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Martin Pieper

radio FM4

Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

4. 4. 2014 - 17:11

Generation XYZ

Generationsbullshit-Bingo anlässlich dreier Bücher, die ein „Wir“ unter dem Zeichen des Y konstruieren wollen.

Versuch eines Trinkspiels: Jedes Mal, wenn in einem dieser neuen Bücher, die das Lebens-, Liebes- und Arbeitsgefühls einer sogenannten „Generation“ beschrieben wollen, ein Satz mit „Wir sind“ beginnt, muss getrunken werden. Als Spielmaterial haben wir drei Bücher vom Stapel gezogen, die in diesem Frühjahr erschienen sind.

Zumindest in zwei Fällen dürfte man schon nach ein paar Seiten vom Sessel kippen. Mir selbst wurde noch das Schild Generation X umgehängt, das wurde immerhin noch von einem Schriftsteller literarisch definiert. Douglas Couplands Folgeroman Generation A hingegen blieb eher unbeachtet.

Dafür kümmern sich jetzt gleich drei deutsche Journalistinnen und Journalisten um die Befindlichkeiten der "Generation Y" (also ungefähr der Jahrgänge 1980 bis 1995).

Oliver Jeges: Generation Maybe. Die Signatur einer Epoche

Haffmans & Tolkemitt

Oliver Jeges: Generation Maybe – Die Signatur einer Epoche, Verlag Haffmans Tolkemitt

"Wir sind die Richtungslosen, die sich nicht entscheiden können oder wollen"

Oliver Jeges, Jahrgang 1982, hat für sich und seine Freunde die „Generation Maybe“ ausgerufen. Der großspurige Untertitel des gleichnamigen Buches: Die Signatur einer Epoche. Das klingt gut für das Insert des zukünftigen Talkshowgastes Jeges, der dem staunenden Publikum, von seinen Freunden erzählt, und „wie die jetzt so drauf sind“. Nachdem ohnehin nur noch Babyboomer, Veteranen und Gen X Menschen einen Fernseher besitzen, reicht das vielleicht auch. Wenn man sich allerdings durch die knapp 200 Seiten durchgekämpft hat, bleibt auch nicht sehr viel mehr übrig.

Aber wurden die grundlegende Eigenschaft dieser Generation Maybe (Orientierungslosigkeit wegen zu vieler Lebensoptionen) nicht schon genauso der Generation X angedichtet? Ja eh, natürlich – das Internet, die Selbstdarstellung und Selbstoptimierung, das kommt alles genauso und erwartbar vor.

Für softe Sachbücher wie „Generation Maybe“ reicht im Zweifelsfall allenfalls „ein Freund“ als Beleg oder das Leben des Autors selbst. Das liest sich dann so: „In meiner Generation haben wir alle unsere Lücken. Meine Defizite liegen im Bereich Erd- und Sachkunde, und mit Zahlen hab ich es auch nicht unbedingt.“ Im Kapitel über Liebe und Sex schaut natürlich die Generation Porno kurz vorbei. Popmusik ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Essen ist wichtig und vielleicht ist es mit der Political Correctness ein bisschen zu weit gegangen. So ungefähr lässt ich das Buch über die angebliche „Generation Maybe“ zusammenfassen. Viel mehr ist da nicht. Liest sich wie eine alte Neon-Ausgabe im Zahnarztvorzimmer, die sich als gebundenes Buch wichtig machen will.

Ursula Kosser: Ohne Uns. Die Generation Y und ihre Absage an das Leistungsdenken

Dumont Buchverlag

Ursula Kosser: Ohne Uns – Die Generation Y und ihre Absage an das Leistungsdenken, Dumont]]

"Wir sind die ersten ADHS Kinder, die jetzt erwachsen sind"

Wenn dieser Satz stimmt, dann wird es Ursula Kosser mit ihrem Buch „Ohne Uns - Die Generation Y und ihre Absage ans Leistungsdenken“ bei dieser Zielgruppe schwer haben. Aber ihre Perspektive ist sowieso eine ganz andere. Die Autorin ist 1955 geboren und ist, wie der Klappentext sagt, „selbst Mutter einer Y-Tochter“. Damit ist auch die Stoßrichtung klar. Eine Erziehungsberechtigte erklärt anderen Erziehungsberechtigen, wen sie da eigentlich erzogen haben. Das muss jetzt nicht gleich uninteressant sein. Ein Blick von außen auf die ohnehin zur Selbstdarstellung und Selbstbespiegelung neigende Generation Y könnte ja durchaus einige blinde Flecken der Eigenwahrnehmung aufdecken.

