Erstellt am: 12. 4. 2014 - 12:25 Uhr
Am meisten leiden die Arbeitnehmer
fm4.ORF.at/euwahl
Alle Geschichten zur Wahl des Europa-Parlaments am 25. Mai 2014.
Ende Mai finden die EU-Wahlen statt - und auch wenn das Interesse geringer ist, als etwa jenes an der letzten Nationalratswahl, kann man den wirtschaftlichen Impact dieser Wahl wohl kaum vernachlässigen.
In den Wochen vor der Wahl werde ich die Spitzenkandidaten der (im österreichischen Nationalrat vertretenen) Parlamentsparteien auf ihre wirtschaftspolitischen Positionen abklopfen. Heute:
Eugen Freund, SPÖ
Während die Sozialdemokraten in Österreich vor allem erklären müssen, wie eine Bankenrettung die versprochene "soziale Gerechtigkeit" zunehmend gefährdet, hoffen sie in Europa auf einen Richtungswechsel. Zu ihren Gunsten. Die SPÖ hat den Wahlkampf ein bisschen spannender gemacht, indem sie auf ein aus dem Fernsehen bekanntes Gesicht gesetzt hat. Und prompt hat Eugen Freund mit seiner Aussage über "3000 Euro brutto Durchschnittslohn für Arbeiter" Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker gegossen.
APA/GEORG HOCHMUTH
Die SpitzenkandidatInnen im Interview
- Harald Vilimsky, FPÖ: "Es gibt undurchsichtige Strukturen"
- Ulrike Lunacek, Grüne: "In Krisenzeiten nicht am Sozialen sparen"
- Eugen Freund, SPÖ: "Am meisten leiden die Arbeitnehmer"
- Angelika Mlinar, NEOS: "Ich bin eher marktgläubig"
- Othmar Karas, ÖVP: "Verfechter der ökosozialen Martkwirtschaft"
Wo muss eine Arbeiterpartei heute stehen?
Das war die erste Frage, die Michi Fiedler in meiner Vertretung dem SPÖ-Kandidaten gestellt hat. Die Antwort:
Eugen Freund: Ich glaube, die Arbeiterpartei muss im Jahr 2014 genau dort stehen, wo sie in den letzten Jahrzehnten immer gestanden ist: auf der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Weil die unter der Politik, die in den letzten Jahren betrieben wurde, am meisten leiden. Die leiden darunter, dass die neoliberalen Kräfte und die konservativen Kräfte uns in diese Krise geführt haben. In eine Krise, die die schwerste in Europa war, die wir seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erlebt haben. Und die uns auch sehr schlecht aus dieser Krise herausgeführt haben: Insofern, als es natürlich eine Mehrheit der Regierungschefs im Europäischen Rat gibt, die von den Konservativen gestellt wird und es gibt eine Mehrheit der Konservativen im europäischen Parlament. Zwei der wichtigsten Institutionen werden also von konservativen Parteien dominiert. Der Kommissionspräsident ist ein konservativer Regierungschef aus Portugal. Hier sieht man ganz deutlich, dass die sozialdemokratischen Parteien natürlich auch zum Beispiel für die Rettung der Banken gestimmt haben, weil das gesamte ökonomische System sonst zusammengebrochen wäre, aber dass wir gleichzeitig auch immer verlangt haben, dass es Maßnahmen geben muss, die auf Wachstum hingehen und die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute kommen.
Gegencheck Teil 1, Michael Nikbakhsh (Profil)
An dieser Stelle kommentiert Michael Nikbakhsh vom Magazin "Profil" die wirtschaftspolitischen EU-Agenden des SPÖ-Spitzenkandidaten. Sein Kommentar zu dieser Aussage:
Eugen Freund hat ohne Zweifel recht, wenn er die Ursachen dieser schweren Krise dem Finanzsektor zuschreibt und der Alternativlosigkeit, diesen zu retten. Wobei sich rückblickend schon die Frage stellt, ob man das in diesem Ausmaß hätte tun müssen und sollen. Faktum ist aber auch - und hier möchte ich doch klar widersprechen - dass die Finanzkrise und der schiefliegende Finanzsektor auf ausufernde Staatsschulden getroffen sind, quer durch Europa. Und diese waren ja wohl Folge ineffizienter Sozialsysteme. Da müssen sich die sozialdemokratischen Parteien in Europa schon die Frage gefallen lassen, wo sie denn da waren, als die Staatsschulden allesamt aus dem Ruder gelaufen sind.
Was läuft falsch in der EU?
