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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

20. 8. 2014 - 18:23

FM4 Extraleben: Krieg und Frieden

Konflikt und kriegerische Auseinandersetzungen sind narrative und mechanische Grundpfeiler in Computer- und Videospielen. Militär-Games sind kommerziell hocherfolgreich. Aber ist auch ein Antikriegsspiel möglich? Der FM4 Games-Talk analysiert.

FM4 Extraleben

    Neben allzu simplen Tennis- und Ping-Pong-Spielen sind kriegerische Konflikte die Ursuppe von Computer- und Videospielen. Früher haben noch kleine Raumschiffchen im dunklen, digitalen All aufeinander geschossen, doch schon seit einigen Jahren sind möglichst authentisch wirkende interaktive Kriegsauseinandersetzungen die kommerziell erfolgreichsten Computerspiele überhaupt.

    FM4 Extraleben

    Conny Lee, Rainer Sigl und Robert Glashüttner sprechen über Computerspiele. Diesmal (Folge 10) über "Krieg und Frieden".

    Gehört werden kann am Mittwoch, dem 20. August 2014 ab 21 Uhr, und danach 7 Tage online.

    Krieg in Unterhaltungsmedien ist bei Weitem kein einfaches Thema, vor allem, wenn man sich die real stattfindenden militärischen Auseinandersetzungen in einigen Orten der Welt ansieht, die für viel Chaos und Leid sorgen und seit Wochen die Schlagzeilen beherrschen. Krieg ist scheiße, aber heftige Kriegsspiele und ihre Konsument/innen vorschnell zu verurteilen, wird keinem vernünftigen Diskurs gerecht.

    Ein Bus, der mit einem Schlachtschiff gebrandet ist, daneben steht in riesigen Lettern "KABOOM".

    Robert Glashüttner

    Was macht die Faszination und den Erfolg von Krieg als Kulisse aus? Kriege und Konflikte beschäftigen Menschen seit ihrer Existenz. Fast jedes Kind spielt bereits im "unschuldigen" Alter "Räuber und Gendarm" oder eine Variation davon. Das ist kein Zufall, denn so, wie die gewaltsame Auseinandersetzung (oder dessen Andeutung) diverser gegnerischer Fraktionen menschlich ist, ist die Eignung von Krieg als Spielmechanik funktionell. Jedes Spiel - von Schach bis "Call of Duty" - braucht eine Aufgabe. Es müssen Leistungen erbracht, Ziele überwunden, passiert oder ausgeschaltet werden.

    Das Problem der Ästhetisierung

    Doch wenn inszenierter Krieg bloß zur oberflächlich-spaßigen Unterhaltung verkommt, wo es nur noch um Nervenkitzel, Adrenalinausstoß und Thrills geht, dann kann man das zumindest fragwürdig finden. Krieg als Spektakel ist aber vor allem in audiovisuellen Werken so wirkungsvoll, dass man bei aller Hinterfragung gleichzeitig einfach zur Kenntnis nehmen muss, das es Teil von unserem zeitgenössischen Popkulturkanon ist - Verharmlosung, vereinfachte Darstellungen und Propaganda inklusive. Ist da – analog zum Antikriegsfilm – ein Antikriegsspiel überhaupt möglich, wenn doch jedes Werk, das um Aufmerksamkeit buhlt, ein Mindestmaß an Dramaturgie und Ästhetisierung erfüllen muss?

    Das Computerspiel "Space War!" aus dem Jahr 1961 auf einem PDP-1.

    Kenneth Lu, Public Domain

    Früher virtueller Krieg im All: "Spacewar!" aus 1961.

