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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

20. 3. 2014 - 11:32

FM4 Radio Session von William Fitzsimmons

Der Bart ist nur der Bart: Der US-Musiker William Fitzsimmons spielte eine FM4 Radio Session mit Gänsehautfaktor, bei der aber auch der Spaß nicht fehlen sollte.

FM4 Radio Session

Das Konzert von William Fitzsimmons für 7 Tage im Videostream

Der Bart ist nur der Bart
Der Nachbericht der FM4 Radio Session mit William Fitzsimmons (Eva Umbauer)

Der Mann der leisen Töne
Der Songschreiber (und Therapeut) William Fitzsimmons und sein neues Album "Lions" (Eva Umbauer)

Vom verinnerlichten Singer/Songwriter-Bart spricht Martin Blumenau, den schon hinter der Bühnentür wartenden William Fitzsimmons ankündigend. Dann kam er. Der mit dem Bart. Er kam, sah und hatte da auch schon gewissermaßen gewonnen. "I offer myself to you", sind die ersten Worte, die William Fitzsimmons singt. Ein passender Einstieg. Ist ja auch ein Bühnen-Professional, dieser Mann aus Springfield, Illinois, auch wenn er bei seinem "Danke" zwischen den Songs fast immer ein wenig verwundert klingt. Verwundert, dass er hier sein darf, dass er ein Publikum hat.

"Centralia" heißt der Song, mit dem William Fitzsimmons beginnt; es ist die erste Single von seinem neuen Album "Lions". In "Centralia" heißt es: "We burn like fire". Das lodernde Feuer, ein Bild, das immer wieder vorkommt bei William Fitzsimmons, der etwas später seine Arme heben wird, samt Rotweinglas in der Hand, und sagt, dass er "mostly happy songs" spielen wird, obwohl er nicht viele davon hat. Eine Karte, die William Fitzsimmons gerne spielt, denn es sind seine tieftraurigen Lieder, die sein Publikum hören möchte. Genau deswegen ist man schließlich gekommen. Da lodert also ein (biblisches) Feuer in "Centralia", jenem Stück dieses sehr amerikanischen Songschreibers William Fitzsimmons, das in der US-Kleinstadt Centralia seinen Ausgang nimmt - wo seit Jahren ein unterirdisches Kohlefeuer brennt, das den Ort beinahe unbewohnbar gemacht hat. Aber man muss die Inhalte der Fitzsimmons-Songs eigentlich gar nicht kennen oder zumindest nicht näher, um von ihnen gepackt zu werden.

William Fitzsimmons und Band

Christian Stipkovits

Bei diesem Konzert jenes Mannes, dessen künstlerische Fähigkeit es ist, die dem Leben innewohnenden Spannungen mit einer trügerischen Ruhe auszudrücken, sitzt von der ersten Sekunde an dramaturgisch alles. Da legen zuallererst die Drums kurz los, bevor sie sogleich wieder verstummen und der Figur William Fitzsimmons Raum geben. Aufgekrempelte Jeans trägt er, zu den Punk-Schnürstiefeln. Dazu die John Lennon Brillen und der, ja, Bart, aber der ist ja, wie Blumenau sagte, nur der Bart, eine Art Symbolbild. Eigentlich ist William Fitzsimmons ja ein Indie-Emo-Punker, wie er im Buche steht. Kein Hippie? Gar nicht so sehr, nein. Sein Tattoo, am rechten Unterarm, das er immer gut sichtbar präsentiert, ist ein großer schwarzer Anker, und dazu das Wort "Josie". Josie ist die kleine Adoptivtochter von William Fitzsimmons, und "Josie's Song" vom neuen Album ist gleich der nächste Song. Schade, dass Rosie Thomas nicht hier ist, die US-Sängerin aus Chicago, die mal bei Sub Pop ihre Musik veröffentlichte; sie singt Backing Vocals auf dem neuen Fitzsimmons-Album. Ja, schade, dass sie nicht dabei ist, aber insgesamt ist das dann hier nur Jammern auf hohem Niveau. "Beautiful Girl" heißt der nächste Song, von Fitzsimmons' letztem Album "Gold In The Shadow", 2011 erschienen.

