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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

17. 2. 2014 - 13:45

Der Mann der leisen Töne

Der Songschreiber (und Therapeut) William Fitzsimmons veröffentlichte eben ein neues Album, "Lions", und kommt damit auch demnächst zu einem ganz besonderen Konzert nach Wien.

Am 17. 2. 2014 gibt es in Connected (15-19 Uhr) eine Listening Session vom neuen Album

William Fitzsimmons aus Springfield, Illinois - eine Stadt im Mittleren Westen der USA mit etwa 120 000 Einwohnern - ist ein Mann der leisen Töne. Kahler Kopf, dafür umso längerer Bart. William Fitzsimmons ist insgesamt eine beeindruckende Erscheinung. Und Psychotherapeut ist er auch. Fitzsimmons hat Psychologie studiert und dann als Psychotherapeut gearbeitet. Musik gemacht hat er aber praktisch schon immer. Aufgewachsen als Kind blinder Eltern in Pittsburg, Pennsylvania war die Musik im Fitzsimmons-Haushalt omnipräsent: Töne ersetzten oft, was das Auge nicht sehen konnte. Ein Piano gab es da etwa, aber auch allerhand Selbstgebasteltes von Vater Fitzsimmons, auf dem man spielen konnte. So wurde der Sohn praktisch wie von selbst zu einem Multiinstrumentalisten, auch wenn er vor ein paar Jahren zuallererst seiner verhaltenen, ja, wispernden, aber gleichzeitig flehenden Stimme wegen bekannt geworden ist.

W. Fitzsimmons US-Musiker

Grönlandrec

Das US-Seriendrama "Grey´s Anatomy" hatte ihn um Songs gebeten, um damit Szenen besonders gut zur Geltung zu bringen. "Passion Play" und "Please Don´t Go" hießen die Stücke. Weitere nordamerikanische Fernsehserien wollten sogleich die Lieder des William Fitzsimmons, die mit ihrer ganz eigenen Unaufdringlichkeit eine große Intensität erschaffen, egal ob sie im Lo-Fi-Stil des Homerecordings gehalten, oder in einem professionellen Aufnahmestudio samt einem Producer entstanden sind.

Das neue Album wurde in Seattle, Washington eingespielt. Dort lebt ein gewisser Chris Walla und betreibt ein Tonstudio. Walla, der auch Mitglied der Band Death Cab For Cutie ist, holte eine gewisse Dynamik aus den leisen Tönen des William Fitzsimmons heraus. Ich war schon immer ein Riesenfan von Chris Wallas Studioarbeit - etwa für die Decemberists oder Nada Surf, sagt William Fitzsimmons im FM4-Interview. Er hatte ein Demo-Tape mit neuen Songs an Chris Walla geschickt, und dieser rief sofort zurück: "Hey, man, I love this stuff, I think, we can make a really cool record!" Gesagt, getan.

Death Cab For Cutie US-Band

pressphoto

Death Cab For Cutie - zweiter von links: Chris Walla
Albumcover W.Fitzsimmons 2014

GrönlandRec

"Lions" von William Fitzsimmons ist bei Nettwerk/Grönland Records erschienen. Grönland ist das Label des deutschen Stars Herbert Grönemeyer.

Vier Wochen verbrachte Fitzsimmons bei Chris Walla in Seattle, um "Lions" unter Dach und Fach zu bringen. Allzulange weg von zuhause sein möchte William Fitzsimmons nämlich zur Zeit nicht, ist er doch nun Vater einer etwa eineinhalb Jahre alten (Adoptiv-) Tochter. Auf Tour geht er natürlich trotzdem, als Musiker will man schließlich seine Kunst auch fahrenderweise unter die Menschen bringen. "Josie´s Song" - das ein wenig an Sam Beam und sein Bandprojekt Iron & Wine erinnert - ist inspiriert von seiner Tochter.

Spezialgebiet: Separations

"Took" ist ein fast schon beschwingter Song, für Fitzsimmons-Verhältnisse jedenfalls, mit einem hübschen Beat unter Williams charakteristischem Gesang. Chris Walla steuerte das Stück in diese Richtung, lacht William Fitzsimmons: "Trust me", meinte er, "it´s gonna feel special." "Took" ist ein Song, in dem es um allerlei Trennungen geht. Das ist ja fast so etwas wie ein Spezialgebiet von William Fitzsimmons. Eine seiner Platten arbeitete die Trennung seiner Eltern auf ("Goodnight"), eine andere ("The Sparrow And The Crow") die Scheidung von seiner Frau, und durch das neue Album zieht sich auch ein roter (Trennungs-)Faden: etwas, das mit einer gewissen Sarah zu tun hat, mit einer Mutter, die - warum auch immer - von ihrem Kind getrennt ist. Sarah ist Josies leibliche Mutter, und auf eine Weise kommt sie in jedem Song am Album vor.

Ein Konzeptalbum also? Lose. Aber wollen wir das alles eigentlich wissen? Falls nicht, das Schöne an den Songs von William Fitzsimmons ist ja, dass sie auch "funktionieren", zu einem durchdringen, wenn man all diese Hintergrundinformationen nicht hat. Nein, man muss gar nicht wissen, worum es in der ersten Single vom Album, in "Centralia" eigentlich geht. Man muss nicht einmal wissen, wer oder was "Centralia" ist. Trotzdem: Centralia ist eine kleine Stadt in Pennsylvania - nicht zu verwechseln mit der Stadt Centralia in Illinois, oder besser, war eine kleine Stadt, denn seit Jahrzehnten schwelt unter dem Ort ein Kohlebrand, der die ehemalige Bergbau-Gegend kaum mehr bewohnbar macht. Centralia ist heute, trotz vieler Feuerlöschversuche, praktisch eine "ghost town" - mit bloß einer Handvoll Einwohnern. In "Centralia" singt William Fitzsimmons : "God, how I let you down. We burn like Centralia, lost in the ash."

FM4 Radio Session

William Fitzsimmons spielt am 19. März 2014 eine FM4 Radio Session im Radiokulturhaus in Wien. Das Konzert gibt es für 7 Tage im Videostream

Der Bart ist nur der Bart
Der Nachbericht der FM4 Radio Session mit William Fitzsimmons (Eva Umbauer)

Der Mann der leisen Töne
Der Songschreiber (und Therapeut) William Fitzsimmons und sein neues Album "Lions" (Eva Umbauer)

William Fitzsimmons ist insgesamt ein sehr amerikanischer Songwriter. Religion ist da etwa ein Thema, oder (die damit immer wieder verbundene) Bigotterie. Dort wo ich aufgewachsen bin, sagt Fitzsimmons im FM4-Interview, mussten alle gleich sein, wer anders war, durfte nicht akzeptiert werden. Transsexuelle? Gibt es nicht. Im Song "Brandon" geht es darum. Als William Fitzsimmons vor vierzehn Jahren den Film "Boys Don´t Cry" sah, weinte er. Zum ersten Mal, sagt er, fühlte er eine Verbindung zu jemandem, von dem er sich seiner Erziehung nach eigentlich distanzieren hätte müssen: Brandon Teena, dessen Geschichte der Inhalt des Films war. Jahre später, jetzt, hatte William Fitzsimmons beschlossen "to write a love song about that person".

"Lions" ist der Titel vom neuen Album von William Fitzsimmons. Er will mit "Lions" andeuten, dass der Mensch im Grunde nichts Anderes ist als ein Raubtier: "We are simultaneously very noble, beautiful creatures, but we are animals. A lion is beautiful. If you see one on TV, we want to be near them. And they would have no regret killing you in a moment."