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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

24. 7. 2014 - 12:34

Portrait der Toten, Geld der Lebenden

Neue Musikvideos aus Österreich von Squalloscope, The Boys You Know, Amere Meander und Left Boy.

Ich bin noch immer beim Nachholen. Von wegen "Sommerloch". Juni und Juli scheinen die Monate der österreichischen Musikvideos zu sein. Im Folgenden sehen wir berührende Zeichnungen von Personen, die nicht mehr leben, hauen das liebe Geld auf den Kopf, schleichen mit Kindern durch den Wald und kriegen serviert, was man um zehn Uhr vormittags so zwischen digitalem Netzwerken auch kreatives schaffen kann...

Squalloscope - "3 Minutes For A Detuned Diorama"

Ende letzten Jahres hat Anna Kohlweis alias Squalloscope mit ihrer EP "Desert" eines der schönsten Stücke Musik 2013 veröffentlicht. Nämlich das verzaubernde Stück "3 Minutes For A Detuned Diorama", ein sanft pulsierender, melancholisch eindringlicher Popsong, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Und es wäre nicht Anna, würde nicht auch das Video zu diesem Glanzstück einen künstlerischen Zugang haben.

So hat die charismatische Sängerin Freunde und Bekannte gebeten, Skizzen und Bilder von lieben Menschen anzufertigen, die schon gestorben sind. Der Entstehungsprozess von all den verschiedenen Ergebnissen ist sehr dezent und mit großem Einfühlungsvermögen von der Kamera begleitet worden. Das Video zu "3 Minutes For A Detuned Diorama" passt daher perfekt zu der hypnotischen und ergreifenden Nummer und macht die menschliche Seele ein Stück weit transparent.

The Boys You Know - "Money"

Das Album "Purple Lips" von The Boys You Know ist wahrscheinlich nicht nur für mich als alten 1990er Indie-Fan von Pavement, Dinosaur Jr. & Co. ein besonderes musikalisches Zuckerl. Der Song "Money" ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein Sound von Generation zu Generation weiter entwickeln und neue Wurzeln schlagen kann.

Doch wie bei den meisten österreichischen Bands ist auch bei TBYK die Sache mit der Kohle eine leidige. Dann wird das hart erspielte Geld doch lieber "on the road" verprasst. Die Dreharbeiten zu "Money" dürften vor allem im Wiener Museumsquartier richtig Spaß gemacht haben. Und die Band in der Garage ist sowieso - wie auch bei den Pressefotos zu sehen - ein sehr schönes Bild für die Musik und das Auftreten von The Boys You Know. Bleibt nur zu hoffen, dass der Band noch viele Briefe unter der Tür durchgeschoben werden, auf dass sie weiterhin Zeit und money für ihre Musik haben.

Left Boy - "10 AM"

Das Leben an der Spitze sei ja bekanntlich einsam. Vielleicht ist das dem jungen Left Boy durch den Kopf geschossen, als er sich die Anfangssequenz für das Video zu "10 A.M." ausdenken wollte. Aber eigentlich hat er nicht viel zu jammern, zumindest von außen gesehen. Ferdinand Sarnitz verkauft große Konzerthallen aus und auch das Bild, dass er von sich als von den digitalen Netzwerkzerstreuungen der heutigen Zeit hin- und hergerissenen Kreativen zeigt, scheint eher das eines Menschen mit Luxusproblemen zu sein.

Aber ganz egal, wie viel Realismus in diesem gut ausgeleuchteten und äußerst cleveren Video steckt, es beweist ein weiteres Mal, dass Left Boy auf der Klaviatur des Popbusiness meisterlich zu spielen vermag. Coole Dance-Moves gehören da ebenso dazu, wie die vernetzte Welt mit Split-Screens oder ein Gitarrensolo im Federregen. Und das alles um zehn Uhr vormittags. Na, dann möchte ich nicht wissen, wie es bei Left Boy am Abend erst abgeht.

Amere Meander - "From The Stars"

Die düstere und strahlend melancholische Soundwelt von Amere Meanders Debüt "To Lead Astray" findet in dem neuen Video seine gekonnte visuelle Umsetzung. Denn gebe es einen Zauberwald, in dem mit Fellen bekleidete Kinder alle Jahreszeiten hindurch spielen können, dann wäre es der von "From The Stars".

Die lose Geschichte des kleinen Films lässt jedoch noch mehr Interpretationen zu. Ein Coming-Of-Age-Drama, bei dem der eigene Zenit überschritten wird und man in einer Eiswelt seine letzte Ruhe findet. Oder gar ein Gleichnis für ein Geschwisterpaar, das bis über den Tod hinaus verbunden bleibt. Aber wahrscheinlich greift all das zu weit. Trotzdem haben Amere Meander ein mystisch schönes Video zu ihrem "außerirdisch" schönen Sternensong kreiert.