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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

7. 5. 2014 - 16:01

FM4 Extraleben: Pick Your Gender

Wenn sich Spieler online oder real begegnen, ist das Geschlecht der jeweiligen Personen noch lange nicht egal. Ein Games-Talk über Sexismus, Prinzessinnenrettung und Bubenreservate.

FM4 Extraleben

    FM4 Extraleben

    Pick Your Gender
    Conny Lee, Robert Glashüttner und Rainer Sigl sprechen über Geschlechterdarstellung und Sexismus in Computerspielen. Am Mittwoch, den 7. Mai 2014 von 21.00 bis 22.00 Uhr - und danach für 7 Tage on Demand.

    • "Der Großteil aller Computerspielstudios wird von Männern geleitet, und dort arbeiten auch fast nur Männer. Dementsprechend sind auch die meisten Spiele für Männer entwickelt worden."
    • "Ich kann als Mann in jeden Games-Laden gehen und werde dort mein Geschlecht unterschiedlich vertreten sehen: als Held, Bösewicht oder alles, was dazwischen liegt."
    • "Ich habe als Mann so gut wie immer die Möglichkeit, einen männlichen Avatar zu spielen, weil die meisten Protagonisten und Helden in Spielen meistens standardmäßig männlich sind."

    Das ist ein frei übersetzter Auszug aus einer 25-Punkte-Liste, die der Journalist und Autor Jonathan McIntosh kürzlich in einem umfangreichen Kommentar auf der Videospielkultur-Website Polygon festgehalten hat. Die Dinge, die man als männlicher Computerspieler für selbstverständlich nimmt, treffen für Frauen in vielen Fällen eben so gar nicht zu - "male privilege" heißt das Problemfeld, das nicht nur, aber besonders im Medium Computerspiele so relevant wie - für viele männliche Spieler zumindest - unsichtbar ist.

    Anita Sarkeesian

    Anita Sarkeesian

    Prinzessinnenrettung und Kühlschrankfrauen

    Wer über Sexismus in Computerspielen spricht, kommt an der Popkulturforscherin und Feministin Anita Sarkeesian nicht vorbei. Vier Teile ihrer 2012 mit riesigem Erfolg auf Kickstarter finanzierten Reihe "Tropes vs Women in Videogames" sind bislang online gegangen. Sarkeesian dokumentiert das Übermaß an gedankenlos sexistischen Motiven in Games von der "Damsel in Distress", also der hilflosen Frau, die vom Helden gerettet werden muss, bis hin zu den "women in refrigerators", all den getöteten oder missbrauchten Frauen, die männlichen Spielern als Motivation für ihre Rachefeldzüge dienen müssen. Die noch hässlichere Fratze des großen Sexismusproblems, mit dem sich die Mainstream-Videospielkultur herumschlagen muss, zeigte sich aber nicht im Medium, sondern in der Reaktion auf ihre Arbeit von Spielerseite.

    Von Beginn an sah sich die US-Amerikanerin Mord- und Vergewaltigungsdrohungen, Onlinevandalismus, Verleumdungen und seitenlangen Hasstiraden männlicher Spieler ausgesetzt. Hinter all der Niedertracht mancher Männer, die sich zur Verteidigung "ihres" Mediums aufgerufen sahen, liegen in vielen Fällen natürlich eigene Unsicherheit und Verlustängste. Gaming wird anscheinend von manchen Männern als Bastion der "lad culture" gesehen, zu der Frauen am besten keinen Zutritt haben sollen.

    Gears of War

    Epic

    "Richtige" Spiele für "richtige Gamer": Männlichkeitsbilder in "Gears of War"

    "Real gamers" im Kuschelghetto

    Dabei spricht die Statistik gegen das Klischee vom Medium für pubertierende Jungs: Nur 18 Prozent der Spielerschaft rekrutieren sich aus minderjährigen Burschen, dafür sind inzwischen fast 30 Prozent der Spielerschaft erwachsene Frauen - Tendenz steigend. Als Reaktion auf diese neue Breite sprechen Teile der männlichen jungen Spielerschaft genau jenen Spielen, die millionenfach und weltweit auch von Frauen gespielt werden - Casual-Titel wie "Candy Crush" oder "Farmville", aber auch Spiele wie die "Sims", die keine pubertären Machtfantasien bedienen - einfach ab, überhaupt "echte" Spiele zu sein. Frauen, auch wenn sie spielen, sind so lange eben keine "gamer", solange sie nicht die "richtigen" Spiele gut finden.

    Dass, nebenbei bemerkt, das Mainstream-Marketing nicht nur frauen-, sondern eigentlich auch männerfeindlich ist, zeigt sich in absurden Männlichkeitsidealen à la "Gears of War" ebenso wie in Werbekampagnen, die Frauen als tyrannische Sklaventreiberinnen und ihre Männer als läppische Schlappschwänze hinstellen, die solche "Männerspiele" als Eskapismus bitter nötig haben.

    Männerbranche Games?

    Doch nicht nur in vielen Spielen und bei ihren männlichen "Verteidigern" haben Frauen keinen leichten Stand, sondern auch in der Games-Industrie selbst klagen Entwicklerinnen und weibliche Mitarbeiter schon lange über ein frauenfeindliches Arbeitsklima, so etwa in der Kampagne mit dem Twitter-Hashtag "#1reasonwhy" . Dass sich inzwischen auch durch diese Sichtbarmachung zumindest in kleinen Schritten etwas geändert hat, zeigt das benachbarte Hashtag "#1reasontobe", in dem sich die Frauen der Branche Mut zusprachen und auch auf der GDC 2014 zu Optimismus und kämpferischem Mut aufforderten: Es bewegt sich also doch etwas, könnte man hoffen.

    Und eigentlich, so könnte man grübeln, böte ja gerade das Medium Computerspiel wie kaum ein anderes die Möglichkeit, den biologischen Gegebenheiten unserer Körper zu entfliehen und etwa als Spieler in der Haut starker Frauen oder als Spielerin in der Gestalt smarter Männer zumindest im Kleinen das jeweils andere Geschlecht besser verstehen zu lernen. Dass der Weg zu einer nicht diskriminierenden und für Männer wie Frauen erfreulichen Gemeinschaft noch weit ist, heißt allerdings nicht, dass die ersten Schritte auf dem Weg dorthin nicht schon längst gegangen sind.

    FM4 Extraleben, Ausgabe 7: Pick Your Gender

    Uns interessiert aber auch Eure Meinung dazu: Seht Ihr Sexismus als Problem im Gaming? Welche Erfahrungen habt Ihr mit dem "anderen Geschlecht" in Spielen gemacht? Was stört Euch an Geschlechterdarstellungen in Computer- und Videospielen? Wir freuen uns auf Eure Kommentare!