Schön dich zu sehen, Wien! Wie geht's?

"Gut!", ist natürlich unsere Antwort. Thanks for asking. Jetzt kommt der Moment, wo William Fitzsimmons die Arme hochhebt wie ein Priester bei der Messe. Er hat ja etwas Mönch-artiges an sich, optisch, und auch hinsichtlich des Zelebrierens der Stille. Aber William Fitzsimmons ist wahrlich kein Mönch, wie wir im Laufe des Abends noch erleben werden. Aber jetzt spielt er mal "Brandon", wieder einen Song vom neuen Album, inspiriert von Brandon Teena aus dem Hollywoodfilm "Boys Don't Cry". William Fitzsimmons steht auf der Bühne mit einer semi-akustischen Gitarre, dazu gibt es ein wenig Keyboards, gespielt von Adam Popick.

Dann setzen wieder die Drums ein, gespielt vom jungen Holländer Simon Levi. An der Leadgitarre ist Jake Philipps. Es folgt "From You" vom neuen Fitzsimmons-Album. William Fitzsimmons ist komplexer als ein Folk-Künstler, mehr als ein Americana-Artist. Fitzsimmons ist ein Popmusiker, spätestens seit seine Lo-Fi-Songs in US-Fernsehdramen wie "Grey's Anatomy" ihren Einsatz fanden. William Fitzsimmons greift jetzt zur Fender-Telecaster-Gitarre und erzählt, dass er ein Kind adoptiert hat. Ein leibliches hat er auch, aber, so witzelt er nun, der adoptierten Tochter kann er zumindest seinen starken Bartwuchs nicht vererbt haben. "That's a pretty good joke", meint er, über sich selbst schmunzelnd.

Jeans und Stiefel von William Fitzsimmons

Christian Stipkovits

"Took" folgt, einer der vielleicht besten Songs vom neuen Album, ein etwas beschwingteres Stück. Herrlich, wie gegen Ende des Stücks das Schlagzeug wieder dazukommt. Da groovt die Band jetzt kurz. Dann hebt William Fitzsimmons wieder sein Rotweinglas. "Life is full of extremes", sagt er. "There's a few things in between, but the older I get (I'm 23 now ;-)), the extreme seems to spread." Von einem guten Freund, der vor ein paar Wochen eine Krebsdiagnose erhielt, erzählt William Fitzsimmons, und wie es ihm, als Freund, damit geht. Einen Song, der da für ihn eine therapeutische Wirkung hat, spielt er nun: "Bird Of Winter Prey" vom "Gold In The Shadow"-Album; ein superschöner Song - komplett ohne Band -, der tatsächlich ein ganz klein wenig etwas hat von den musikalischen Helden des William Fitzsimmons: Nick Drake oder Elliott Smith.

"This is nice", sagt William Fitzsimmons. Ja, finden wir auch, während wir uns in unseren geräumigen Stühlen zurücklehnen. "I'm having fun", sagt er. Spaß und Freude, nicht so wie Sex und Kokain, fügt er hinzu, aber Spaß und Freude eben. Ahm, ok. Das ist dieser Typ, der Psychotherapeut ist, hab' ich vor dem Konzert jemanden auf der Straße über William Fitzsimmons sagen hören. Psychotherapeuten, meinte der Herr, sind alle ein wenig verrückt. Wie auch immer. Fitzsimmons sagt einen seiner alten Songs an, "When You Were Young", von seinem allerersten Album, "Until When We Are Ghosts" aus 2005. Wie ein 10-jähriger hab' ich damals geschrieben und komponiert, meint er, aber manche finden das noch immer gut. "I try to get back to the shit of my career." Passend heißt es dann auch im Stück "I was fucked up when you needed me the most".

