Erstellt am: 27. 8. 2014 - 17:38 Uhr
Coffeeshop oder Gefängnis
Die Diskussion über eine Legalisierung, oder zumindest Entkriminalisierung, von THC, dem psychoaktiven Wirkstoff der Cannabis sativa-Pflanze – in weiterer Folge hier einfach als Cannabis bezeichnet – auch voll in Österreich angekommen. In den letzten Wochen vor allem durch die Eingabe einer Petition im Parlament für eine Herausnahme von Cannabis aus dem Suchtmittelgesetz.
Man kann das Thema "Cannabis-Freigabe" aus allerlei Perspektiven behandeln und beleuchten - vom Liberalismus (was kümmert es den Staat, was ein Erwachsener mit sich selbst in seiner Wohnung tut), über die Trennung von Szenen (womöglich ist es sinnvoll, wenn der Gras-Händler nicht auch Heroin im Sortiment hat), bis hin zur ökonomischen Frage, wie man die Logik von Nachfrage und Angebot mit dem Strafrecht brechen will. Oder natürlich aus gesundheitspolitischer Sicht - hier wollen wir uns mit dem juristischen Ist-Zustand in verschiedenen Ländern beschäftigen.
CC BY 2.0 von Manuel Martin Vicente flickr.com/martius/
Von Legalize-Romantik zum Mainstream-Thema
Die Legalisierungs-Befürworter haben, zumindest behaupten sie dies, gewissermaßen die empirische Logik als Verbündeten – so ist es möglicherweise gar nicht so überraschend, dass just die USA mit ihrer Prohibitionserfahrung den Umschwung in Sachen Freigabe einläutet. Es spricht sich mittlerweile herum, dass dieses Thema auch grundlegende Rechte verhandelt und dass auf realpolitische Folgen wie die organisierte Kriminalität eingegangen werden kann.
Die Cannabis-Legalisierung ist als vormaliges Orchideen-Thema mitten in den Mainstream gerutscht, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass vor allem Jüngere vermehrt Erfahrungen mit der Substanz haben, quer durch alle Schichten. Längst ist Kiffen nicht mehr nur auf Dreadlock-Hippies und Aussteiger beschränkt, auch so mancher Spitzenmanager greift ab und an zum Joint.
Mehr als 30% der jungen Österreicher haben schon mal Cannabis konsumiert, so der jüngste Drogenbericht.
Und dennoch: Nicht nur in Ländern wie Indonesien oder Malaysia ist Erwerb, Besitz oder Konsum von bereits geringsten Mengen Cannabis strafbar. Auch in Österreich liegt es zumeist im Ermessen der Behörden und Gerichte, welche Folgen ein Feierabend-Joint statt des Bieres haben kann. Von der relativ jungen "Problematik" des Homegrowings (immer mehr Menschen ziehen selbst wenige Hanf-Pflanzen im Zimmer, um nicht in Kontakt mit Kriminellen zu kommen und landen so selbst im Kriminal) mal ganz abgesehen.
Denn Cannabis-Konsum ist ein Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz – was nun eine Bürgerinitiative ändern will. Österreich gilt im europäischen Vergleich als Land mit vergleichsweise strengen Drogengesetzen. Hier ein kurzer Überblick über andere, interessante Rechtslagen inner- und außerhalb der EU:
USA
CC BY 2.0 von Thierry Ehrmann flickr.com/home_of_chaos/
In zwei Bundesstaaten, Colorado und Washington, hat man Cannabis mittlerweile legalisiert. In 23 weiteren Staaten ist sogenanntes „medizinisches Marihuana“ erhältlich (dazu braucht es eine ärztliche Bestätigung, mit einem Ausweis kann man damit, auch samt Lieferservice, geringe Mengen bestellen und kaufen). In diesen Bundesstaaten wird der Besitz von kleinen Mengen aber generell nicht verfolgt. Bereits jetzt ist Marihuana zum „Milliarden-Markt“ geworden, allerdings verdienen nun legale Investoren, Firmen, Banken und der Fiskus – nicht mehr die Mafia. Wie schon nach dem Ende der Alkohol-Prohibition meint man, so zahlreiche Medienberichte, auch nun die Richtigkeit dieses Vorgehens zu erkennen.
