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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

15. 4. 2014 - 13:02

"Mein Herz erzog der Erzherzog"

Titanic-Redakteur Michael Ziegelwagner widmet seinen ersten Roman "Der aufblasbare Kaiser" der Monarchie. Was wäre, wenn Otto Habsburg-Lothringen als Thronfolger regieren würde?

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16. Juli 2011. Zwölf Tage nachdem Otto Habsburg-Lothringen, von manchen auch Otto von Habsburg genannt, gestorben ist, hat sein Leichnam bereits den Weg seiner eigenen Wallfahrt angetreten. Über die St-Ulrich-Kirche im bayerischen Pöcking zur Theatinerkirche St. Kajetan in München, aufgebahrt in der Basilika in Mariazell bis zur Kapuzinerkirche in Wien. Hier soll der Sarg schließlich zum Wiener Stephansdom überführt werden, wo Kardinal Schönborn die Totenmesse halten wird, ehe der älteste Sohn des letzten Kaisers von Österreich und Kronprinz der österreichisch-ungarischen Monarchie in der Kapuzinergruft beigesetzt wird.

Mehr als zehn Jahre wurde die Zeremonie hinter den Kulissen vorbereitet, also noch zu Lebzeiten von Otto Habsburg. Rund 3.500 Gäste werden am Trauerzug teilnehmen, überall stehen bunte Fahnenträger, Relikte längst vergangener Zeiten und vergessener Traditionen, dutzende Schaulustige warten vor dem Stephansdom. Das Polizeiaufgebot ist riesig.

Der Sarg von Otto Habsburg-Lothringen und viele Menschen beim Stephansplatz

APA / Roland Schlager

Der ORF überträgt die Messe und die Trauerfeier in dutzende Länder und auch ich hab mir aus dem ORF-Kostümfundus einen Anzug ausgeliehen und bin mit Roland Adrowitzer und einem Kamerateam vor Ort. Mein Job: Prominente vor dem Einzug in den Stephansdom abfangen und sie fragen, ob sie noch kurz ein paar Worte in die Kamera sagen wollen. Als Vorbereitung habe ich mir die Fotos aller erwarteten Adeligen ausgedruckt und ihre korrekte Ansprache inklusive Titel auswendig gelernt. Meine Hände sind etwas schwitzig, kein Wunder bei der Hitze und dem dicken Stoff des Anzugs.

Ich warte am Seiteneingang, da biegt Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein ums Eck. Ich laufe zu ihm hin, doch ich bin zu spät, Hans-Adam ist bereits im Stephansdom verschwunden. Mist. Ein weiteres Mal soll mir das nicht passieren. Erneut fährt eine schwarze Limousine vor, das schwedische Königspaar steigt aus. Ich spreche mit der Security vorm roten Teppich, ich müsse durch und zu Silvia und Carl Gustaf hin, wir wollen ein Interview. Und dann stehe ich vor der Königin von Schweden. Sie schaut verdutzt und gibt mir - wohl aus Instinkt - erstmal die Hand, ich überlege, wie ihre korrekte Ansprache nochmal geht, ihre königliche Majestät oder war's doch was anderes, als mich plötzlich etwas zu Boden reißt. Der Typ von der Security hatte wohl Angst bekommen, ich würde die Veranstaltung unnötig stören und mich am Krawattl gepackt. Silvia von Schweden spaziert an mir vorbei, als wäre nichts passiert - Königinnenalltag. Was für ein fail, wieder kein Interview. Zehn Minuten später schreibt mir Christian Pausch, der sich gerade in Island aufhält, ob ich das etwa war, der gerade von der Security weggezogen wurde. Er hätte mich im Fernseher gesehen...

Das schwedische Königspaar

APA / Helmut Fohringer

Aufgeblasen

Buch "Café Anschluß"
Michael Ziegelwagner über Stereotypen und spitzfindige Verschrobenheiten, mit denen er als Österreicher in der deutschen Börsen-Metropole Frankfurt am Main konfrontiert wird.