William Fitzsimmons trägt tatsächlich einen Konflikt aus mit seinen frühen Songs, seiner Depression von damals, zumindest einen kleinen Kampf ficht er zwischen neugefundener - relativer - Happiness und der tiefen Traurigkeit von früher, die ihn in die Herzen seines Publikums gepusht hat. Es folgt ein straighter Übergang zu "Just Not Each Other" vom 2008er-Album "The Sparrow And the Crow". Nur Fitzsimmons und sein Gitarrist sind hier wie zwei alte Folk-Meister am Werk. Dann ist die komplette Band wieder da. William Fitzsimmons schnallt sich die Fender Telecaster um, und Adam Popick wechselt von den Keyboards und dem Bösendorfer-Konzertflügel erstmals zur Bassgitarre. Rockband-Dynamik entsteht. "Fade And Then Return" heißt der Song, vom "Gold In The Shadow"-Album.

William Fitzsimmons spielt Gitarre und singt leidenschaftlich.

Christian Stipkovits

"Fortune" vom neuen Album folgt, und Fitzsimmons ist nun mit der zweiten seiner semiakustischen Gitarren im Einsatz. Ups, da bin ich fast eingenickt. War das eben "Blood/Chest" vom neuen Album? Ob es uns eh noch gut geht, fragt William Fitzsimmons, und was wir mitnehmen werden von seinem Auftritt hier. Er, so sagt er, fühlt sich ja immer etwas "horny" nach einem Auftritt, sexy also. Äh, ja, sogar einen "boner" hat er. Tststs, dieses Wort dürfte ich zuletzt in den 90er Jahren bei Beavis & Butt-Head gehört haben. Es sind ja keine Kinder da, meint William Fitzsimmons, da kann er so etwas schon sagen. Obwohl, wenn seine beiden Töchter eines Tages da was auf YouTube finden, dann werden die sagen, "Schäm dich, Papa!". Hmm, das ist ja immer so eine Sache mit dem Reden zwischen den Songs bei Konzerten, allgemein, nicht nur bei diesem hier. Beeinträchtigt das die Schönheit der Songs? Unterbricht es die Dramaturgie des Abends? Oder ist es nötig zur Auflockerung? Wie meist, it's a fine line. "This is a song about holding on, it's called 'Hold On'". Es handelt sich um ein Stück vom zweiten Fitzsimmons-Album, "Goodnight", 2006.

Dann: "Lions", das Titelstück vom neuen Album, und hier hört man die Handschrift von Chris Walla, dem Gitarristen von Death Cab For Cutie, der das neue Fitzsimmons-Album produziert hat. "Lions" klingt wie ein kleiner Hit, mit einer gewissen Dynamik, und mit sehr hübschem Schlagzeug. Bassist Adam setzt sich wieder an den Konzertflügel und genießt das Greifen in diese Tasten sichtlich. "Afterall" von "Goodnight" ist dran. Das Schlagzeug setzt ein, und die Gitarren strahlen - fast ein wenig Fleetwood-Mac-artig, oder gar Carlos Santana, oder bin ich schon im Traumland, in dem mich der kurze, intensive Instrumental-Part da eben geschickt hat? Schnell noch an ein paar Knöpfen der Pedals zu Fitzsimmons' Füßen gedreht und dann Applaus. "Mend Your Heart" folgt, ein Song vom "Goodnight"-Album. Baroque-Pop vom Feinsten.