Immerhin stützt sich Kosser in ihrer Diagnose der neuen Wertvorstellungen nicht nur auf Erzählungen von Freunden ihrer „Y-Tochter“, sondern zitiert auch gerne die eine oder andere Studie. Der größte Teil des Buches widmet sich dann verwirrenderweise feministischen Fragestellungen, die weniger mit Generationen als mit dem Geschlechterverhältnis am Arbeitsmarkt zu tun haben. Ein Etikettenschwindel, um nicht das F-Wort auf das Cover schreiben zu müssen?

Die Vereinbarkeit von Work und Life, Familie und Karriere, diese eigentlich „alten Themen“ stehen im Mittelpunkt des Buches. Oder um es in der knackigen Sloganhaftigkeit dieser Sorte Sachbuch zu formulieren: Opt Out statt Burn Out. Dass eine Feministin der alten Schule, wie sich die Autorin darstellt, so gar kein Problem damit hat, dass junge Frauen mit „Feminismus“ nichts mehr anfangen können, irritiert. Der betuliche Grundton („Ich wage mich mutig in einen Blog - das ist tatsächlich leichter als ich dachte.“), der mit einer affirmativen Inschutznahme dieser „Generation Y“ einhergeht, wird Leser genau dieser Generation nerven. Dafür kann man „Ohne Uns“ schon gut seinen Eltern schenken.

Kerstin Bund: Glück schlägt Geld. Generation Y: Was wir wirklich wollen

Murmann Verlag

Kerstin Bund: Glück schlägt Geld - Generation Y: Was wir wirklich wollen, Verlag Murmann

"Wir wollen nicht leben wir ihr"

Ein längerer Artikel, der erstmals in der Wochenzeitung Die Zeit erschienen ist, wurde jetzt zum Ausgangspunkt für ein Buch, das mit dem Untertitel „Was wir wirklich wollen“ nicht gerade bescheiden daher kommt. „Glück schlägt Geld“ heißt das Buch von Zeitjournalistin Kerstin Bund (Jahrgang 1983). Ihre Diagnose enthält zwar einerseits die mit Abstand die meisten „Wir sind…“ Sätze der hier besprochenen Bücher, ist allerdings das differenzierteste, wenn es darum geht, die inhärenten Widersprüche jeder Generations-Definition mit zu bedenken. Klar, meint sie, ist mit dem meisten, was sie beschreibt, das privilegierte obere Viertel der Gesellschaft gemeint, gut ausgebildet, ökonomisch abgesicherter familiärer Background mit dem Lebensmittelpunkt Deutschland. Aber ihre, etwas vage Hoffnung ist, dass ihre Generation Y die Arbeitswelt für alle umkrempeln wird.

Ihre Thesen, die auch Kerstin Bund mit den Generations-Bücher typischen „Meine Freundin Susanne…“ Geschichten illustriert, stützen sich allerdings nicht nur auf persönlich erlebtes, sondern auf demografische Daten und Gespräche mit allerlei Expertinnen und Experten. Nicht der Arbeitnehmer wird sich in Zukunft bewerben, sondern die Unternehmen müssten sich bei den immer anspruchsvoller gewordenen Arbeitssuchenden bewähren. Von Krise ist in diesem Buch kaum was zu spüren, eher ein – nicht immer erklärlicher - Optimismus. „Die Privilegierten werden zu Pionieren und setzen in der Unternehmenswelt Standards, von denen am Ende auch die weniger Privilegierten profitieren.“

Immerhin gibt die Autorin eine halbwegs trennscharfe Antwort auf Frage, wie alt diese Generation Y überhaupt ist (es sind laut Kerstin Bund die 1980 bis 1995 geborenen) und was sie jetzt eigentlich von ihren medialen Vorgängern der Generation X unterscheidet. Ab circa Seite 120 fühlt man sich aber auch bei „Glück schlägt Geld“ im Hamsterrad eines unendlichen Zeit-Magazin-Artikels gefangen.

Jeder glaubt uns zu kennen: aber niemand scheint uns zu mögen (außer unsere Eltern).

Generations-Diagnose-Bücher sind ein bisschen wie die Horoskope auf Zuckerpackungen. natürlich wirft man einen verstohlenen blick drauf, freut sich insgeheim, wenn man sich in den Eigenschaften wiedererkennt oder protestiert mitunter lautstark, wenn man sich eben gar nicht getroffen fühlt.

Douglas Coupland hat Anfang der 90er Jahre mit seinem Roman Generation X den Grundstein für alle dies Bücher gelegt. Seitdem sind viele Begriffe die Donau hinunter geflossen: Generation Golf, Generation Umhängetasche, Generation Praktikum, Generation Porno, die 89er, die Millenials, etc. etc. Was als leicht verpeilte, aber treffliche Befindlichkeitsliteratur begonnen hat, ist inzwischen kaum mehr als Verlags-, und Marketingversprechen.