Otto Habsburg-Lothringen und dessen Tod ist nicht nur zentraler Bestandteil meines zu lange geratenen Prologs, er steht auch im Zentrum von Michael Ziegelwagners Roman "Der aufblasbare Kaiser". Darin geht es um die 26-jährige Vera Beacher (wie in "beachten"), die mit ihrer älteren Schwester und ihrem etwas gefühlskalten Freund in Wien wohnt. Sie ist Büroangestellte und muss sich täglich mit ihrem infantilen und begriffsstutzigen Kollegen herumschlagen, den sie hinter seinem Rücken "Trottel" nennt. Außerdem soll "Beachy" die Junggesellinnenfeier ihrer angeblich besten Freundin "Zecky" organisieren, worauf sie aber überhaupt keine Lust hat. Kurz gesagt: Vera führt ein ganz normales, stinkfades Leben.

Als sie dann auch noch in der Badewanne ausrutscht und sich am Bein verletzt - ihrer Mutter fehlt nie etwas - wird ihr klar, dass sie etwas ändern muss. Sie braucht Würze in ihrem Alltag, etwas Besonderes, um zu ebensolchem zu werden.

In der Zeitung liest sie von Otto Habsburg, dem Mann, der niemals Kaiser war und sie tappt in die "Monarchistenfalle". Otto Habsburg könnte der Mann sein, der ihrem Jahr 2011 einen Hintergrund geben könnte, wenn er einst auf den Thron gekommen wäre. Er könnte Veras Leben zu etwas Besonderem machen:

"Dieser Mann könnte heute in der Hofburg sitzen, aus der Vergangenheit hereinragen, Namensgeber einer Epoche; ob als würdige Majestät oder als reaktionärer alter Depp, das war nicht so wichtig, man würde loyaler Untertan sein können oder glühender Republikaner, der den Sturz des Kaisers zum Kampfziel seiner Generation machte, dachte sie, und wenn der Kaiser stirbt, kann man sagen: Ich habe noch einen letzten Zipfel von etwas Aussterbendem erwischt."

Otto Habsburg-Lothringen

APA/ROBERT JAEGER

Per Zufall lernt Vera den "Legitimistischen Club" kennen, eine Wiener Geheimloge. Eine Ansammlung alter Herrschaften, Relikte längst vergangener Zeiten, teils reaktionär und antisemitisch, Möchtegerntschechen, die nur eines wollen: Otto Habsburg-Lothringen als Kaiser. Der Club verweigert die Absetzbarkeit des alten Herrscherhauses und fordert die Monarchie zurück. Vera ist sich sicher: in der Nähe der dauertschickenden und alkoholisierten Legitimisten - übrigens bezeichnete sich auch Otto Habsburg-Lothringen selbst als Legitimist - wird sie ihre Sehnsucht nach Exklusivität und schillernder Historie stillen können.

Mann mit Sonnenbrille und Zwirbelbart, Buchcover von Michael Ziegelwagners "Der aufblasbare Kaiser"

Rowohlt Verlag

Michael Ziegelwagners Roman "Der aufblasbare Kaiser" ist im Rowohlt Verlag erschienen.

Für den Autor Michael Ziegelwagner ist Monarchie ein Thema, das sich tief in seinen Gehirnwindungen festgesetzt hat. Und so handelt das Buch auch davon, uns die Sichtweise der immer noch existierenden Legitimisten näher zu bringen. So wird zum Beispiel darüber philosophiert, dass die Verteilung der Talente und geistigen Kräfte bei Menschen immer unterschiedlich sei und wenn wir das akzeptieren, müssten wir auch die Geburt miteinbeziehen, weil auch sie auf Zufall basiere. Und so hätte jede Seele die gleiche Chance als Kaiser geboren zu werden und das sei doch Gerechtigkeit pur.

Mit "Der aufblasbare Kaiser" wagt sich der gebürtige Niederösterreicher Michael Ziegelwagner aus seiner gewohnten Humorblase heraus. Hauptberuflich ist dieser nämlich Redakteur beim Satiremagazin Titanic.

In seinem Romandebüt beweist Ziegelwagner, dass er auch schreiben kann, ohne von Pointe zu Pointe zu hetzen. Zwar besitzt das Buch ironische und äußerst amüsante Zwischentöne, besteht aber zu großen Teilen aus scharfen Beobachtungen, detaillierten Charakterbeschreibungen, klugen Thesen und fast schon philosophischen Weltanschauungen. Das Buch hat definitiv Charme - und da macht es auch wenig aus, dass dabei die Handlung des Romans manchmal beinahe nebensächlich wirkt.