Erstellt am: 2. 9. 2014 - 16:21 Uhr
Die drei Neuen in der Klasse
So wie man in den ersten Schulwochen natürlich die neuen Mitschüler und Lehrer ein bisschen auskundschaften muss, wollen auch die neuen Regierungsmitglieder kennen gelernt werden. Immerhin entscheiden die in den nächsten Jahren nicht die Termine für die Matheschularbeiten - sondern Fragen wie "Wie hoch soll die Mindest-Lohnsteuer sein?", "Wer bekommt wieviel Förderung?" oder "Soll Cannabis legal werden?".
Um gleich an der letzten Frage anzuschließen: Nein.
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Sabine Oberhauser, Gesundheitsministerin
Um es amtlich zu machen: Frau Oberhauser ist nicht verwandt mit dem stärkeren Rothaarigen, der früher im ORF die Diskussionen leitete. Außerdem können alle, die bei ihrer Vorstellung gleich mal über diverse Gewerkschaftspfründe hyperventilierten, die Erregung sofort wieder zügeln: Als Ärztin (Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde) ist sie für ihr Amt wohl bestmöglich qualifiziert. Nach dem Sozialversicherungs-Funktionär Stöger hört man nun erleichtertes Aufatmen in weißen Kitteln - ist doch nun endlich eine Medizinerin in diesem Amt. Auch wenn Oberhauser in Duktus und Habitus vor allem die Bilderbuch-Gewerkschafterin gibt - sie ist wohl die logischste Wahl für diesen Job. Als gestandene, langjährige Gesundheitspolitikerin. Und Ärztin.
Was weiß man bislang über ihrer Pläne?
Oberhauser wird, wie ihr Vorgänger, weiter am Ziel eines vollständigen Rauchverbots für die Gastronomie festhalten. Weniger Freude hat bereits die Sozialistische Jugend mit der neuen SPÖ-Ministerin: Während die Grünen sich eine Cannabis-Legalisierung vorstellen können und die NEOS aktuell an ihrer Position dazu doktern, hat die Gesundheitsministerin gleich im ersten ZiB2-Interview klargestellt: Derzeit steht eine Legalisierung nicht zur Debatte.
Was werden ihre größten Herausforderungen?
Neben dem geplanten Rauchverbot steht natürlich auch eine Gesundheitsreform im Raum, viele Milliarden erwartet man sich von einer besseren Organisation von Ärzten und Spitalsbetten. Außerdem besteht im Feld Psychotherapie Handlungsbedarf, schon jetzt haben etliche Bundesländer massive Engpässe in der Versorgung von psychischen Krankheiten, die immer häufiger diagnostiziert werden. Von einer Ebola-Epidemie zu Beginn ihrer Amtszeit sollten sie und wir hoffentlich verschont bleiben.
Harald Mahrer, Staatsekretär beim Wirtschafts-/Wissenschaftsminister
Im Post-Grasser-Zeitalter haben wir nun endlich wieder einen schönen Mann in der Regierung. Der Rick Astley der Innenpolitik hatte außerdem in den letzten Jahren als Leiter der Julius-Raab-Stiftung der ÖVP viel Zeit zum Nachdenken und Positionieren.
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Was muss man über den Mann wissen? Nun, er ist mit 41 Jahren verhältnismäßig jung, kommt aus dem Umfeld der Aktionsgemeinschaft an der WU Wien (die ja, wie wir oft hören, mit der ÖVP nix zu tun hat) und war vor der Politik im Marketing tätig. Das logische Klischee-Bild wäre also: Hemd, Wollpulli, Ray-Ban Sonnenbrille und Aperol im Selbstverständlich. (Wie die Lokale vor der neuen WU heißen, weiß ich leider noch nicht, gibt es schon welche?) Wenn man an Stereotypen festhängen will, was wir ja aber eben nicht wollen, siehe Oberhauser. Rein fachlich scheint Mahrer gut zu Mitterlehner zu passen. Auch wenn mich der Verdacht beschleicht, dass bei beiden die Wirtschaft tendenziell einen Millimeter vor der Wissenschaft kommt.
Was weiß man bislang über seine Pläne?
Mahrer galt und gilt als großer Freund von fiskalischer Disziplin, so wollte er vor etwa drei Jahren eine Schuldenbremse einführen, die Wahlberechtigte an den Defiziten beteiligt. Harald Mahrer ist übrigens auch Autor, ein Buch von ihm trägt den Titel: "Mehr Freiheit. Mehr Verantwortung". Er meinte dazu, er wolle die "Lüge des Vollkaskostaates entlarven". Möglicherweise wird er also sein Amt tendenziell wirtschaftsliberal anlegen.
Was wird seine größte Herausforderung?
Nachdem sein Chef ja künftig auch Vizekanzler der Republik und Chef der ÖVP ist, wird Mahrer wohl im Ministerium keine unwichtige Rolle spielen. Da kommt in Zeiten von stark steigender Arbeitslosigkeit und lauwarmer Konjunktur ohnehin genug auf ihn zu.
Hans Jörg Schelling, Finanzminister
Er war der einzige, der bei seiner Angelobung auf göttlichen Beistand setzte und mit "so wahr mir Gott helfe" antwortete. Neben dem spirituellen Beistand hat der gebürtige Vorarlberger mit Lebensmittelpunkt in Niederösterreich auch Boxhandschuhe vom Vorgänger bekommen. Brauchen wird er möglicherweise beides. Immerhin steckt er in einer Zwickmühle:
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Einerseits braucht das Land so schnell als nur irgendwie möglich (Zitat der Budgetexpertin Margit Schratzenstaller) eine Entlastung der Arbeitnehmer (mehr Netto vom Brutto) und Impulse für die Beschäftigung. Andererseits stellt sich natürlich in Zeiten von Hypo und Co. die Frage, woher das Geld dafür kommen soll. Schelling meinte: "In Vorarlberg ist 1 plus 1 immer 2, in Wien kann man sich aussuchen, ob es 1,5 oder 2,5 ist". Auch wenn man das weder sympathisch noch sexy finden mag: Ein nüchtern-sachlicher Rechner ist in dieser Position zu dieser Zeit vermutlich auch nicht ganz verkehrt. Man darf gespannt sein, welche Akzente der großgewachsene Mann mit dem Silberhaupt zuerst setzen wird.
Was weiß man bisher über seine Pläne?
Um mich zu wiederholen: Entgegen meiner eigenen Prognosen (und Spindeleggers Sorgen) scheint die Einführung neuer Steuern, also der Wunsch der SPÖ, ferner als zu Spindeleggers Zeiten. Wer hofft, dass es unter Schelling zu Vermögen- oder Erbschaftsteuern kommt, glaubt vermutlich auch, dass Viktor Orban nächstes Jahr die Homo-Ehe in Ungarn einführt. Ein Ausweg ist möglicherweise die Erhöhung der Grundsteuer, dazu hat sich Schelling meines Wissens bislang noch nicht geäußert. Oder man denkt, wie Schratzenstaller das anregt, auch nochmal "über den einen oder anderen Tunnel nach".
Was wird seine größte Herausforderung?
Die finanzielle Stabilität der Republik Österreich.