vorort der Großstadt St. Louis ist, liegt das 100 Kilometer entfernte Farmington "in der Mitte von Nirgendwo" im ländlichen Missouri.

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Gerade auf dem Lande bestehen diese mit militärischen Waffen ausgerüsteten Einheiten - SWAT steht für "Special Weapons And Tactics - aus gewöhnlichen Polizisten, die ein zusätzliches Training absolviert haben. Wie aus den von der ACLU bereits Wochen vor Ausbruch der Gewalt in Ferguson veröffentlichen Trainingsunterlagen hervorgeht, wurde Polizeibeamten aus der tiefsten Provinz in Farmington eingeredet, dass sie nun dieselben Aufgaben zu erfüllen hätten wie Spezialeinheiten der Militärs im Kampfeinsatz.
Der halbautomatische M4-Karabiner ist ein leichtere Variante des verbreiteten M‐6-Sturmgewehrs.
"Furchterregende Opferzahlen drohen"
In den Trainingslagern der Islamisten würden laufend Terroristen dafür ausgebildet, Anschläge auf amerikanische Schulen zu planen, wobei "Ströme von Blut und furchterregenden Opferzahlen" drohten. Zudem seien die USA das "einzige Land der Welt, in dem das Militär bei Terrorangriffen auf eigenem Boden nicht vorgehen darf", heißt es weiter, "deswegen sind Sie als Polizeibeamte von Gesetzes wegen hier unsere Delta-Force".
Letzteres sind militärische Spezialeinheiten, die für Geiselbefreiungen und die Bekämpfung von Terroristen, also auf asymmetrische Kriegshandlungen, trainiert werden. Nach Ansicht aller Beobachter hat das martialische Posieren der SWAT-Einheiten mit M4-Sturmgewehren auf gepanzerten Truppentransportern vor unbewaffneten Demonstranten die Situation in Ferguson erst richtig eskalieren lassen.
Die Hochrüstung der Polizei
Zu den Skandalen um die Geheimdienste NSA und CIA wurde damit eine weitere Hinterlassenschaft von Amtsvorgänger George W. Bush für Präsident Barack Obama schlagend. Im Rahmen des von Bush nach den Anschlägen auf das World Trade Center ausgerufenen "Krieges gegen den Terror" wurden quer durch die USA Polizeieinheiten mit militärischem Gerät auch in Landgemeinden hochgerüstet.

http://en.wikipedia.org/wiki/User:Sdlewis
Dies wurde vom damals neu gegründeten Ministerium für Heimatschutz (DHS) vorangetrieben und auch finanziert, in den vergangenen zehn Jahren wurden so 35 Milliarden Dollar ausgegeben, um die USA im Krieg gegen den Terrorismus auf eigenem Boden zu wappnen. Von den über 3.000 Landkreisen der USA sollen mittlerweile schon etwa 80 Prozent der lokalen Polizeikräfte über solche SWAT-Spezialeinheiten verfügen, denn deren Einrichtung wurde in jeder Hinsicht unterstützt.
Von Montana bis Missouri brauchten Landsheriffs nur Bedarf beim Ministerium für Heimatschutz anmelden, dann erhielten sie in der Regel solche gepanzerte Mannschaftstransporter und Schnellfeuerwaffen, wie sie in Ferguson laufend zu sehen waren. Die einzigen für die Polizei dabei anfallenden Kosten waren Umlackierung und der laufende Unterhalt für dieser Fahrzeuge.
Verfasst hat den Gesetzesantrag zur Abrüstung der Polizei der demokratische Abgeordnete Hank Johnson aus Georgia. Gleich nach der Sommerpause soll der Antrag auf die Tagesordung des Repräsentantenhauses kommen.
Das Erbe der Kriege
Seit den Rückzügen des US-Militärs aus dem Irak und aus Afghanistan gibt es für viele solcher Fahrzeuge momentan keine Verwendung mehr. Auf beiden Kriegsschauplätzen wurden alleine 27.000 solche minenresistenten Fahrzeuge eingesetzt, wobei ein Teil davon dort verblieben ist.
Die gepanzerten Mannschaftswagen vom Typ Lenco BearCat, die das SWAT-Team in Ferguson auffahren ließ, sind bei diesen paramilitärischen Einheiten der Polizei besonders gefragt. Diese Fahrzeuge gibt es in den verschiedensten Ausführungen, die gegen Panzerminen resistenten Versionen wiegen an die 18 Tonnen. Die gibt es nun im Überschuss und sie werden, wie die Untersuchung der ACLU zeigt, längst nicht gegen Geiselnehmer, verschanzte bewaffnete Gruppen oder bei Bandenkriegen eingesetzt.
Verhasste Spezialeinheiten
Im vornehmlich von schwarzen Bürgern bewohnten Ferguson hatte die Volksseele bereits gekocht, nachdem die Polizei anfangs mit einer Hundestaffel angerückt war: Für viele Schwarze im Süden der USA sind scharf dressierte Hunde ein Trauma aus der Sklaverei. Als die Polizei dann mit Panzerfahrzeugen auffuhr und mit M4-Sturmgewehren in die Menge zielte, explodierte die Wut. Die anfangs durchwegs friedlichen Demonstrationen wurden mit Tränengas beantwortet, der Protest eskalierte dann zu nächtlichen Straßenschlachten mit Steinen und Molotowcocktails.
Dass hier eine fast durchwegs weiße Polizeieinheit einer protestierenden Menge von schwarzen Bürgern gegenüberstand, war nicht der alleinige Auslöser, sondern das Erscheinungsbild der Polizei spielte dabei eine tragende Rolle. In vielen schwarzen Communitys sind diese SWAT-Einheiten tief verhasst, der Grund dafür geht aus dem ACLU-Bericht eindeutig hervor.

