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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

8. 9. 2014 - 22:59

Festplattenabgabe: Kennt sich noch jemand aus?

Zusammenfassung von zehn Jahren urheberrechtlicher Wirrnis.

Die Geschichte der digitalen "Raubkopie" (an sich schon ein merkwürdiges Wort) ist länger als man vermuten würde. Sie reicht zurück zu der Zeit von Commodore-Computern, rund ums Jahr 1990. Damals waren die Speichermedien floppy discs, also die alten Datendisketten, über die Software - vornehmlich Computerspiele - kopiert wurden. Bis heute ist kein stichhaltiger Beweis bekannt, ob die Schulhofkopierkultur die Spieleentwicklerszene jener Tage zerstört oder sie erst so richtig bekannt gemacht hat. Was zählt mehr, punktgenaue Urheberrechtsvergütung oder mehr Aufmerksamkeit durch eine (viel) stärkere Verbreitung der Werke? An dieser Kernfrage hat sich bis heute nichts geändert.

Festplattenabgabe: Ein zehnjähriges Hin und Her

Was lernt man, wenn man einen Tag exklusiv der Recherche zum Thema Festplattenabgabe widmet? Vor allem, dass es sich hier um einen wirren Fleckenteppich handelt, wo kaum noch jemand weiß, woher welches Stück ursprünglich gekommen und ob es für die anderen Teppichteile noch relevant ist. Die gesamte Diskussion und Entwicklung hat sich mehrfach im Kreis gedreht, hantiert mit mitunter lächerlich überholten Begriffen und ist nicht selten von purem Lobbying geprägt. So einigermaßen kenne ich mich mittlerweile dennoch aus. Kleine Zusammenfassung? Gerne, aber auf eigene Gefahr. Gehirnverknotungen ahead.

Ehemals musikindustriegefährdend: Die Leerkassette

Zunächst beginnt es recht geradlinig: Seit 1980 gibt es die sogenannte Leerkassettenvergütung. Diese wurde ab Mitte der 90er Jahre ziemlich nahtlos auf CD/DVD/BluRay/usw.-Rohlinge - und eigentlich auch schon auf Festplatten und Flash-Speicher - ausgeweitet. Darüber hat damals kaum jemand so wirklich wild diskutiert, obwohl ja schon hier bei den Speichermedien eine Erweiterung von ehemals ausschließlich Audio/Musik zu digitalen Daten im Allgemeinen stattgefunden hat. Nach der Jahrtausendwende (und dem fiesen Industriezerstörer "Napster"!) waren die Verwertungsgesellschaften aber der Meinung, man müsse - wegen der verdammten modernen Welt - zusätzlich eine weitere Urheberrechtsabgabe einführen, und zwar auf komplette PC-Systeme.

Kurios: Man hat sich dafür ursprünglich auf die sogenannte Reprografievergütung gestützt. Wer das Wort nicht kennt: Reprografie ist ein "Sammelbegriff für alle Verfahren der dauerhaften lichttechnischen Reproduktion von Vorlagen. Dies umfasst das Scannen, Kopieren, Plotten und das Ausdrucken." Weil ein PC ohne Peripherie aber nun leider nichts ausdrucken (und schon gar nichts plotten) kann und der Handel sich quergestellt hat, haben sich die Verwertungsgesellschaften bei der neuen Abgabe vorübergehend auf Drucker und Kopierer zurückgezogen.



Fast forward drei Jahre: Der Oberste Gerichtshof kippt 2009 die seltsame Reprografieabgabe auf PCs endgültig, und die Verwertungsgesellschaften überlegen, was der nächste Schritt sein könnte. Dieser ist schnell gefunden: Man will eine spezielle Festplattenabgabe, die anhand des jeweiligen Speicherplatzes berechnet werden soll. Die Abgabe wird am 1. Oktober 2010 eingeführt und ziemlich hoch angesetzt, wie Erich Möchel damals vorrechnet. Um wieviel höher diese Beträge im Unterschied zur Inkludierung der Festplatten bei der Leerkassettenvergütung sind, konnte ich nicht herausfinden. Hinweise sind willkommen!

Urheberrechtsabgabe auf fm4.ORF.at

Fest steht: Der Handel ist nun wieder alarmiert und sichtet - in Anbetracht der hohen Abgabesätze wohl nicht zu Unrecht - eine schwindende Konkurrenzfähigkeit und ein Abwandern des Elektronikmarkes in Nachbarländer, vor allem in Form von Onlinebestellungen. Nur wenige Tage nach der Einführung der Festplattenabgabe 1.0 klagt Hewlett-Packard dagegen. Der Prozess zieht sich bis heute. Die ursprüngliche Festplattenabgabe liegt damit seit bald vier Jahren auf Eis, der Handel und die Wirtschaftskammer befürchten aber seither, dass sich der Gesetzgeber bald nochmals dazu bekennen könnte und dann rückwirkend saftige Zahlungen an AKM, Austro Mechana und Co. schlagend werden könnten. Es heißt, es gäbe dafür bereits eigene Sperrkonten der Elektronikunternehmen, die diese Summen bereit hielten - sicherheitshalber.