Indonesien
Wie zahlreiche Staaten Südostasiens, hat auch der indonesische Inselstaat nach wie vor „Zero Tolerance“ als Motto im „Kampf gegen Drogen“ ausgeben. Im beliebten Urlaubsparadies Bali etwa stehen selbst auf den Konsum von Cannabis bis zu zehn Jahre Haft. Bei Handel wird auch an Ausländern noch die Todesstrafe vollstreckt. Wie in anderen, asiatischen Ländern (etwa Thailand, wo ebenfalls immer wieder Österreicher Bekanntschaft mit dem dortigen Strafvollzug machen) unterscheidet auch Indonesien selten bis kaum nach der Art der Substanz. Sprich: Auf die Unterscheidung in „harte“ und „weiche“ Drogen, wie Cannabis, kann man sich im Ernstfall nicht verlassen.
Vereinigte Arabische Emirate
Noch einen Tick schärfer sind vermutlich die Gesetze im arabischen Emirat Dubai. Vor einigen Jahren berichtete der Spiegel von einem ägyptischen Banker, in dessen Jeanstasche am Flughafen 0,03 Gramm Haschisch gefunden wurden. Und der deswegen zu vier Jahren Haft, unter Mördern und Vergewaltigern, verurteilt wurde. Obwohl Anfang 2014 die Drogengesetze ein bisschen gelockert wurden und nun auch erstmals das Konzept „Therapie statt Strafe“ angewandt wird, zählen Dubai und die Emirate nach wie vor zu den „No-Go-Areas“ in Sachen Cannabiskonsum.
Jamaika
Entgegen des touristischen Klischees von bodenlangen Dreadlocks und Space-Cookies zum Frühstück war der offene Konsum von Cannabis im karibischen Jamaika bislang illegal. Erst vor wenigen Wochen ließen die Behörden mit dem Plan aufhorchen, künftig „das Strafrecht an die Realität in Jamaika“ anzupassen. Soll heißen: Bis zu 57 Gramm Marihuana soll der Besitz künftig straffrei sein.
CC BY SA 2.0 von Marc Fuyà flickr.com//fuya_/
Nordkorea
Aus der „demokratischen Volksrepublik Nordkorea“, also dem schlimmsten noch-immer-real-sozialistischen Freiluftkerker, berichtet man wenig Gutes – Flüchtlinge, denen die Flucht aus dem Land gelingt, erzählen gar über Straflager und unmenschliche Folter. Umso verwunderlicher ist, was etwa Wikipedia, aber auch andere Quellen über Cannabis in Nordkorea berichten: „Marihuana ist in Nordkorea nicht als Droge eingestuft und auf den Straßen der Hauptstadt Pjöngjang sieht man viele kiffende Menschen. In Nordkorea heißt die Droge "ip tambae" und wird besonders von den jungen Soldaten der Armee geschätzt."
Niederlande
Der Klassiker, das „Kiffer-Paradies“. Wiewohl man in den letzten Jahren vor allem in den EU-Nachbarländern immer wieder hörte, dass Holland seinen Sonderweg verlassen würde, ist nichts davon passiert. Noch immer kann jeder und jede über 18 etwa in Amsterdam bis zu 5 Gramm Marihuana kaufen, besitzen und natürlich auch konsumieren. Derzeit gibt es 670 registrierte Coffeeshops, mittlerweile sogar solche, wo Tabak-Rauchen verboten ist. Der gewerbsmäßige Handel oder Anbau mit und von Cannabis, aber auch aller anderen Drogen, ist verboten. Die Ankündigung der Regierung, spezielle Ausweise einzuführen, die man zum Betreten der Coffeeshops braucht, wurde bislang nicht eingeführt – so dürfen nach wie vor auch Ausländer in Holland kiffen. Durch dieses Tolerieren wurden, so behaupten die meisten Experten in den Niederlanden, Hunderttausende vom kriminellen Schwarzmarkt ferngehalten. Eine Studie ergab übrigens vor etlichen Jahren ein interessantes Ergebnis: Trotz Freigabe wurde zum damaligen Zeitpunkt in Holland weniger gekifft als in Deutschland.
