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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

30. 5. 2014 - 10:37

Alter Schimmer in neuen Bildern

Neue Musikvideos aus Österreich von The Quiet Now!, Mel, Alien Hand Syndrom und Kiss Me Yesterday.

Retro ist ein Wort das niemand mehr gerne in den Mund nimmt oder in die Tastatur tippt. Und trotzdem muss ich an diesen Begriff denken, bei einigen der hier vorgestellten Videos. Der "alte Look" kommt in Musikvideos eigentlich immer gut, egal wie sehr er nachgeahmt wird. Ob in Schwarz-Weiß, ob mittels Archivmaterial oder ob mit der Stimmung auf eine andere Musikdekade verwiesen wird, wir Menschen können einfach nicht anders, als uns auf unsere Vergangenheit, unsere Erfahrungen und uns selbst zu beziehen. Dass dabei allerdings auch Neues, Erfrischendes und Spannendes entstehen kann, sieht man an den folgenden, musikalischen Filmchen.

The Quiet Now! - "Ticket To Nowhere"

Erst kürzlich hat Georg Hartwig, Labelgründer von Sevenahalf Records, sein Debüt "Rub It In" unter dem Pseudonym The Quiet Now! herausgebracht, jetzt sind schon Songs für ein neues Album in der Pipeline. Und der erste Vorbote "Ticket To Nowhere" legt die Latte ziemlich hoch. Erneut ist dem Musikus ein herrlich eingängiger und fabelhaft produzierter Song zwischen Indie- und Synthie-Pop gelungen, der sehr gereift klingt. Die Struktur ist eher klassisch, aber der Aufbau gut durchdacht und bietet in knapp drei Minuten einen kompakten musikalischen Höhenflug.

Das Video besticht durch die nette Idee und die herrlichen alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die mit dem Song eine ganz andere Atmosphäre bekommen. Die eingeblendeten Sprechblasen tragen viel zum Spaß bei. Außerdem kann man bei dem alten Film gleich einen neuen Tanz lernen.

Mel - "Don't Look Back"

Die Salzburgerin Mel verzaubert mit ihrer Stimme schon länger die heimische Musikszene. Da fragt man sich, wann es endlich ein ganzes, großes Album geben wird. Im Herbst dieses Jahres soll es soweit sein, versichert uns Mel auf ihrer Website und stellt mit der ersten Single "Don't Look Back" unter Beweis, dass sie hart daran arbeitet.

Musikalisch zeigt sich die Salzburgerin hier mit Band im Hintergrund, was ihrem Song sehr gut zu Gesicht steht. Visuell ebenso schön umgesetzt hat sie einen Roadtrip inklusive ausgelassenem Tanz in der Joshua-Tree-Wüste - mit hippieskem Flair im absolut guten Sinne. Außerdem sieht das Ganze nach Kalifornien aus. Und wir alle wissen ja, in welche Stadt man nur mit Blumen im Haar gehen sollte.

Alien Hand Syndrome - "Sore Moon"

Dass Clemens Engert einen unzügelbaren Hang zur Melancholie und Theatralik hat, dürften alle wissen, die sein Projekt Alien Hand Syndrom kennen. Auf seinem aktuellen Album "Slumber" kann man mit ihm in seine düstere Soundwelt abtauchen, wie auch bei "Sore Moon", einem epochalen und zutiefst traurigem Stück. Unterstützt wird er am Ende dieser schwermütigen Ballade von Sängerin Marilies Jagsch.

Am Beginn wechseln Standbilder ab, in die hinein- und herausgezoomt werden. Was als langsames, recht konventionelles Video beginnt entwickelt mit der Zeit einen ganz eigenwillig pulsierenden Rhythmus, der in diesem "re-edit" dann zu einer beeindruckenden Schlusssequenz führt, die mich durch die musikalische Dunkelheit und die Bilder an Massive Attack erinnert.

Kiss Me Yesterday - "Donwtown Stoned"

Es ist zwar schon älter, aber ich bin erst jetzt auf dieses Video von Kiss Me Yesterday gestoßen. Die Wiener Band bezeichnet sich selbst als electro swing live-act und gründet sich auf eine Begegnung eines DJs und zweier Jazzerinnen. Musikalisch sind Kiss Me Yesterday irgendwo in der Nähe von Parov Stelar oder Klangkarusell anzusiedeln, wobei die knackigen Beats und der treibende Dance-Groove viel her machen.

Das Video macht viel Spaß: Es beginnt als Stummfilm-Hommage, um dann immer mehr in der heutigen Partyszene anzukommen. Neben der fabelhaften Ausstattung und der guten Montage bestechen auch die Figuren, die mit viel Witz und Liebe inszeniert werden. Bei so einer jazzigen Swing-Party wäre ich auch gern mal dabei! Bleibt nur die Frage, wo ich das passende Outfit hernehmen soll?