Erstellt am: 17. 3. 2014 - 15:53 Uhr
Keynes und die Grünen
fm4.ORF.at/euwahl
Alle Geschichten zur Wahl des Europa-Parlaments am 25. Mai 2014.
Ende Mai finden die EU-Wahlen statt - und auch wenn das Interesse geringer ist, als etwa jenes an der letzten Nationalratswahl, kann man den wirtschaftlichen Impact dieser Wahl wohl kaum vernachlässigen.
In diesem Zuge werde ich in den Wochen vor der Wahl die einzelnen Spitzenkandidaten der (im österreichischen Nationalrat vertretenen) Parlamentsparteien auf ihre wirtschaftspolitischen Positionen abklopfen. Heute:
Ulrike Lunacek, die GRÜNEN
Die Grünen gelten generell der Idee der europäischen Einigung gegenüber sehr aufgeschlossen. Immerhin gibt es sogar EU-Fahnen als Wahlgeschenk, die statt blau einfach grün sind. Gerade im Umweltbereich, Stichwort Genmais oder Fracking, sieht man aber, dass die Partei realpolitisch mit der Europäischen Union nicht immer zufrieden ist. Und auch die "Spardoktrin", also die Auslegung europäischer Wirtschaftspolitik, ist nicht immer im Sinne der Grünen.
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Gegen das Kaputt-Sparen
Die SpitzenkandidatInnen im Interview
- Harald Vilimsky, FPÖ: "Es gibt undurchsichtige Strukturen"
- Ulrike Lunacek, Grüne: "In Krisenzeiten nicht am Sozialen sparen"
- Eugen Freund, SPÖ: "Am meisten leiden die Arbeitnehmer"
- Angelika Mlinar, NEOS: "Ich bin eher marktgläubig"
- Othmar Karas, ÖVP: "Verfechter der ökosozialen Martkwirtschaft"
Meine erste Frage an Frau Lunacek bezieht sich auf den Status Quo der EU-Krisenbekämpfung. Obwohl gerade mal die Neuverschuldung langsamer steigt, im Schnitt natürlich noch immer Schulden gemacht werden, hört man oft, dass ein "Kaputt-Sparen" die europäische Wirtschaft abwürgt. Ich habe die grüne Spitzenkandidatin gefragt wie das ihrer Meinung nach denn zusammenpasst.
"Tatsache ist - und das sagen nicht nur die Grünen, sondern viele Wirtschaftswissenschafter - in Krisenzeiten kann man nicht einfach am Sozialen sparen. Weil das die soziale Stabilität eines Landes gefährdet. Und deswegen warnen wir vor diesem Kaputtsparen! Gerade in Zeiten, wo die Wirtschaft stagniert und es hohe Arbeitslosigkeit gibt, muss man investieren. Das hat Keynes so gesagt und das war auch der New Deal von Roosevelt. Man muss investieren, damit die Beschäftigung angekurbelt wird, damit wieder mehr Geld in die Wirtschaft fließt. Das klingt für manche jetzt gar nicht grün: Wie schaffen wir es, dass die Menschen nicht nur genug zum Essen haben, sondern dass es auch soziale Absicherung gibt? Dafür ist Europa bekannt und das ist auch das, worum uns die USA und alle anderen Kontinente beneiden: Dass wir es hier auf diesem Kontinent geschafft haben, die Unterschiede zwischen Arm und Reich halbwegs im Zaum zu halten."
Gegencheck Teil 1, Nikolaus Jilch (die Presse)
An dieser Stelle kommentiert Nikolaus Jilch von der Tageszeitung "Die Presse" die wirtschaftspolitischen EU-Agenden der Grünen Spitzenkandidatin. Sein Kommentar zu dieser Aussage:
"Frau Lunacek redet von Keynes, der gesagt hat, wir müssen in Krisenzeiten investieren, wir im Sinne von der Staat. Da kann man jetzt streiten, ob er damit recht oder unrecht hat. Er hat allerdings auch gesagt, dass in guten Zeiten gespart werden sollte und das ist genau der Teil, den die Politiker immer vergessen. Es wurde immer mehr investiert, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite. Es wurden Kredite vergeben die nicht vergeben werden hätten sollen, das Risiko war zu groß, die Blase ist geplatzt. Diese Übertreibung, die wir vorher gehabt haben, wird jetzt bereinigt mit dem, was wir Krise nennen. Und wir können nicht einfach die Krise so oder so beenden, sondern wir müssen sie durchstehen. Es gibt einige Leute, die sagen: Wenn wir nicht versucht hätten, gegen zu steuern, wären wir wahrscheinlich längst auf dem Weg einer echten Erholung und eines echten Wachstums. Ich persönliche bezweifle, dass wir schon auf diesem Weg sind."
