Erstellt am: 21. 5. 2014 - 16:56 Uhr
Schulden und Arbeitslosigkeit
fm4.ORF.at/euwahl
Alle Geschichten zur Wahl des Europa-Parlaments am 25. Mai 2014.
Kommenden Sonntag wählen wir unsere Vertreterinnen und Vertreter im Europäischen Parlament. Und weil die Finanzkrise und ihre Folgen auch in den kommenden Jahren eines der ganz großen Themen sein wird, interviewe ich die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen der im Nationalrat vertretenen Parteien. Heute:
Othmar Karas, ÖVP
Die ÖVP hat es gerade ziemlich schwer: Die liberalen NEOS setzen der Volkspartei gerade beim Thema Wirtschaftspolitik zu, die direkte Konkurrenz ist auch im Wahlkampf kaum zu übersehen. Ein Wahlerfolg um die 30 Prozent wie 2009 ist selbst in der freundlichsten Umfrage weit entfernt - da liegen sie bei 26 Prozent der gültigen Stimmen.
Im Interview geht es also auch um die Unterschiede zu den NEOS. Zum Beispiel in der Frage nach dem Eindruck vieler Menschen, der aktuell auch im Buch "Capital in the Twenty-First Century" des Ökonomen Thomas Piketty zum Ausdruck kommt: Durch Arbeit kann man heute kaum mehr wohlhabend werden, Kapital kumuliert dafür immer mehr Kapital.
APA/HELMUT FOHRINGER
Die SpitzenkandidatInnen im Interview
- Harald Vilimsky, FPÖ: "Es gibt undurchsichtige Strukturen"
- Ulrike Lunacek, Grüne: "In Krisenzeiten nicht am Sozialen sparen"
- Eugen Freund, SPÖ: "Am meisten leiden die Arbeitnehmer"
- Angelika Mlinar, NEOS: "Ich bin eher marktgläubig"
- Othmar Karas, ÖVP: "Verfechter der ökosozialen Martkwirtschaft"
Othmar Karas: Wir haben ja gerade bei der Finanzkrise, bei der Staatsschuldenkrise, bei der Wirtschaftskrise deutlich gesehen, dass wir den Finanzmarkt regulieren müssen. Dass wir die Missbräuche, die Spekulationen, die Leerverkäufe, die den Finanzmarkt außerhalb des geregelten Markes [stören], einschränken müssen. Und wir haben in Europa eine ganz große Wunde, die heißt Arbeitslosigkeit. Und die größte Wunde ist die Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben sie dort, wo wir die höchsten Schulden und die geringste Wettbewerbsfähigkeit haben, wo wir eine negative Außenhandelsbilanz haben. Daher bin ich der Auffassung, dass wir die Schulden weiter reduzieren müssen, weil das Unsozialste sind Schulden.
Gegencheck Teil 1, Markus Huber
An dieser Stelle kommentiert Markus Huber, Journalist und Herausgeber der Magazine Fleisch, Wald und Gold die Aussagen Karas:
Das ist ein Punkt, wo man dem Othmar Karas wahrscheinlich widersprechen kann. Weil wenn man sich die Statistiken anschaut, dann stimmt das, was er hier sagt bei Griechenland ganz sicher, bei Spanien wirds schon ein bisschen schwieriger. Denn Spanien hat zwar die zweithöchste Arbeitslosigkeit in Europa, aber die Schuldenquote in Spanien ist unter dem Eurozonenschnitt. Deutlich sogar drunter. Auf der anderen Seite aber haben die Länder in Europa, die die niedrigste Staatsschuldenquote haben - Slowakei zum Beispiel, Estland, Lettland - eine hohe Arbeitslosigkeit. Insofern stimmt die Korrelation, die er hier ansetzt, hohe Schulden, hohe Arbeitslosigkeit, so nicht.
Wie stehen Sie eigentlich zur Marktwirtschaft? Braucht der Markt staatliche Stellen, die regeln, kontrollieren und justieren?
Othmar Karas: Ich bin überzeugter Christdemokrat. Die christliche Soziallehre ist mir ein wichtiger Eckpfeiler in meinem Leben und in meinem politischen Handeln. Ich bin daher ein engagierter und leidenschaftlicher Verfechter der ökosozialen Marktwirtschaft. Der Markt ist nicht Selbstzweck, der Wettbewerb ist nicht Ziel. Beides sind Instrumente der Politik und der Wirtschaft. Und daher möchte ich den Markt so weit regeln, dass Missbrauch so weit wie möglich reduziert ist, Transparenz gegeben ist, Kontrolle möglich ist und der Markt seiner sozialen und ökologischen Verantwortung nachkommen kann. So viel Markt wie möglich und soviel Regeln wie notwendig. Die Nachhaltigkeit ist das Ziel, der Mensch ist der Adressat. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns deutlich gezeigt, dass sich die Politik nicht aus der Verantwortung zurückziehen darf, dass der Politiker sich nicht hinter dem Markt verstecken darf, sondern dass er seine politische Verantwortung zur Regelung nützen und einsetzen muss.
Gegencheck Teil 2, Markus Huber
Markus Huber zu dieser Aussage:
Da muss man jetzt kein wahnsinnig guter Wahlkampfmanager sein, um aus dieser knappen Minute circa 15 Slogans herausschreiben zu können - die für jede Partei mit Ausnahme der NEOS gelten könnten. Ich glaube ehrlich gesagt, dass er mit "Christdemokrat" mehr Stimmen gewinnt, als mit der "ökosozialen Marktwirtschaft", die da meist gleich hinten nach kommt. Den Satz "Ich bin Christdemokrat und deswegen für eine ökosoziale Marktwirtschaft" haben wir in den letzten 15 Jahren von sehr vielen ÖVP-Politikern gehört. Ich glaube, in dieser Auseinandersetzung - so es eine Auseinandersetzung zwischen ÖVP und NEOS gibt - ist dieses Rauskehren des Christlichen wahrscheinlich kein schlechter Schachzug. Das ist schon ein bisschen das Alleinstellungsmerkmal der ÖVP, in dem Bereich wird man schon ein paar Leute überzeugen können. Das ist auch etwas, das man dem Othmar Karas abnimmt: Das er ein Demokrat ist, dass er Christ ist.
Das komplette Interview mit Othmar Karas zum Anhören:
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