    Es ist schwierig, eine kritische Botschaft zu vermitteln, wenn gleichzeitig eine Geschichte aufwendig inszeniert werden muss um Aufmerksamkeit zu erregen. Bei Computerspielen kommt noch die Interaktion hinzu. Wenn das jeweilige Werk nicht gut genug gestaltet ist, interessiert sich auch niemand mehr für eine (möglicherweise vorhandene) kritische Botschaft. Umgekehrt kann man bei einem handwerklich guten gemachten Kriegsfilm oder -spiel eben immer auch mit einer "Hurra, hinein in die Schlacht!"-Mentalität an die Sache herangehen. Eine schwierige Angelegenheit also.

    Spiele über den Krieg

    Computerspiele, die ihr Kriegssetting kritisch sehen, hinterfragen oder darüber historisch, gesellschaftlich und ethisch aufklären wollen, gibt es immer wieder. Beispiele dazu sind etwa der Third-Person-Shooter "Spec Ops: The Line" (2012), der der Spielerin und dem Spieler während eines Militäreinsatzes in Dubai eine ausweglose Situation nach der nächsten präsentiert. Es gibt keine richtigen Entscheidungen, manche sind eventuell nur nicht ganz so schlecht wie andere. Noch viel absurder geht es in "DEFCON" (2006) zu, wo der Krieg in einer bizarren Form der Reduktion auf Weltkarte, Flugbahnen von Atomraketen und die Anzeige von Todesopfern komprimiert wird. Das ist der sogenannten moderne Krieg, die Distanzierung des Täters zu den Konsequenzen ihrer oder seiner Handlung. Wo unbemanntes Kriegsgerät in Form von Flugdrohnen zum Einsatz kommt. Der Art-Gamedesigner Paolo Pedercini hat das in seinem Spiel "Unmanned" (2012) thematisiert.

    Schnelles Gameplay und bombastisch inszenierte Situationen sind einem potenziellen Antikriegsspiel oder einem Spiel über Krieg eher abträglich, denn da bleibt beim Spiel kaum Zeit für Reflexion. Größer angelegte Spiele, die über mehr als ein paar Stunden hinweg begeistern sollen, nähren sich aber sehr oft von dieser Darstellung. Was passiert aber, wenn man das Tempo trotzdem herausnimmt und die Spielerin und den Spieler mit einer reduzierten Geschwindigkeit konfrontiert, wo man die jeweilige Kriegssituation auf sich wirken lassen muss? Erleben kann man das seit einigen Wochen im aktuellen Game "Valiant Hearts". "Valiant Hearts" ist ein Spiel über den ersten Weltkrieg, das eine Mischung aus Adventure und Puzzlespiel ist. Man steuert quer über die Nationen hinweg vier verschiedene Figuren, die vom Krieg nicht nur in Lebensgefahr gebracht sondern vor allem zermürbt und traumatisiert werden. Das Spiel nimmt sein tragisches Setting ernst, scheut sich aber nicht davor, dann und wann auch gezielt humorvoll und hoffnungsfroh zu sein. Es ist eine Familiengeschichte im Gegensatz zu einer reinen Soldaten-Story.

    Wenn es reicht

    Computerspiele können eine unglaublich reichhaltige Entscheidungsfreiheit bieten, aber sie können auch sehr einschränken und uns nur die Illusion davon geben, dass wir eine Wahl hätten. Gerade in Games mit möglichst "authentischen" Kriegsschauplätzen führt das oft zu moralischen Konflikten, wenn das Spiel uns Situationen vorsetzt und Dinge von uns verlangt, die wir eigentlich gar nicht machen möchten.

    "Do whatever this man says", weist einen ein Spiel an einer Stelle etwa an. Ein anderes konfrontiert uns mit einer Situation, wo wir eine Waffe an die Schläfe einer Figur halten und uns nur entscheiden können, ob wir abdrücken oder lieber den Computer bzw. die Konsole abschalten wollen.

    Wo und wann setzt man persönliche Grenzen und wann zieht man den Stecker? Teilt es uns im Forum mit! Und schaltet zu uns rein, in ein FM4 Extraleben zum Thema "Krieg und Frieden" - am Mittwoch, 20. August, ab 21 Uhr auf FM4, und danach 7 Tage online.