Zu den Zugaben kommt William Fitzsimmons mit einem Bierchen auf die Bühne. Bier auf Wein, das lass' sein, heißt ein alter Spruch, der aber nicht für diesen popmusikalischen Lebemann im Asketengewand gilt. Eine kurze Showeinlage muss noch her: zwei inzwischen freie Plätze im Saal sind ihm aufgefallen. Gespielter Zorn. Ach, in Europa müssen alle immer Züge erwischen, sagt William Fitzsimmons. Und seine Psychopharmaka hat er (angeblich) kürzlich verloren. Das Prozac verschmissen, oder absichtlich die Toilette runtergespült, who knows, aber wir müssen uns insgesamt um diesen Mann keine Sorgen machen, trotz Selbstmord-"Witzen".

Die Zeit läuft ab an diesem Abend, zwei komplette Stunden will William Fitzsimmons schließlich füllen. Hat er schon ein Cover gespielt? Nein, noch nicht, das kommt noch, in Gestalt von "Wonderwall" von Oasis. Nein, diese Coverversion war kein Witz. Fitzsimmons weiß, wann er vom Jokster wieder zum ernsten Künstler mutieren muss. "Let's play some old songs", sagt er. Gesagt, getan. Die komplette Band kommt zum Bühnenrand nach vorne, wie eine Runde Folksänger. "Passion Play" ist dran, einer jener Songs, mit denen William Fitzsimmons bekannt geworden war. Zwei akustische Gitarren, eine Melodica, und der Drummer klopft den Takt auf ein Flightcase. Gänsehaut bei diesen Folk-Minstrels hier. Applaus.

Und dann noch ein Tom-Petty-Cover: "Wild Flowers" ist ein später Song dieses großen US-Musikers, ohne dessen Heartbreakers, aus den 90er Jahren. A capella erst. Wieder Gänsehaut. Die Uhr tickt nun wirklich schon: Ein Solo-Stück muss noch her: Fitzsimmons und die akustische Gitarre: "So This Is Goodbye", erschienen 2010. Dann "Wonderwall". Er lacht und sagt, er sei beschwipst und verdiene keinen Applaus. Die Selbstgeißelung des Therapeuten, der nicht aufhören kann zu spielen: "You Still Hurt Me" ist der nächste Song, vom "Sparrow & The Crow"-Album. Dann aber doch schon der letzte Song: "Good Morning": die Punk-Tradition des Ohne-Mikro-Singens im Publikum. Beim Merch-Stand dürfen wir dann seinen Bart berühren, sagt er, so wir das wollen. Aber der Bart ist ja nur der Bart, hat Blumenau gesagt.

Danke für diese Therapiesitzung, William Fitzsimmons, wir sehen uns beim FM4-Frequency. Bin schon gespannt, was sich dieser ungewöhnliche Mensch und Künstler fürs Rockfestival einfallen lassen wird.

William Fitzsimmons Centralia
William Fitzsimmons Josie´s Song
William Fitzsimmons Beautiful Girl
William Fitzsimmons Brandon
William Fitzsimmons From You
William Fitzsimmons Took
William Fitzsimmons Bird Of Winter Prey
William Fitzsimmons When You Were Young
William Fitzsimmons Just Not Each Other
William Fitzsimmons Fade And Then Return
William Fitzsimmons Fortune
William Fitzsimmons Blood/Chest
William Fitzsimmons Hold On With My Open Hands
William Fitzsimmons Lions
William Fitzsimmons Afterall
William Fitzsimmons Mend Your Heart
William Fitzsimmons I Don´t Feel It Anymore (Song Of The Sparrow)
William Fitzsimmons Passion Play
William Fitzsimmons Wild Flowers (Tom Petty-Cover)
William Fitzsimmons So This Is Goodbye
William Fitzsimmons Wonderwall (Oasis-Cover)
William Fitzsimmons You Still Hurt Me
William Fitzsimmons Good Morning

Konzertmitschnitt und Videostream

Einen Mitschnitt dieser FM4 Radio Session gibt es am Mittwoch, 26. März in der FM4 Homebase zu hören (19-22 Uhr). Ab dann gibt es auch den Videostream vom Konzert für sieben Tage hier online.