Erstellt am: 12. 4. 2014 - 17:05 Uhr
Oranienplatz geräumt
Alles hatte im Herbst 2012 begonnen, als sich eine Gruppe von Flüchtlingen von Würzburg aus auf einen langen Protestmarsch nach Berlin gemacht hatte. Die Refugees, wie sie sich nennen, campierten im Hungerstreik vor dem Brandenburger Tor, wurden von dort vertrieben und ließen sich am Oranienplatz nieder, weitere Refugees aus Lampedusa kamen nach. „Keine Abschiebungen, keine Lager, keine Residenzpflicht“ waren ihre Forderungen.

Oranienplatz
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Forderungen, die bis heute nicht erfüllt sind, von der Stadt Berlin und dem Bezirk aber gar nicht erfüllt werden konnten, weil für die Flüchtlings- und Asylpolitik das Bundesland zuständig ist. Eineinhalb Jahre wohnten die Flüchtlinge zuerst in Zelten, dann in Hütten. Die Ratten kamen, die Lage spitzte sich zu, die Anwohner waren genervt. Teilweise zogen die Bewohner des Lagers in eine leerstehende Schule um, teilweise kamen neue Flüchtlinge auf den Platz nach.
Wegen des Camps hatte es nicht nur heftigen Streit zwischen Senat und Bezirk gegeben, sondern auch in der rot-schwarzen Berliner Landesregierung. Der Innensenator der konservativen CDU hatte immer wieder eine Zwangsräumung durch die Polizei angedroht. Der Senat setzte dann aber auf Verhandlungen mit den Flüchtlingen, die Integrationssenatorin von der SPD führte wochenlang Gespräche.

Flüchtlingscamp am Oranienplatz
Die Lage wurde immer verzwickter – den Unterstützern und linken Gruppen wurde vorgeworfen, die Refugees aufzuwiegeln und zu instrumentalisieren, es gab Streit um ein Spendenkonto, auf dem plötzlich 11000 Euro fehlen und bei all dem Hick Hack wurde die Lage der Flüchtlinge in der Kälte und im Dreck auf der Grünfläche nicht besser.
Wer sich für ihre Schicksale interessierte, konnte ihre Verzweiflung wohl verstehen: Sie flohen vor dem Krieg in ihrer Heimat oder vor dem in Syrien. Nach der Flucht mit einem Boot übers Mittelmeer, dem Tod von Familienmitgliedern, der Kasernierung in Lampedusa oder anderen Lagern sind sie schwer traumatisiert und haben nichts mehr zu verlieren.
Jetzt wurde ihnen die Einzelfallprüfung ihrer Asylanträge zugesagt und eine Unterkunft versprochen, wenn sie das Camp freiwillig räumen. Allerdings galt dies nicht für die Flüchtlinge, deren Asylantrag bereits abgelehnt wurde.
Nun wurde am Mittwoch geräumt, und die Flüchtlinge rissen wie vereinbart ihre Hütten selbst ab und zogen in ein leerstehendes Hostel um. Dabei wurden sie teilweise von ihren „Unterstützern“ abgedrängt und behindert. Die halten nämlich das Aufgeben für falsch, so lange nicht alle Forderungen erfüllt wurden.
Nach der Räumung wurde der Platz mit Bauzäunen abgesperrt, Räumfahrzeuge der Stadtreinigung räumten den Schutt weg. Polizeibusse und hunderte von Polizisten sicherten den Ort. Es schien Ruhe eingekehrt, die Fläche soll neu begrünt und bepflanzt werden, Politiker der verschiedenen Parteien feierten den Triumph. Zwei Mitglieder der Junge Union malten in Schönschrift „Danke Frank“ auf ein Pappschild und ließen sich vor der Kulisse des geräumten Platzes fotografieren. Ihr Dank richtet sich an ihren „Schwarzen Sheriff“, den Innensenator Frank Henkel. Im Netz hat das Foto aber für viel Spott gesorgt, binnen weniger Stunden gab es mehrere Tumblr-Blogs wie juschilds.tumblr.com, auf denen man sich über das Bild lustig machte.

Junge Union
Ruhe ist außerdem noch längst nicht eingekehrt. Es spielen sich eher surrealistische Szenen am Oranienplatz ab. Seit Mittwoch verharrt eine protestierende Frau aus dem Sudan auf einer großen Platane, eingehüllt in einen Schlafsack, und weigert sich herunterzukommen. Die Polizei breitete inzwischen unter dem Baum Matten aus, weil befürchtet wird, dass die Baumbesetzerin aus Entkräftung abstürzt.
Und auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes sind inzwischen wieder einige Flüchtlinge und Unterstützer in einen Hungerstreik getreten.