Noch sind wir nicht aus der Krise, noch immer überlegt etwa die EZB, weitere Schritte zu setzen. Wir wollten von Eugen Freund wissen, was er am Status Quo der europäischen Krisenbekämpfung kritisiert.
Ich bin ja auch einer der immer wieder kritisiert, was sich momentan bei den Banken abspielt, dass die von der EZB Kredite um sehr sehr wenig Zinsen bekommen, um 0,25%, und dieses Geld aber nicht in die Realwirtschaft übergeleitet wird, wo es wirklich benötigt wird. Klein- und Mittelbetriebe haben größte Schwierigkeiten, wenn sie sich vergrößern wollen, wenn sie auch mehr Leute aufnehmen wollen. Aber dieses Geld wird wieder in sehr fragwürdige Finanzprodukte investiert, weil man sich da vielleicht erhofft, sehr schnell viel Geld zu machen. Das ist der große Fehler und dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Gegencheck, Teil 2
Michael Nikbakhsh vom Profil meint zu dieser Aussage:
Generell gesagt trifft die Analyse zu, dass die Banken sich praktisch zinsenfrei bei der EZB Geld ausborgen können, um anschließend damit - auch - in windige Produkte zu investieren. Ich würde mir allerdings von Eugen Freund doch etwas mehr Differenzierung erwarten. Es stimmt natürlich nicht, dass die Banken hier ausnahmslos billig Geld nehmen um damit zu zocken und es stimmt natürlich auch nicht, dass die Kleinkreditnehmer die er hier genannt hat, ausnahmslos Schwierigkeiten hätten, an Kredite zu kommen. Zumal in Österreich. Wäre das so, dann wäre unsere Wirtschaft längst zusammengebrochen. Also das ist hier eine - wenig überraschend, aber doch - sehr populistische Annahme, das so stark zu generalisieren.
Die möglichen Auswege?
Eugen Freund: Die EU sollte sich nicht in alles einmischen, sondern sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern. Die Finanztransaktionssteuer ist ein ganz wichtiges Element dieser neuen Politik, die vor uns steht. Und das zweite ist sicher auch der Kampf gegen die Steuerbetrüger. Das sind 1000 Milliarden Euro, die in Europa jedes Jahr am Fiskus vorbeigeschleust werden. Es ist wichtig, dass man an dieses Geld herankommt, durch den internationalen Datenaustausch - nachdem der Widerstand Österreichs aufgegeben wurde von einer Finanzministerin, die jetzt nicht mehr in der Regierung ist. Wenn man davon 10% bekäme, sind das 100 Milliarden Euro. Das ist ein großartiger Betrag, mit dem man sehr sehr viele von den Zielen, die wir Sozialdemokraten haben, erreichen kann.
Gegencheck, Teil 3
Michael Nikbakhsh vom Profil meint zu dieser Aussage:
Die Finanztransaktionssteuer begleitet uns als Thema nun schon einige Jahre. Von verschiedenen Seiten heißt es immer wieder, wir bräuchten sie ganz dringend. An sich ein ganz interessantes Konzept, mit einer sehr wichtigen Einschränkung: Wenn sie nicht global eingeführt wird, dann wird sie nicht den gewünschten Effekt erzielen. Kapital ist bedauerlicherweise aber auch bekanntlich ein scheues Reh und in Zeiten wo Finanztransaktionen ausnahmslos elektronisch abgewickelt werden, werden Kapitalströme dorthin abwandern, wo es keine Finanztransaktionssteuer gibt. So gesehen würde das den Effekt, den man sich davon erwartet, wohl nicht erzielen, solange sie nicht global eingeführt wird.
Steuerflucht ist eines der Themen, das uns Journalisten ja nun schon die längste Zeit beschäftigt. Und da geht es nicht nur um den Fall Uli Hoeness, der ohne Zweifel einer der prominenteren ist. Und ja, klar: Bedingungslose Zustimmung zur Schließung aller Steuerschlupflöcher. Da hat Österreich noch einigen Nachholbedarf. Das Bankgeheimnis für Ausländer wird ja nun demnächst gekippt werden. Dessen ungeachtet sehe ich noch größere Probleme im Zusammenhang mit Großbritannien und verschiedenen Inseln, auf denen man nach wie vor sehr steuerschonend diverse Trusts gründen kann, um dort Kapital hinzuverbringen. Da wünsche ich Eugen Freund viel Glück bei den Verhandlungen mit der City of London. Aber in diesem Punkt gehe ich völlig konform mit ihm: Schließen aller Steuerschlupflöcher würde einiges bewegen.