CC BY-SA 2.0 von Budget Travel Acommodations flickr.com/budgetplaces/
Portugal
Vor 5 Jahren hat der UNO-Drogenbericht über Portugal wie folgt gelautet: „Die jetzige Politik hält Drogen von denen fern, die sie nicht nehmen sollten, und setzt eher auf Behandlung, als auf die Verhaftung der Nutzer. Portugals Gesetze haben nicht zu einem Anstieg des Drogentourismus geführt. Es scheint außerdem, als hätte die Anzahl der drogenbezogenen Probleme abgenommen.“ Bereits seit 2001 hatte Portugal bei kleinen Mengen von einer Strafverfolgung abgesehen. Gemeint sind allerdings alle Drogen, nicht nur Cannabis. In einer Schülerstudie 2004 stellte man fest, dass wesentlich weniger portugiesische Schüler Erfahrung mit Cannabis hatten, als im europäischen Schnitt.
Bangladesch
In Bangladesch hat der Konsum von Cannabis (aber auch von Opium) lange Tradition und wird als Teil der Kultur verstanden. Da es keine lokalen Gesetze sondern nur die internationalen Abkommen gibt, sind die Einwohner so gut wie gar nicht von Verboten betroffen.
Tschechische Republik
Auch unsere nördlichen Nachbarn verfolgen, seit 2010, den Besitz von Cannabis nicht mehr mit dem Strafrecht. Bis zu zehn Gramm können in Tschechien allerdings mit Geldstrafen geahndet werden. Auch der private Anbau von bis zu 5 Cannabispflanzen wird, sofern nur für den Eigenbedarf produziert, nicht mehr strafrechtlich verfolgt – sondern ebenfalls höchstens mit einer Geldstrafe bestraft.
Und.... in Österreich?
Bei uns unterliegt Cannabis den Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes und ist somit verboten. Nach diesem Gesetz ist zu bestrafen, wer Cannabis erwirbt, besitzt, erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen überlässt oder verschafft (Der Konsum wäre theoretisch straffrei, wie man aber konsumiert ohne zu besitzen ist eine andere Frage…).
Als „geringe Menge“ zählen in Österreich 20 Gramm reines THC, das wäre in etwa die Menge Wirkstoff, die in 80 bis 300 Gramm Marihuana enthalten ist. Auch für den Besitz so einer kleinen Menge drohen Freiheitsstrafen bis zu 6 Monaten, allerdings kann die Anzeige nach §35 SMG für eine Probezeit von 1 bis 2 Jahren zurückgelegt werden. Wobei natürlich die anderen, negativen Konsequenzen wie möglicher Jobverlust hier nicht berücksichtigt werden.
Die Debatte
Vor allem seit den jüngsten Entwicklungen in den USA wird auch in Österreich über eine Herausnahme von Cannabis aus dem Suchtmittelgesetz diskutiert. Mit Stichtag 27.8.2014 haben knapp 19.000 Menschen eine Petition dazu unterzeichnet. Hinter diesem Vorhaben steckt unter anderem die Sozialistische Jugend (SJ). Deren Vorsitzende, Julia Herr, besucht uns am Donnerstag in FM4 Connected – und stellt sich unseren sowie Euren Fragen, auf die die wir uns hier im Forum freuen.