Festplatte

CC BY-SA 2.0, flickr.com, User: Scoobay

Festplattenabgabe 2.0: Ein Tanz um Aufmerksamkeit

Während sich diese Gerichtverhandlung und eine klare politische Entscheidung nun seit vier Jahren ziehen, haben sich in diesem Zeitraum immer mehr Gruppierungen und Parteien in die Diskussion eingemischt. Verwertungsgesellschaften und die Initiative "Kunst hat Recht" vertreten (und vereinnahmen) Künstlerinnen und Künstler und propagieren die Festplattenabgabe. Der Handel und die Wirtschaft vertreten die Unternehmen. Sie wollen eine allgemeine "Haushaltsabgabe" bzw. "Breitbandabgabe" und sprechen - strategisch klug - auch die Konsumenten an, die doch nicht noch mehr Geld für (eh schon so billige) Hardware zahlen sollen. Netzkulturinitiativen nutzen die Diskussion, um allen auf die Nase binden zu können, dass diese das Internet nicht verstünden und propagieren ein völlig neues Urheberrecht, von dem keiner weiß, wie es aussehen soll. Der jüngste Vorstoß kommt von den Neos, repräsentiert von Niko Alm, die vor kurzem eine eigene Idee namens "Direktvergütung" eingebracht haben, bei der nicht Datenträger, sondern die jeweils erworbenen Werke mit der Abgabe belegt werden sollen.

Kulturförderung

Wenngleich der Vorstoß der Neos die ohnehin schon verworrene Situation nur noch weiter verschwurbelt, fördert die dazugehörige Analyse ein paar wichtige Fakten und Fragen zu Tage. Die wichtigste Frage lautet: Was soll mit den Einnahmen aus einer wie auch immer gearteten Urheberabgabe im auslaufenden Jahr 2014 und danach genau passieren? Wer soll wie davon profitieren?

Gegner der Abgabe, und davon sind auch viele Künstler, kritisieren seit Jahren das intransparente Gebahren und den aus ihrer Sicht unfairen Verteilungsschlüssel der AKM. Demnach würden kommerziell erfolgreiche Künstler ungleichmäßig viel mehr ausgezahlt bekommen als "kleine". Andererseits werden die sogenannten "SKE-Fonds", also die von der Austro Mechana betriebene Förderstelle für alternative Musikproduktion, aus der Leerkassettenabgabe gespeist. Spricht sich der Gesetzgeber nun komplett gegen weitere Abgaben aus, wäre dieser für unkommerziell ausgerichtete Musikszenen wichtige Fördergeber wahlweise geschwächt oder auf lange Sicht ganz verschwunden. Künstler wie der Wiener Musiker, Autor und Programmierer Jörg Piringer sind demnach hin- und hergerissen: "Ich bin kein Befürworter der Festplattenabgabe, aber ich weiß auch nichts, was besser wäre", so Piringer im Gespräch mit FM4.

Privatkopie und "Raubkopie", die alten Herrschaften

Abseits der Kulturförderung argumentiert vor allem "Kunst hat Recht" mit dem stets hochempört vorgebrachten Hinweis, dass Menschen mit Festplatten und Computern anscheinend nichts anderes zu tun hätten, als sich den ganzen Tag lang an Urheberrechtsverletzungen zu erfreuen. 15 Jahre (!) nach "Napster" und Co. und in einem digitalen Zeitalter, wo Streaming und die Cloud zügig lokale Speichermedien ersetzen, wird diese Argumenation zunehmend absurder.

Die MP3-Sammlung aus 2003 mit den abertausenden Musikstücken sieht schon jetzt ziemlich alt aus, und ihre Files sind darüber hinaus in einer Qualität komprimiert worden, in der heute niemand mehr ernsthaft Musik hören möchte. Musik- und Videostreaming-Services übertrumpfen den USB-Stick immer öfter. Fernsehserien werden vorrangig bloß deshalb "illegal" übers Netz geladen oder gestreamt, weil die Rechteinhaber zu träge sind, um sich rechtzeitig um die internationalen Vertriebsrechte zu kümmern. Hier noch die verstaubten Termini "Raubkopie" und "Privatkopie" (Wer macht diese überhaupt noch und warum?) ins Feld zu führen, zeugt nicht davon, dass man der gegenwärtigen Mediennutzung mutig ins Gesicht sieht. Aktuelle Studien darüber fehlen jedenfalls. Darüber hinaus ist die Kompensation von durch illegale Kopien entstandenen Verlusten durch die Festplattenabgabe laut EuGH nicht zulässig.

Novelle im Oktober - vielleicht

Noch da? Kompliment. Leider gibt es an dieser Stelle weder ein Happy End noch eine sonst irgendwie sinnvolle Erkenntnis aus den bisherigen Geschehnissen. Dennoch soll noch dieses Jahr - angeblich im Oktober - seitens der Politik eine Entscheidung in Form einer Urheberrechtsnovelle getroffen werden. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) und Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) wollen bis dahin noch mal alle Lösungsvorschläge prüfen. Wenn man sich die bisherige Geschichte der Festplattenabgabe so ansieht, könnte das noch eine Weile länger dauern als geplant. Bis es endlich so weit ist: Bitte nur ja keine neuen Ideen mehr einbringen!