ACLU
Schwarze das primäre Ziel
SWAT-Teams mit Sturmgewehren, Blendgranaten und gepanzerten Fahrzeugen wurden nicht nur bei den wenigen Geiselnahmen und anderen Fällen von bewaffneten Verschanzten aufgeboten. Die Spezialeinheiten traten vornehmlich bei Drogendelikten in Aktion. 60 Prozent aller erfassten Einsätze von SWAT-Teams wegen Verdachts auf Drogenbesitz waren dabei "No-knock Searches".
Der Bericht der ACLU trägt den Titel "Der Krieg kehrt heim - die exzessive Militarisierung der Polizei". Er wurde wenige Wochen vor Ausbruch der Gewalt in Ferguson veröffentlicht.
Die Türen wurden dabei mit Rammböcken aufgebrochen, Fenster eingeschlagen und Blendgranaten in den Raum geworfen. Zumeist fuhren die SWAT-Einheiten mit solchen gepanzerten Transportern vor, in den wenigsten dieser Fälle wurden diese jedoch wirklich gebraucht. Die Statistiken der ACLU, die auf den Daten von 16 verschiedenen Landkreisen quer durch die USA basieren, die in ihren Kriminalitätsstatistiken auch die ethnische Zugehörigkeit vermerkt hatten, werfen ein grelles Licht auf die bei den SWATs vorherrschende Mentalität.

ACLU
In der Mehrzahl der Hausdurchsuchungen wegen Drogenverdachts, bei denen keine der Spezialeinheiten zum Einsatz kam, waren auch die Türen nicht aufgebrochen. Was die Verteilung nach Ethnien betrifft, so war in den Statistiken die schwarze Bevölkerung in allen polizeilichen Bezirken - in Großstädten wie auf dem Lande - mit riesigem Abstand das primäre Ziel. Bei den verschwindend kleinen Zahl der bewaffneten Stand-offs lag hingegen die weiße Bevölkerungsgruppe weit voran.
Die BearCats der IS-Terroristen
Für den Kriegseinsatz sind die BearCats zumeist mit einem überschweren Maschinengewehr vom Typ Browning M2 auf dem Dach bestückt. Diese Waffen, die zwei Zentimeter dicken Panzerstahl noch auf einen halben Kilometer Entfernung durchschlagen können, wurden zwar von den Polizei-BearCats in den USA abmontiert.
Ein Teil der im Irak verbliebenen, schwer bestückten BearCats und HumVees wurde während der vergangenen Tage durch Luftschläge der US-Airforce im Nordirak zerstört. Diese Typen stellen nämlich die Mehrzahl jener Fahrzeuge, die von IS-Terroristen von den geflohenen irakischen Streitkräften massenhaft erbeutet worden waren.