Erstellt am: 24. 4. 2014 - 11:40 Uhr
Discoglitzer und Wüstenstaub
Irgendwie ist es recht schräg. Während für mich die Beschäftigung mit unserer österreichischen Musikszene etwas im wahrsten Sinn des Wortes alltägliches geworden ist und sich ganz natürlich in mein Leben integriert hat, ist das für manch andere genau das Gegenteil, nämlich eine "nervige Sache", die man versucht zu vermeiden.
Und das stößt bei mir auf komplettes Unverständnis. Denn so gut, professionell, vielfältig und auf absolut internationalem Niveau wie in den letzten Jahren war der Output der heimischen Musikschaffenden noch nie. Und die Flut an großartigen Veröffentlichungen wird auch in Zukunft nicht abreißen, das beweisen die hier beinahe schon wöchentlich besprochenen Videos, oftmals Vorboten auf österreichische Alben, die in nächster Zeit noch kommen. Deshalb halten wir uns jetzt nicht mit Diskussionen auf, sondern legen den Fokus wieder dorthin, wo er hingehört, auf die österreichische Musik.
Wanda - "Schickt mir die Post"
Es hat ein bisschen Zeit gebraucht, aber dann ist sie doch bei mir eingeschlagen. Die Nummer "Schick mir die Post" von der Band Wanda, neu im Hause Problembär Records. Sie ist witzig, ironisch und ein wenig gemein, so kommt sie doch fröhlich anmutend durch das Hintertürchen, um einem eine richtig gute Kopfnuss zu verpassen. Man darf sich von dem Wienerisch vorgetragenen, leicht lapidar wirkenden Gesang nicht täuschen lassen. Oder den humorigen Backgroundchören. Oder der Flöten-Melodie im Refrain. Hier wird die dem Wiener immer wieder zugesprochene Morbidität zelebriert, mit Augenzwinkern und liebevollem Pop-Geschrammel.
Und ja, es wird bei der jungen Wiener Band wieder einige geben, die diese Vorablorbeeren nicht verstehen oder sich gar darüber brüskieren. Nun, ich sehe Wanda eigentlich nicht als Spaltpilz. Eher als erfrischend politisch unkorrekte Popband mit - wie sie sich selbst gerne sehen - viel Amore. Und jeglichen Rest-Zweifel können sie dann bei den nächsten Live-Gigs und dem Debütalbum, das im Herbst erscheinen soll, vielleicht endgültig zerstreuen.
Ja, Panik - "Chain Gang"
Ich weiß nicht, ob ich Ja, Panik jemals so poppig, gut gelaunt und mit derart viel Disco-Appeal gesehen und gehört habe, wie bei "Chain Gang". Und das liegt nicht nur an den wundervollen Glitzeranzügen, die sich Andreas Spechtl und seine Band für das Video angelegt haben. Vielmehr sind es die funkigen Gitarren, die Kopfstimmen-Chöre, der unerbittlich groovende Tanzbeat und das locker flockige Arrangement, die "Chain Gang" zu einem so federleichten, unbeschwerten Popsong machen.
Der Musikclip legt ja schon zu Beginn nahe, diese Nummer käme von einer anderen Welt. Die eigene von oben sehen, mit viel Distanz im luftleeren Raum, scheint hin und wieder eine gute Idee zu sein. Ja, Panik schaffen es dabei auch noch, sich selbst nicht als das Zentrum des Universums zu inszenieren, sondern vielmehr sehr entspannt mit Tanzbein schwingendem Ansatz. Und das steht ihnen genauso gut, wie die glitzernden Anzüge.
Schmieds Puls - "Prague"
Mira Lu Kovacs hat eine begnadete Stimme, die tief berührt. Gemeinsam im Trio Schmieds Puls begeistert sie schon seit einiger Zeit viele Kritiker und Musikfans. Dazu braucht sie oft nicht mehr, als ihre Gitarre und ihren Gesang, wie bei ihrer Solo-Session von "Play Dead". Wobei "nur" eigentlich das falsche Wort ist, denn ihr Spiel mit den sechs Saiten ist ebenso beeindruckend, wie ihre scheinbar mühelose stimmliche Darbietung.
Für den Titel "Prague", vorgetragen mit Schlagzeug, Bass und Gitarre, haben sich Schmieds Puls und Regisseur Martin Schiske eine passend zum Song sehr gefühlvolle und atmosphärische Umsetzung einfallen lassen. In ruhigen, epischen Bildern wird Wolfram Gsell perfekt ins Szene gesetzt, der dieses Video mit sparsamen Acting und seiner Mimik trägt. Der stete Fluss wird immer wieder durch pointierte Schnitte unterbrochen, dezentes Zoomen, langsame Schwenks und ein guter Mix aus Detailaufnahmen und weiten Einstellungen machen "Prague" zu einem filmisch hervorragenden Werk, das den fantastischen Song, der immer wieder kurz vor dem Zerfallen ist, perfekt unterstützt.
Sleep Sleep - "Dirty Dog"
Schon das letzte Video zu "Gospel" hat mich fasziniert. Nun legt Sleep Sleep mit "Dirty Dog" ein von der Machart ähnliches Filmchen nach. Zusammengeschnitten und montiert wurden Bilder von dem Ende der sechziger Jahre gedrehten Film "Death Rides a Horse" von Giulio Petroni. Der alte Western liefert eine hervorragende Atmosphäre für die Nummer, die sich wie ein einsamer Wüstenritt anhört.
In diesem Fall geht das Musikvideo mit dem Song eine derart starke Symbiose ein, dass man sie danach nur sehr schwer wieder voneinander trennen kann. Wie auch zu "Gospel" flirren einem die starken Bilder durch den Kopf, wenn man dem großartigen, cinemascope-artigen Sound von Sleep Sleep lauscht. Und mehr kann ein gutes Musikvideo wohl nicht leisten.