Erstellt am: 22. 3. 2014 - 08:57 Uhr
Österreichische Glücksgefühle
Manchmal braucht es nicht viel. Ein bisschen Schminke, ein obskures Plüschtier, das Spielen mit Kontrasten und Farben oder vielleicht auch nur eine kleine, schräge Idee. Und schon ist es meisterhaft, das selbst gefilmte und produzierte Musikvideo.
Die folgenden Videos made in Austria fallen allesamt in die Kategorie "fantastisch", auf ihre jeweilige, ganz eigen(sinnig)e Art.
Kreisky - Pipelines
Es kursiert ja schon seit einigen Tagen und ruft viel Echo hervor. Von Lobhuldigungen bis zu kleinen Albträumen fasziniert und verstört das neue Video von Kreisky. Da werden Kindheitserinnerungen wach, wenn der Glücksdrache Fuchur das erste Mal im Bild erscheint, auf dessen Rücken Franz Adrian Wenzl reitet.
Das alles passt in seiner Schrägheit und Einfachheit perfekt zu "Pipelines", der ersten Single aus dem neuen Album "Blick auf die Alpen", das vor ein paar Tagen bei Wohnzimmer Records erschienen ist. Wenn zur dahineiernden Orgel am Anfang dann die ganze Band einsteigt, dann haben mich Kreisky schon wieder überzeugt, dass sie zu einer der wichtigsten Bands unseres Landes gehören. Denn selbst bei aller Ironie und Verrücktheit steckt auch in diesem Song weit mehr, als man beim ersten Hören vermuten möchte. Man könnte sogar soweit gehen anzunehmen, die eigenwillige Band hätte hier eine Hymne auf die industrielle und ökonomische Krise der Gegenwart geschrieben. Aber vielleicht hat sich Franz einfach nur seinen Kindheitstraum erfüllen wollen, einmal auf einem Glücksdrachen zu fliegen.
Luise Pop - Invisible
Luise Pop hat mit "Black Cat" einen meiner all-time-favorites der österreichischen Musikszene geschrieben und gesungen. Warum? Weil er mir auch heute noch ein Lächeln aufs Gesicht und Glücksgefühle in meinen Bauch zaubert. Die neue Single "Invisible" kommt da fast heran. Ähnlich eingängig ist der Refrain, ähnlich locker-flockig und charmant unverschämt rocken sich Luise Pop wieder durch den Indiepop.
Für die visuelle Umsetzung ist Mirjam Unger verantwortlich, die Luise Pop schon in ihrem großartigen Film "Oh Yeah, She Performs!" portraitiert hat. Also die Chemie dürfte wohl von Anfang an gestimmt haben. Ganz in Schwarz-Weiß spielt Mirjam Unger mit Kontrasten auf mehreren Ebenen. Nicht nur bildlich treffen verschiedene szenische Welten hier staccato-artig aufeinander, auch die Stimmung des an alte Horrorfilme angelehnten Musikfilms steht in scheinbarem Kontrast zu der recht fröhlich anmutenden Nummer. Ein spannendes, unheimliches und eindrucksvolles Ergebnis, das nicht besser ausfallen hätte können.
Garish - Ganz Paris
Dass die Burgenländer Garish und mich eine platonische Liebesbeziehung verbindet, dürfte einigen schon bekannt sein. So hat mich auch ihr neuester musikalischer Streich "Trumpf" wieder kalt erwischt. Trotz vermeintlicher Düsternis und rauer Schale findet sich in jenem Song eine menschliche Wärme. Selbst wenn es wie bei in dem wunderschönen Video von "Auf den Dächern" von Christoph Kuschnig um gescheiterte Existenzen und ihre Alltagstristesse zu gehen scheint.
Für das Video zur neuen Single "Ganz Paris", einem beschwingteren Stück der neuen Garish-Platte, hat sich Christoph Kuschlig eine grenzgeniale Umsetzung ausgedacht. Zwei Hunde, die durch Paris streunen, sind derart menschlich in Szene gesetzt und diese derart clever mit den jeweiligen Textpassagen verknüpft, dass ich mir wirklich ernsthaft überlegen muss, trotz Wiener Großstadt und Zeitmangel doch einen vierbeinigen Begleiter nachhause zu holen. In der Zwischenzeit kann ja dieses filmische Schmuckstück auf Dauerrotation laufen.
Gin Ga - AA
Auch bei Gin Ga stimmt vom ersten Ton und ersten Bild an einfach alles.Viel reduzierter kann man ein Popvideo wohl nicht machen. Genau so qualitativ hochwertig wie ihre Songs ist dieses kurze Filmchen, dass auf den ersten Blick nicht viel Aufsehen erzeugt. Denn schließlich vermutet man eine stereotype Alpha-Rock-Tier-Performanz. Doch die bandinternen Beinahe-Verknotungen und dafür Bruchteile von einer Sekunde über die Gesichter huschende Lächeln heben diesen ernsten Popgestus auf ganz charmante Weise wieder auf.
Natürlich stimmt hier auch die geradlinige "Story" zum geradlinigen Song. Außerdem schafft es das Video einen Hauch Persönlichkeit der Band Gin Ga einzufangen, ohne auf langweilige Klischees oder private 8mm-Aufnahmen zurückgreifen zu müssen. Im Sinn von "what you see is what you get" gibt's von mir auf alle Fälle nicht ein double, sondern ein triple A rating!