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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

2. 3. 2014 - 20:00

Always Tired

Schöngeistige Popkultur-Collagen aus Ambient-Pop, Chill Wave und Dämmerzuständen. Der Wiener Produzent und Sänger Pieter Gabriel alias Sleep Sleep ist der FM4 Soundpark Act im März.

FM4 Soundpark Act des Monats

Im März mit dem Wiener Produzenten und Sänger Pieter Gabriel alias Sleep Sleep

Schlafen ist lebenswichtige Herrlichkeit. Ein Hoch mit allen Tiefen auf das süße Nichtstun, Träumen und Dösen kommt vom Wiener Produzenten und Sänger Pieter Gabriel, der als Sleep Sleep schöngeistige Popkultur-Collagen aus Ambient-Pop, Chill Wave und Dämmerzuständen entwirft. Es ist Musik, die sich besser zum narkoleptischen Taumel als zum Tanzen eignet und sich sanft in die Ohrmuschel kuschelt. Wie in einer REM-Phase scannt Sleep Sleep auf seinem Album "Gospel" das popkulturelle Alltagsgedöns und webt die hängengebliebenen Zitate und Referenzen aus Büchern, Filmen und Serien in die feinstofflichen Arrangements seiner Träume ein.

Sleep Sleep

Clemens Schneider

Pieter Gabriel alias Sleep Sleep

Die Textzeile "A Little Slow, A Little Late" des titelgebenden Songs "Gospel" stammt beispielsweise aus der US-amerikanischen TV-Serie "The Wire". Die Nummer "Mendocino" ist nach dem Ort benannt, in dem T.C. Boyles Buch "Grün ist die Hoffnung" spielt. "Twin Peaks" ist, wie könnte es anders sein, vom Soundtrack der Serie von Angelo Badalamenti inspiriert: "Die Nummer ist schon ziemlich alt und hat als kitischige E-Piano-Nummer begonnen und wurde erst später ein bisschen shoegaziger und verträumter.", meint Pieter Gabriel.

Sleep Sleep / Noise Appeal Records

Der Albumtitel "Gospel" meint übrigens keine händeringenden Erlöser-Fantasien der Marke Sister Act: "Der Name Gospel kam durch die vielen Tamburine, Handclaps und Orgeln zustande, die man auf fast jeder Nummer hört. Und während der Aufnahmezeit hab ich mich so in das Material vergraben, dass es schon fast so etwas wie meine Kirche war. Da dachte ich mir, der Name passt vielleicht ganz gut. Klar ist es ein wenig irreführend, aber wenn man es hört, wird die Kirchenassoziation überflüssig."

"Gospel" ist im November 2013 auf Noise Appeal Records herausgekommen und nimmt für Pieter Gabriel den Stellenwert eines Debüt-Albums ein, obwohl er schon unter seinem bürgelichen Namen oder auch unter dem Namen "1981" Platten veröffentlicht hat. Erst jetzt fühlt sich das Ganze für ihn richtig an, denn es ist ihm lieber, wenn er sich hinter einem Pseudonym verstecken kann: "Ich wollte einen Namen, mit dem ich arbeiten kann. Denn man assoziiert ja gleich etwas mit einem Namen und bei Pieter Gabriel war es halt immer dieses Sledgehammer-Ding. Das hat ja schon in der Schule angefangen und wenn man dann Musiker ist, ist’s ja noch viel ärger."

Sleep Sleep passt nicht nur sehr gut zu der verträumten Musik von Pieter Gabriel, sondern trifft auch seine Persönlichkeit ganz gut. Er lässt sich gerne treiben und nimmt sich Zeit. Über fünf Jahre hat er am Album gearbeitet und im Titelsong singt er "I’m always drunk, I’m always tired". Der Satz beschreibt den Entstehungsprozess des Albums, als er sich im Schlafanzug promilleträchtig in die Produktion verloren hat.

Dass er es lieber stressfrei mag, macht sich auch in seiner Abneigung gegenüber Konzerten bemerkbar: "Beim ersten Album hab ich festgestellt, das mir das nicht wirklich Spaß macht. Vor allem dieses Ritual rundherum: Proben, Leute zusammen suchen und dann spielt man es runter und runter und dann gefällt es einem eh schon nicht mehr bis man auf der Bühne steht. Und auch das Herumreisen. Ich bin dafür einfach nicht geschaffen."

Wegen der Sci-Fi-Klangästhetik, den cineastischen Soundspielereien und den vielen Samples vergleicht Pieter Gabriel "Gospel" mit einem Fantasy-Comic, den er weitgehend in Eigenregie gestaltet hat. Einer der vier Mitwirkenden war Chellist Lukas Lauermann von A Life A Song A Cigarette, mit dem Pieter Gabriel das experimentelle Ambient-Duo The 20th Century gegründet hat. Bei der tanzbarsten Nummer des Albums "Take The Money And Run", die Gabriel selbst als Eurotrash bezeichnet, war Stefan Deisenberger von Naked Lunch mit dabei. Er hat auch das Mixing der Platte übernommen und durch ihn hat Pieter Gabriel das Wiener Duo Chronic City kennengelernt, deren Song "Oceans of Luxury" er singt.

Lass die Sonne rein
"Sunrise" von Sleep Sleep

Im April veröffentlicht Pieter Gabriel bereits die nächste Platte, das Debüt von The 20th Century. Er wird auch wieder seine Leidenschaft für Cover-Nummern ausleben. Nach der im Vorjahr erschienen Cover-EP "CVRS", auf der Songs wie "Dirty Diana" von Michael Jackson oder "Looking For Freedom" von David Hasselhoff waren, widmet er sich in der nächsten CVRS-Ausgabe der heimischen Musikszene.