Die EZB ist männlich
Der zweite Fragenblock meines Interviews mit Ulrike Lunacek drehte sich um die Europäische Zentralbank (EZB) und deren Krisenpolitik - die Grünen sprechen sich ja etwa auch für "Eurobonds" aus, also gemeinschaftliche Anleihen. Eingangs wollte ich von Lunacek wissen wie zufrieden sie mit der bisherigen Performance der EZB ist:
"Zum einen hat die EZB Linie gehalten und begonnen, einzuspringen. Darüber bin ich sehr froh. Ich wäre außerdem sehr dafür, dass es Eurobonds gibt, also europäische Anleihen, die das Spekulieren gegen Mitgliedsstaaten verhindern. Hätten wir das gehabt, wäre Griechenland in der Form nicht passiert - bei allen Problemen die Griechenland selber zu verantworten hat: viel zu hohes Militärbudget, keine Steuern zahlen usw. Ich finde aber problematisch, dass die EZB als Institution als Hauptziel die reine Inflationsbekämpfung und Preisstabilität hat. Gerade in Zeiten wie diesen müsste man ein Ziel dazufügen, nämlich die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Im Direktorium der EZB sitzen nur Männer. Ich bin überzeugt, dass die Nichtbeteiligung von Frauen in diesen hohen Wirtschaftsfunktionen tendenziell Auswirkungen auf die reale Politik hat. Denn das heißt, dass ein Teil der Bevölkerung und deren Erfahrungen nicht einbezogen wird. Das müsste geändert werden."
Gegencheck Teil 2, Nikolaus Jilch
"Vulgärmarxismus"
Harald Vilimsky, der Spitzenkandidat der FPÖ bei der EU-Wahl, im Interview. Und Eric Frey von der Tageszeitung "Der Standard" analysiert seine EU-wirtschaftspolitischen Antworten.
Nikolaus Jilch von der Presse meint zu dieser Aussage:
"UlrikeLunacek lobt die EZB sehr verhalten, für Dinge, die sie im Prinzip nicht getan hat. Die EZB hat viel weniger Staatsanleihen als andere Zentralbanken gekauft und das hat einen Grund. Die EZB hat nur eine Aufgabe: für Preisstabilität sorgen, d.h. die Inflation bei knapp zwei Prozent halten. Für die einseitige Aufgabe der EZB gibt es zwei Gründe: Zum einen haben die Deutschen große Angst vor Inflation und sehen den Euro als Hartwährung. Zum anderen - das wird Ihnen auch jeder EZB-Banker sagen - kann man den Arbeitsmarkt mit Geldpolitik nicht stützen. Der Arbeitsmarkt hängt mit der Gesamtwirtschaft zusammen und wenn die schlecht aussieht, dann sieht es auch auf dem Arbeitsmarkt schlecht aus. Das ist nicht hundertprozentig zu verhindern, man kann aber sehr wohl durch schlechte Geldpolitik die Probleme verlängern und vergrößern.
Ich weiß, es ist unpopulär zu sagen "Wir müssen darauf achten, dass unsere Währung sicher bleibt" – aber das ist am Ende des Tages die Aufgabe der EZB. Das hat nichts damit zu tun, welches Geschlecht die Leute haben, die da im Direktorium sitzen. Denn die haben sehr konkrete Vorgaben, wie sie zu arbeiten haben - eben weil sie zwischen den Interessen verschiedener Ländern wie Frankreich und Deutschland stehen."
Das ganze Interview zum Nachhören
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